Ohne Gott ist alles erlaubt? – Religionen

Telepathie beim KGB

Gegen eine strikt atheistische und damit auch skeptizistische ideologische Durchdringung der Sowjetunion sprechen vor allem die Telepathieexperimente, die der KGB (wie die CIA) auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges durchführte. Die Probanden sollten zuerst Gedanken des Gegenübers im Labor lesen und später dazu ausgebildet werden, auf der anderen Seite des Erdballs U-Boot-Bewegungen oder Militärstützpunkte zu erfassen.

Am bizarrsten mutete der Kult um paranormale Kräfte in Bulgarien an. Dort erfreute sich die Hellseherin Baba Wanga im Volk großer Beliebtheit. Niemand konnte die Zukunft so gut prophezeien wie sie. Ihr zu Ehren wurde an der Nationalen Akademie der Wissenschaften ein Institut für Suggestologie eingerichtet, das weitere Hellseher ausbilden sollte. Politiker aus dem engsten Machtzirkel suchten ihren Rat und sie trat sogar mit dem bulgarischen Staatspräsidenten gemeinsam im Fernsehen auf.

Der ehemalige KGB-Offizier und spätere Staatspräsident Russlands, Wladimir Putin kann ebenfalls nicht als Vorzeigeatheist gelten. Der Politiker, dessen innenpolitischer Kurs sich nur wenig von dem der Sowjetunion unterscheidet, wurde als Christ erzogen, wandte sich aus Karrieregründen von der Kirche ab und trat ihr nach der Wende wieder bei. Mehrfach traf er sich zu repräsentativen Anlässen mit Kirchenvertretern wie Alexius II. Dieser gilt als verlässliche Stütze der neuen Macht in Russland und trägt durch seine homophoben Predigten zumindest eine Mitschuld an den jüngsten Ausschreitungen gegen schwule Demonstranten. Russische Oppositionelle werfen ihm außerdem vor, in den 1970er Jahren mit der sowjetischen Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben. Gleichermaßen bemüht sich auch Alexander Lukaschenko, der Präsident Weißrusslands, der als „Letzter Diktator Europas“ gilt, um gute Beziehungen zur orthodoxen Kirche. Alle anderen Religionsgemeinschaften sind unter seiner Herrschaft restriktiven Einschränkungen unterworfen. Putin und Lukaschenko nahmen Ende 2008 an der Beerdigungszeremonie des russisch-orthodoxen Patriarchen Alexius II. teil.

Heutiges Russland

In dem wiedererstarkten Russland Putins gewinnt der orthodoxe Glaube wieder an Bedeutung zurück, gleichzeitig haben die Orthodoxen aber kein Problem damit, den Atheisten Stalin zum Staatsmann zu stilisieren. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang der 1990er Jahre, der von vielen Russen als Demütigung durch das Ausland empfunden wurde, gewann die Sowjetunion, vor der sich die Völker der Welt fürchteten, wieder an Beliebtheit. Unter Putin wurde die Hymne der Sowjetunion (wenn auch ohne Text) wiederbelebt. Des Weiteren erzählen Schulbücher eine nur wenig kritische Geschichte Stalins und eine Fernsehserie über eine russische Einheit in Afghanistan erfreut sich großer Beliebtheit in nationalistischen Kreisen. Den vorläufigen Höhepunkt markierte der Vorschlag des Katastrophenschutzministers Sergej Schoigu, der meinte, eine Leugnung des Sieges der Roten Armee im 2. Weltkrieg sollte fortan illegal sein. Tatsächlich zielt dies vor allem darauf ab, die Errichtung des Eisernen Vorhangs als Befreiung vom Faschismus zu deklarieren.

Eher skurril mutet die Forderung der immer noch existierenden kommunistischen Partei an, Stalin durch die russisch-orthodoxe Kirche heilig sprechen zu lassen. Doch trotz der historisch belegten Religionsverfolgung stößt dieser Vorschlag zumindest bei einzelnen Geistlichen auf Zustimmung.

