Jerry Falwell: „Agent der Intoleranz"

USA. (hpd) Nach dem Sieg bei den Vorwahlen der Demokraten in Oregon konzentriert sich Barack Obama, der die absolute Mehrheit

der gewählten Delegierten bereits für sich gewonnen hat, immer mehr auf seinen republikanischen Gegner McCain. Als Berater und politischen Freunde McCains wurden bereits John Hagee und Rod Parsley dargestellt. Heute folgt Jerry Falwell, der über seinen Tod hinaus noch Einfluss auf die Republikaner hat.

 

Vor einem Jahr verstarb Jerry Falwell, einer der Mitbegründer der Christlichen Rechten. Wer war der Prediger aus den Südstaaten, der deutschen Öffentlichkeit wenn, dann nur als Gegenspieler des Hustler-Verlegers (Woody Harrelson) aus dem Film „Larry Flynt - Die nackte Wahrheit" bekannt ist?

Falwell wurde 1933 in Lynchburg, Virginia, einer Kleinstadt geboren. Zeitlebens blieb er seiner Heimat verbunden, in der er sich vor den moralischen Verfehlungen der Welt um ihn herum sicher fühlte. Lediglich zum Theologiestudium gab er seinen Wohnsitz auf und zog nach Springfield Missouri. Aus der Uni zurückgekehrt, gründete er in Lynchburg die Thomas Road Baptistenkirche, die er bis zu seinem Tod leitete. Doch selbst als Falwell gern gesehener Gast im Weißen Haus war, blieb er seiner Heimat, die nur wenige Autostunden von Washington entfernt war, treu.

Falwell gründete 1979 die ultra-konservative „Moral Majority", eine der einflussreichsten Lobbyorganisationen in der Geschichte der USA, die nach eigenen Angaben 6.5 Millionen Mitglieder hatte. Sie wandte sich vor allem gegen die, in ihren Augen zu liberale Präsidentschaft Jimmy Carters. In den 80er Jahren ebnete sie Ronald Reagan den Weg zur Präsidentschaft und unterstützte ihn bis ans Ende seiner Amtszeit. Falwells Gruppierung sprach sich gegen Abtreibung, gegen Gleichberechtigung für Schwule und Frauen aus und befürwortete eine familienorientierte Politik, sowie eine massive Aufrüstung gegenüber der Sowjetunion. 1989 löste sich die Moral Majority auf und existierte fortan, auf viele andere kleinere christliche Lobbygruppen verteilt, weiter.

"Agent der Intoleranz"

Doch auch nachdem Falwell seinen Zenit überschritten hatte, blieb er zeitlebens ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor in der Republikanischen Partei. 2000 lagen Bush und McCain bei den Primaries in der Wählergunst gleichauf. Kurz vor der Entscheidung in Virginia bezeichnete McCain den ultrakonservativen Falwell als „Agent der Intoleranz" und fuhr daraufhin eine haushohe Niederlage ein. Bush konnte die evangelikalen Mitglieder der Republikanischen Partei hinter sich versammeln, die ihm den Weg ins Weiße Haus ebneten. Dass an Falwell kein Weg vorbeiführte, begriff auch McCain, der 2006 den Gang nach Canossa antrat. Er versöhnte sich mit dem „Agenten der Intoleranz" und gewann die Vorwahlen in Virginia.

Politisch vertrat Falwell eher wirtschaftsliberale Positionen. Beispielsweise schlug er amerikanischen Gewerkschaftlern vor, die Bibel besser kennen zu lernen, statt mehr Gehalt einzufordern. Menschen mit Gottesglauben seien die besten Arbeiter. Die globale Erderwärmung war für ihn nichts weiter als „Hokuspokus", ein satanischer Plan, der die Menschen bloß davon abhalte, das Wort Gottes zu verkünden.

Paranoide Homophobie

Falwell war für seine ausgesprochene Homophobie bekannt. Er gehörte zum Kreis der Moral Majority und republikanischer Spitzenpolitiker. Ein Pressesprecher der Organisation begrüßte 1982 die Todesstrafe für Homosexuelle. Falwells Vorstellung nach versuchen Homo-Lobbyisten die Gesellschaft zu unterwandern, um Kinder zu Schwulen und Lesben zu erziehen. Und so verwundert es nicht weiter, dass er auch im Kinderprogramm subversive Mächte am Werk sah.

