"Mehrere Übergriffe von 'Trans-Frauen' auf weibliche Häftlinge in Gefängnissen" – so überschrieb die Tageszeitung Die Welt am 10. Januar einen ausführlichen Artikel zu eben diesem Thema. Ein paar Tage später griff die Faktencheck-Plattform Mimikama die Sache auf und bestätigte den Welt-Bericht. Doch dann hagelte es bei diesem heiklen Thema offenbar Kritik. Und zwar so heftig, dass Mimikama sich bei seinen Lesern entschuldigte und den Artikel von der Seite nahm. Um danach eine überarbeitete Faktencheck-Version zu dem Thema zu veröffentlichen. Was hatte die Welt behauptet? Wie korrigierten sich die Faktenchecker? Und was sagen die von dem Thema Betroffenen: Der hpd fragte nach bei der Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten und auch beim Verband Queere Vielfalt.
Die Recherche der Tageszeitung Die Welt
Die Zeitung hatte geschrieben: "In deutschen Frauengefängnissen sind zahlreiche Insassinnen mit männlichen Straftätern inhaftiert. Innerhalb der Haftanstalten kam es zu nachweislich fünf Übergriffen von sogenannten Trans-Frauen, die in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) für Frauen inhaftiert sind. Vier davon waren sexuell motiviert."
Mit "männlichen Straftätern" meinte die Welt dabei offenbar solche Personen, die sich selbst als trans definieren. Die Redaktion hatte die für den Strafvollzug zuständigen Justizministerien der Länder befragt. Aus dem Text der Welt ergibt sich, dass es entsprechend der Umfrage um bundesweit etwa 70 Personen mit Transhintergrund geht. Um dies ins Verhältnis zu setzen: In deutschen Gefängnissen sind knapp 42.000 Gefangene untergebracht, etwa 2.600 davon sind weiblich (Zahlen aus dem Jahr 2023).
Hintergrund: Selbstbestimmungsgesetz
Allerdings könnte die Zahl der Inhaftierten mit Transhintergrund in Zukunft durchaus steigen, weil das seit November 2024 geltende Selbstbestimmungsgesetz mittlerweile den Wechsel der Geschlechtsidentität vereinfacht. In Paragraph 2 des Selbstbestimmungsgesetzes heißt es: "Jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, kann gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll … Die Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht …"
Das Gesetz wurde (und wird weiterhin) begleitet von einer heftigen Diskussion. Es gab und gibt Warnungen, dass sich Frauen etwa in Duschräumen oder Saunen mit Personen konfrontiert sehen, deren biologische Geschlechtsmerkmale männlich sind, die sich aber unter Hinweis auf ihren selbstgewählten Geschlechtseintrag als Frau definieren. Während Frauen im Alltag solchen Situationen möglicherweise ausweichen können, ist die Situation im Strafvollzug naturgemäß eine andere. Entsprechend groß ist die Verantwortung der Behörden, die unter ihrer Obhut stehenden Menschen zu schützen. Das geschieht auch durch Trennung von Männern und Frauen. Nach Paragraph 4 des Justizvollzugsgesetzbuchs gilt: "Frauen sind getrennt von Männern in besonderen Justizvollzugsanstalten für Frauen oder in getrennten Abteilungen in Justizvollzugsanstalten für Männer unterzubringen. Sie sind auch sonst von den männlichen Gefangenen und männlichen Untergebrachten getrennt zu halten."
Dass diese Schutzpflicht nicht immer eingehalten wird, zeigt die Recherche der Welt bei den Landesjustizministerien.
Die alte und die neue Faktencheck-Analyse von Mimikama
Auch die Faktencheck-Plattform Mimikama stimmte zunächst in den von der Welt gesetzten Ton ein und betitelte ihre Analyse so: "Sexuelle Gewalt: Übergriffe durch 'Transfrauen' in deutschen Gefängnissen. Neue Vorfälle werfen Fragen zur Sicherheit im Frauenvollzug auf. Kritiker warnen vor Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes." Im Text der später offline genommenen Prüfung hieß es dann: "Die dokumentierten Fälle sexueller Übergriffe biologisch männlicher Transpersonen in Frauengefängnissen zeigen, dass das Selbstbestimmungsgesetz erhebliche Risiken birgt. Sicherheitsmaßnahmen müssen überarbeitet werden. Separate Einrichtungen für Transpersonen könnten ein Weg sein, Missbrauch zu verhindern und die Sicherheit der weiblichen Häftlinge zu gewährleisten."
