Esoterik

Was die Impfgegner stark macht

"Krankheiten auszurotten ist kein Ziel"

Dieses Bildungs- und Sozialgefälle bei der Einstellung zum Impfen erleichtert den Impfgegnern die Agitation ungemein. Wenn sich "die Proleten" und "die Ausländer" alle impfen lassen, kann man das leicht mit dem Hinweis diffamieren, die ließen sich halt leicht beeinflussen, das sähe man ja an den Wahlurnen. Womit der Boden aufbereitet ist, die verweigerte Impfung zum widerständigen Akt zu heroisieren – gleichsam als Zugehörigkeitsausweis zur "richtigen" sozialen Schicht: Dem sich alternativ wähnenden Milieu der formal gebildeten weißen Mittelschicht.

Dem gehören auch Ärzte an. Wie jener Reinhard Mitter, den der "Kurier" zitiert: "Das Ausrotten von Erkrankungen kann kein Gesundheitsziel sein. Überall, wo wir in ein Ökosystem (…) eingreifen, kommt es zu Problemen." Grundsätzlich seien Infektionen positiv für den Körper: "Gerade bei Kinderkrankheiten sind bei guten Lebens- und Heilungsbedingungen Schäden extrem selten. Aber das bedeutet: Kein Fieber senken, dem Körper Zeit lassen zum Auskurieren, ganzheitlich – etwa auch mit Homöopathie und Naturheilkunde – die Abwehr stärken. (…)"
Und: "Außerdem haben Krankheiten immer auch einen Sinn: Sie sollen uns zur Ruhe bringen, auf etwas aufmerksam machen, unser Immunsystem umfassend stärken." Auf der anderen Seite würde man gesunde Kinder über Impfungen mit Zusatzstoffen und Verunreinigungen belasten, die schädliche Folgen haben können. Bei Frühgeburten müsse man besonders vorsichtig sein: "Hier habe ich schon neurologische Veränderungen durch Impfungen gesehen."

Das ist Ideologie, reine Ideologie und nicht als Ideologie. Es widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis. Es ist einfach Eso-Öko-Schickimicki-Verblendung. Mit Medizin hat’s der Herr Doktor nicht so.

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Ein Arzt (!) sagt, es könne kein Ziel sein, Krankheiten auszurotten. Weil Natur und so.

Wenn ihm die Natur wichtiger ist als seine kindlichen Patienten sollte er den Arztberuf gleich bleiben lassen. Menschen das Leben zu verlängern ist per se ein Eingriff in die Ökosysteme dieses Planeten. Wobei: Wenn dieser Arzt seine Patienten so behandelt wie er das in seinem Zitat schildert, wird sich in seinem Fall der Eingriff wohl in Grenzen halten.

Ärztekammer: Tut zu wenig dagegen

Was einen zum nächsten Faktor bringt, der den Siegeszug der Impfgegner ermöglicht: Da hat man Ärzte, die sagen, es könne kein Gesundheitsziel sein, Krankheiten auszurotten. Die Ärztekammer geht nur nicht dagegen vor. Sie anerkennt Weiterbildungskurse, in denen Pseudomedizin wie Homöopathie gelehrt wird, aus der sich derlei lebensgefährlicher Unfug ohne größere Umwege herausdestillieren lässt.

Diese Vorgangsweise bestärkt den esoterisch angehauchten Teil der Ärzteschaft in seiner Meinung. Der faselt im Zweifelsfall was vom mündigen Patienten. Allein, dieser würde voraussetzen, dass der durchschnittliche Patient im Zweifelsfall mehr Ahnung von Medizin hat als der behandelnde Mediziner. Das ist nicht Sinn der Sache.

Einschlägige Ärzte streng untersuchen

Es wäre wünschenswert, würde die Ärztekammer Standeskollegen, die öffentlich Infektionskrankheiten verharmlosen und Impfungen als Gefahr für Patienten darstellen, streng untersuchen. Nicht nur schadet das öffentliche Äußern dieser Meinung dem Ansehen der Ärzteschaft insgesamt und gibt gefährlichen Bewegungen Auftrieb.

Es stellt sich auch die Frage, wie die betreffenden Ärzte mit ihren Patienten umgehen. Wenn solche Ärzte etwa Eltern abraten, offiziell empfohlene Impfungen an ihren Kindern durchführen zu lassen, darf das nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Ein solcher Rat gefährdet nicht nur die unmittelbar betroffenen Kinder. Er gefährdet auch alle, die aus welchen Gründen auch immer, nicht geimpft werden konnten. Wie jenes kleine Mädchen, das sich im Alter von drei Monaten mit Masern infiziert hat.