Tschechoslowakei nach dem Krieg

In der Tschechoslowakei begründeten nach 1945 die Benes-Dekrete die Diskriminierung der deutschen und (weniger bekannt) auch der ungarischen Bevölkerung. Die genannten Volksgruppen wurden enteignet, sie konnten nicht gegen ihre Umsiedelung protestieren, oder ihren Wohnsitz frei wählen und waren von gehobenen Posten ausgeschlossen. Vorrausgegangen waren den Benes-Dekreten gewaltsame Vertreibungen, die kurz nach Kriegsende einsetzten. Schätzungsweise 30.000 Deutsche kamen auf den berüchtigten Todesmärschen um. Doch obwohl oft dem Kommunismus zugeschrieben, sind diese Gewalttaten dem gesamten Spektrum der tschechoslowakischen Parteienlandschaft anzulasten. Die Umsiedelungen wurden bereits während des Krieges von der Exilregierung in London unter der Führung von Präsident Benes geplant und auch von den Regierungen der Westalliierten gebilligt. Im wesentlichen beteiligten sich alle Parteien, also auch die katholische Volkspartei, deren Vorsitzender, der Geistliche Jan Šrámek, den Posten des Ministerpräsidenten im Exil innehatte, an den Vertreibungen. Nachdem die Kommunisten 1948 ihre Herrschaft etabliert hatten, wurden die Benes-Dekrete beibehalten und mehrere Parteien in Blockparteien umgewandelt.

Die Kirchenführer des Landes hatten 1945 nur wenig Mitleid für die Vertriebenen. Sie legten keinen Widerspruch gegen die Politik ihrer Regierung ein. Der Prager Erzbischof Josef Beran, der während des 2. Weltkriegs im KZ interniert war, konnte aus seiner Biographie heraus nicht mehr zwischen gerechter Strafe für Nazis und grausamer Rache an den Deutschen unterscheiden. An der Person Berans zeigt sich, wie wenig kommunistisch motiviert die Maßnahmen der Exilregierung waren. Der Erzbischof ging auch mit den neuen Machthabern auf Konfrontationskurs und wurde erneut gefangen genommen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks formulierten die Kirchen in der Tschechoslowakei ein Entschuldigungsschreiben.

Die Benes-Dekrete wurden auch dazu missbraucht, die immer leerer gewordene Staatskasse der Tschechoslowakei nach dem Krieg zu füllen. Dabei war von großer Bedeutung, dass die jüdische, aber deutschsprechende Bevölkerung in der letzten Volkszählung von 1930 Deutsch als Volkszugehörigkeit angegeben hatte. Ihre Besitztümer wurden zuerst von den Deutschen enteignet und fielen nach Kriegsende als Reparationszahlung an die Tschechoslowakei. Diese versprach den Juden eine Rückerstattung, die jedoch größtenteils in der Bürokratie versandete.

Religionen in der DDR

Im Verlauf des 2. Weltkriegs gerieten zahlreiche deutsche Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Stalin wollte die Gefangenen als Propagandamittel im Kampf gegen Hitler einsetzen. Mehrere hohe Offiziere, wie beispielsweise Generalfeldmarschall Paulus, wandten sich gegen den Nationalsozialismus und traten dem Nationalkomitee Freies Deutschland bei. Es rief zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf und wurde nach Kriegsende zur Keimzelle der DDR. Im NKFD gab es auch einen “Arbeitskreis für kirchliche Fragen” der paritätisch mit drei evangelischen und drei katholischen Militärseelsorgern besetzt wurde. Im 15. Juli 1944 verfasste er einen Aufruf an die Geistlichen Ostdeutschlands in denen die Rote Armee als Befreierin gepriesen wurde:

„Lasst euch nicht schrecken durch die Angst vor der Roten Armee! Sie kommt nicht als Feind des deutschen Volkes, sondern allein als Feind Hitlers und seiner Trabanten. Gerade als Christen, die schon immer dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden, habt ihr nichts zu befürchten! Sobald die Front über eure Städte und Dörfer hinweggegangen ist, werdet ihr wieder eurer friedlichen Beschäftigung nachgehen. Ihr Pfarrer werdet wieder an den Altären und auf den Kanzeln stehen und ungehindert und in aller Öffentlichkeit euren Seelsorgedienst ausüben. Darum keine Panik! - Gebt beim Herannahen russischer Truppen zu erkennen, daß ihr die friedliche Bevölkerung seid! Geht ihnen mit vorangetragenen Kreuzen oder weißen oder schwarz-weiß-roten Fahnen als Zeichen eurer friedlichen Gesinnung entgegen! Verhindert, dass in eurer Umgebung geschossen wird! Veranlasst die deutschen Soldaten, den Kampf einzustellen und tragt so als Christen zur Vermeidung weiterer sinnloser Blutopfer bei! Verhaltet euch korrekt gegenüber den Besatzungsbehörden und lasst euch durch niemanden zu dem Wahnsinn eines aktiven oder passiven Widerstandes verleiten. Es liegt allein an euch, wie euch die Rote Armee behandelt.“

Handlungsspielräume für die Nachkriegszeit

Die Motive, die die Geistlichen bewogen, sind vielfältig und können nicht mehr vollständig nachvollzogen werden. Einige handelten aus Furcht vor Repressalien, einige hofften, sich durch Kollaboration Handlungsspielräume für die Nachkriegszeit zu erkaufen, einige waren naiv und hatten keine Kenntnis von Kriegsverbrechen, wieder andere wandelten sich tatsächlich zu überzeugten Kommunisten. Friedrich-Wilhelm Krummacher, der dem Arbeitskreis angehörte, wandelte seine Überzeugungen mehrfach. Im Dritten Reich war er überzeugter Nationalsozialist, in Kriegsgefangenschaft wandte er sich dem Kommunismus zu, nachdem er pommerscher Landesbischof geworden war, wandte er sich gegen die DDR-Führung.

Nach Kriegsende wandelte sich auch Joseph Wirth, Mitglied der katholischen Zentrumspartei und ehemaliger Reichskanzler. In der jungen BRD ging er auf Konfrontationskurs mit Konrad Adenauer. Er widersprach ihm in Fragen der Westintegration, der Aufrüstung und der Haltung zur Sowjetunion. Mit anderen Zentrumspolitikern und zentrumsnahen Journalisten die Deutsche Volkszeitung. Diese wurde auf illegalem Wege von der DDR finanziert und begrüßte unter anderem die Niederschlagung des Volksaufstandes in Budapest, sowie des Prager Frühlings.

Auch im politischen System der DDR waren bekennende Christen vertreten. Die Staatsführung war darauf bedacht, nicht als gänzlich atheistisch aufzutreten, um religiöse Bevölkerungsgruppen nicht zu verschrecken. Gleichzeitig wollte man als pluraler, demokratischer Staat verstanden werden. Konsequenz daraus war, dass in der sowjetischen Besatzungszone die CDU als Partei anerkannt wurde und als Blockpartei auch ihren Weg in die Volkskammer der späteren DDR fand. Die sogenannten „Blockflöten“ segneten die Entscheidungen des Zentralkomitees bedingungslos ab und betätigten sich teilweise als Informelle Mitarbeiter. Der spätere Vorsitzende der CDU in der DDR, Lothar de Maizière, musste ebenfalls zugeben, mehrfach Kontakt zur Staatssicherheit gehabt zu haben. Ebenso wurde dem Bundesverkehrsminister Günther Krause eine unkritische Haltung gegenüber der SED vorgeworfen.