Nach der offenbar massiven Kritik aus Leserkreisen heißt es nun in der aktuellen Version des entsprechenden Faktenchecks: "Die angegebenen Taten stammen aus der Zeit vor dem Selbstbestimmungsgesetz und sind von straffälligen Personen begangen worden. Es ist hier keinerlei Zusammenhang zwischen Personenstandsänderung und beabsichtigten Übergriffen auf andere Frauen in Haftanstalten zu erkennen. Wenn die 'Welt' eine Zahl von derzeit 70 inhaftierten Frauen mit Transhintergrund angibt, von denen 4 durch Gewalt oder sexuelle Übergriffe auffällig wurden, kann dies eigentlich eher zur Entwarnung dienen und zeigen, dass trans Frauen eben keine erhöhte Gefahr darstellen."
Im Übrigen wird das Problem von den Faktencheckern nunmehr in Relation zum generellen Gewaltphänomen im Strafvollzug betrachtet: "Gewalt in deutschen Haftanstalten ist ein andauerndes Problem. Auch in Frauen-Haftanstalten. Laut einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen 2014 gaben 25,6 % der Insassinnen an, innerhalb der letzten 4 Wochen Opfer körperlicher Gewalt geworden zu sein. Bei rund 2500 Frauen in Justizvollzugsanstalten also mehr als 625 Delikte pro Monat und somit 45.000 Taten seit 2019. Die 'Welt' beschränkt sich in ihrer Nachfrage bei den Justizministerien allein auf die Frage nach Gewalt durch transgeschlechtliche Frauen."
Was der Bund der Strafvollzugsbediensteten fordert
René Müller, der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), fordert indes bei dem Thema politisches Handeln. Es sei nicht richtig, die Verantwortung für solche Fälle auf die Anstaltsleitungen abzuwälzen. Doch ein schon vor längerer Zeit gemachter Vorschlag des BSBD sei bislang unberücksichtigt geblieben. Müller: "Wir schlagen vor, dass sich mehrere Bundesländer zusammenschließen und eine Station für transgeschlechtliche Menschen in einer bestehenden Justizvollzugsanstalt schaffen oder gegebenenfalls eine gemeinsame Einrichtung für diese Fälle schaffen."
Mit Wirksamwerden des Selbstbestimmungsgesetzes dürfte das Problem in Zukunft größer werden, warnt Müller. Doch das Bundesjustizministerium unter dem ehemaligen Minister Marco Buschmann (FDP) habe sich über diese Probleme keine Gedanken gemacht. Auch nicht über alltägliche Praxisfragen – wie etwa Durchsuchungen von Gefangenen gehandhabt werden sollen. "Was ist, wenn jemand männliche Geschlechtsorgane hat und durchsucht werden soll? Wenn die Person behauptet, Frau zu sein und von einer weiblichen Vollzugskraft durchsucht werden will. Ich kann Kolleginnen verstehen, die das nicht machen möchten", sagt Müller.
Die Bedenken des NRW-Justizministeriums
Das nordrhein-westfälische Justizministerium hält (noch) nichts von eigenen Stationen für transgeschlechtliche Menschen. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hieß es im vergangenen August, dass zu dem Zeitpunkt (also vor Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes) im nordrhein-westfälischen Justizvollzug insgesamt acht transgeschlechtliche Menschen inhaftiert waren. Und: "Im nordrhein-westfälischen Justizvollzug existieren keine besonderen Justizvollzugseinrichtungen oder -abteilungen, in denen ausschließlich transgeschlechtliche Gefangene untergebracht werden. Gegen eine (zentrale) Behandlungsabteilung für transgeschlechtliche Gefangene sprechen – gerade mit Blick auf die überschaubare Anzahl der Fälle – Gesichtspunkte einer möglichen Isolierung und Stigmatisierung. Eine solche Abteilung hätte darüber hinaus im Flächenland Nordrhein-Westfalen zwingend eine heimatferne Unterbringung zur Folge."
Wie der Verband "Queere Vielfalt" die Sache sieht
Julia Monro ist Mitglied im Bundesvorstand des Verbands Queere Vielfalt (LSVD⁺). Monro weist gegenüber dem hpd darauf hin, dass es natürlich – wie in jeder Gruppe – auch unter trans Personen "schwarze Schafe" geben könne. "Doch hier soll gezielt ein Bild einer bestimmten Gruppe gezeichnet werden. Einfache Antworten helfen bei komplexen Sachverhalten aber nicht weiter. Es muss jeder Fall individuell betrachtet werden", fordert Monro. "Man kann doch bei jemanden, der wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis muss, nicht pauschal sagen, dass die Person nicht in ein Frauengefängnis darf." Wenn es aber bei der Verurteilung um Sexualstraftaten geht, sei dies natürlich ein Fall, der individuell von der Anstaltsleitung hinsichtlich der Unterbringung beurteilt werden müsse. Monro: "Zu prüfen ist die Art des Delikts. Im Strafrecht unterscheidet man schließlich auch zwischen Verbrechen, Vergehen und schweren Gewalttaten." Spezielle Abteilungen für trans Menschen zu schaffen, sieht sie nicht als Lösung. "Das hätte für mich einen sehr üblen Beigeschmack, es erinnert mich an Rassentrennung. Das finde ich nicht zielführend."
13 Kommentare
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Kommentare
MM am Permanenter Link
Das Problem sind nicht "schwarze Schafe" unter Transpersonen. Das Problem ist, dass sich mit der Self-ID jeder Penisträger zur Frau erklären und damit Zugang zu weiblichen Schutzräumen begehren kann.
Florian Schulz am Permanenter Link
das "Missbrauchspotential" von Männern ist einfach zu hoch: die Wahrscheinlichkeit Opfer eines Cis-Mannes zu werden – zum Beispiel in einer "ganz normalen Beziehung" oder Familie – dürfte um ein Vi
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Dieses idiotische " Selbstbestimmungsrecht " in der jetzigen Form wird hoffentlich bald wieder abgeschafft, und natürlich müssen Männer, die sich als Frau sehen möchten, in separate Zellen kommen, alles and
Beängstigend, diese Regelung!
David am Permanenter Link
man gibt einigen wenigen Frauenrechte und nimmt Frauen ihre Rechte
Florian Schulz am Permanenter Link
in welcher Welt haben Frauen "Rechte"? Da hilft es natürlich enorm, auch Transpersonen keine Rechte zuzugestehen (war Sarkasmus, nicht dass es unnötige Antworten gibt)
David am Permanenter Link
Auf Gaming Seiten wird jemand wie sie gesperrt nach dem Motto dont feed the Troll
Florian Schulz am Permanenter Link
@ David "Humanistischer Pressedienst" und "Gaming Seite"? Wo ist da der Zusammenhang? Sind Sie zum Spielen hier?
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Das Erschütterndste an der Sache ist für mich das Verhalten der Faktenchecker: Wenn sich Fakten unter dem Druck einer empörten Öffentlichkeit ändern, zeigt das, alternative Fakten gibt es nicht nur bei Trump.
Florian Schulz am Permanenter Link
@ Rüdiger Weida Ich warte noch darauf, dass sich Trump ein einziges Mal korrigiert. Oder Sie.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Oh, haben Sie nicht verstanden, worum es mir ging?
Ich habe mich schon oft korrigiert, weil ich selbst meinen Irrtum erkann hatte oder weil andere mir den faktenbasiert erklärt haben. Aber noch nie, weil sich jemand einfach nur über meine Meinung empört hat, was ziemlich oft vorkommt.
Florian Schulz am Permanenter Link
@ Rüdiger Weida Ihre Kommentare sind sehr leicht zu verstehen. Aber das macht sie nicht richtig. Ich habe noch nicht erlebt, dass Sie sich – beim hpd – korrigiert haben.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Es erfüllt mich mit Stolz, wenn jemand mein Verhalten so genau studiert, dass er derartige Auskünfte geben kann. Das habe ich das letzte Mal in der DDR erlebt.
Danke für diese Erinnerung an alte Zeiten.
libertador am Permanenter Link
Welches Verhalten erschüttert? Erschüttert sie, dass man auf Kritik reagiert und einen neuen Artikel veröffentlicht, der weitere Informationen bzw.
Oder ist am neuen Artikel irgendetwas fehlerhaft? Dann wäre es besser zu sagen, was daran fehlerhaft ist.