SED-Christen

Auch der ehemalige Landeschef der brandenburgischen CDU, Ulrich Junghanns (zeitgleich Handelsminister und stellvertretender Ministerpräsident), ist ein evangelischer Christ, der sich an die Seite der SED stellte. Noch 1989 hatte der damalige Bezirksleiter der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands die Berliner Mauer verteidigt. Junghanns sprach ihr zu, die DDR vor „brauner Pest“ aus Westdeutschland zu schützen. Stanislaw Tillich, katholischer Ministerpräsident Sachsens, musste einige Monate nach seiner Amtseinführung 2008 zugeben, seinen Wehrdienst bei den Grenztruppen der DDR abgeleistet und darüber hinaus als Mitglied des Kreisrates Kamenz gewirkt zu haben. Marion Walsmann, die thüringische Justizministerin, die heute der Evangelischen Akademie Thüringen angehört, gehörte bereits in der DDR der CDU an. Als Abgeordnete der letzten Volkskammer stimmte sie 1989 für eine Resolution, in der die gewaltsame Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Tiannanmen-Platz befürwortet wurde.

Die ehemaligen Angehörigen der Blockparteien stellen als neue CDU-Mitglieder derzeit einige Bundestagsabgeordnete und große Teile der Abgeordneten in den ostdeutschen Parlamenten. (Diese Einschätzung gilt in geringerem Maße auch für die FDP.) In der Bundespartei stößt dies nur auf geringen Widerstand. Eine aktuelle Stellungnahme der CDU bezüglich ihres unbestreitbaren Anteils an der Wiedervereinigung erwähnt nur die positiven Aspekte, blendet aber aus, dass nach der Wende mehrere Stasi-Informanten zu neuen Christdemokraten wurden. Erst nach Protest seitens der Medien wurde eine kurze Passage eingefügt, in der die Rolle als Blockpartei angerissen wurde.

Ein ähnliches Beispiel stellt Manfred Stolpe dar. Auch er passte sich den politischen Gegebenheiten an, um Karriere zu machen. Nach seinem Jurastudium bekleidete er mehrere Positionen in der evangelischen Kirche Brandenburgs. In den 1980er Jahren stieg er sogar bis zum stellvertretenden Vorsitzenden des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR auf. Wie nach der Wende bekannt wurde, hatte er über mehrere Jahre hinweg dem Ministerium für Staatssicherheit Informationen über andere Kirchenmitglieder zugespielt. Dennoch fand er in der SPD als Bundesverkehrsminister eine neue politische Heimat.

Christliche Kommunisten

Das evangelische SPD-Mitglied Herbert Wehner hatte ebenfalls eine kommunistische Vergangenheit. In der Weimarer Republik gehörte der der KPD an und stieg in den Gremien der Partei bald auf. Nach der Machtergreifung Hitlers ging er mit vielen anderen Genossen ins sowjetische Exil. Dort beteiligte er sich an den stalinistischen Säuberungen und verriet mehrere seiner Parteifreunde an den NKWD.

Die neue Hoffnung der Linkspartei heißt Bodo Ramelow. Der Westdeutsche machte eine steile Karriere in der SED-Nachfolgepartei und hätte fast ein Regierungsbündnis in Thüringen geschmiedet. Der bekennende Christ, der sich unter anderem wünschte, Bischöfe würden auf seinen Parteitagen erscheinen, weigerte sich jedoch eindeutig, DDR-Unrecht zu verurteilen und beschäftigte in seinem näheren Umfeld und der Landtagsfraktion mehrere Personen mit Stasi-Vergangenheit.

Auch die evangelische Kirche Deutschlands knickte im Streit mit den kommunistischen Machthabern in Rumänien ein. Die Literaturnobelpreisträgerin 2009 Herta Müller, eine Rumänendeutsche, hatte sich in ihrem Werk mit der kommunistischen Diktatur auseinandergesetzt. Sie erhielt eine Einladung zum Kirchentag 1989 in Westdeutschland, die allerdings zurückgezogen wurde, als die evangelische Kirche Rumäniens hinter den Kulissen Druck ausübte.

Vergleichbar mit der CDU als Blockpartei war der Polnische Katholisch-Soziale Verband in der VR Polen.