Im Februar 1999 verkündete er, dass der Teletubby Tinky Winky schwul sei. Dies begründete er damit, dass sein Fell lila sei, seine Antenne auf dem Kopf ein Dreieck forme (Schwulenorganisationen verwenden das Symbol als Erkennungszeichen, im „Dritten Reich" wurden Homosexuelle mit dem dreieckigen Schwulenwimpel gebrandmarkt) und er immer eine Damenhandtasche mit sich führe, obwohl er doch männlich sei.

Über HIV-Infizierte ließ Falwell folgendes verlauten: „AIDS ist nicht bloß Gottes Strafe für Homosexuelle; es ist Gottes Strafe für die Gesellschaft, die Homosexuelle toleriert."

In den 80er Jahren geriet Falwell in Konflikt mit der Metropolitan Community Church, einer Freikirche, die von Schwulen gegründet wurde und entsprechend der Homosexualität gegenüber freundlich eingestellt ist. Der Prediger sah in ihr ein „abscheuliches und satanistisches System, das eines Tages vollständig vernichtet wird und es wird ein Fest im Himmel sein."

9/11 als Strafe Gottes

Falwells Ablehnung des liberalen Lebensstils ging so weit, dass er die Terroranschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001 als Strafe Gottes für die Amerikaner, die die christlichen Werte nicht mehr respektierten, ansah. In Pat Robertsons Sendung „The 700 Club" sagte er nur wenige Tage nach den Anschlägen: „Aber Gott wurde erfolgreich mit Hilfe des Bundesgerichts aus der Öffentlichkeit verbannt und aus den Schulen geworfen. Die Abtreibungsbefürworter tragen ihre Bürde dafür, denn Gott lässt sich nicht täuschen. Und als wir 40 Millionen unschuldige kleine Babys vernichtet haben, haben wir Gott erzürnt. Ich glaube fest daran, dass die Heiden, die Abtreibungsbefürworter, die Feministen und die Schwulen und Lesben, die versuchen ihre alternative Lebensweise durchzusetzen, die ACLU, People For the American Way [beides Bürgerrechtsorganisationen] - all jene die versucht haben Amerika zu säkularisieren [Schuld tragen]. Ich zeige mit dem Finger auf sie und sage: Ihr habt geholfen, dass das passiert."

Religiös begründete Rassentrennung

Die feindseligsten Positionen nahm Falwell jedoch gegenüber den Schwarzen ein. In den Südstaaten war die Trennung zwischen Schwarzen und Weißen bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig. Der afroamerikanischen Bevölkerung wurden elementare Rechte vorenthalten. Doch die Begründung für diese Politik war nicht rassistisch, sondern religiös motiviert.

Die Rassentrennung wirkte bis weit in die Kirchen hinein. Selbst heute noch gibt es Gemeinden in den USA, die strikt entweder nur weiße oder schwarze Gottesdienstbesucher zulassen. Von den 40 Millionen Schwarzen in den USA gehören ca. 16 Millionen einer rein schwarzen Konfession an. Doch selbst in gemischtrassigen Konfessionen halten einzelne Gemeinden die Rassentrennung weiterhin aufrecht.

"Fluch des Ham"

Begründet wurde diese Politik mit „Hams Fluch", einer Bibelinterpretation des antiken Theologen Origines. Ham, einer der Söhne Noahs, von dem die afrikanischen Völker abstammen, wurde mit einem Fluch belegt, da er die Nacktheit seines betrunkenen Vaters verspottet habe. Doch diese Bibelinterpretation war unter schwarzen Theologen offensichtlich nicht allzu beliebt. Und so wie es mehrheitlich weiße Geistliche waren, die die Rassentrennung befürworteten, so waren es mehrheitlich schwarze Geistliche, wie beispielsweise Martin Luther King, die sie ablehnten. Der bis dahin eher unpolitische Prediger Jerry Falwell wandte sich gegen die Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement), die er nur „Civil Wrongs Movement" nannte. In seinen ersten Fernsehsendungen begrüßte er Politiker wie Lester Maddox und George Wallace (bekannt aus Forrest Gump), die sich für die Beibehaltung der Rassengesetze aussprachen. 1964 attackierte er Martin Luther King und James Farmer. Er stellte die Ehrlichkeit ihrer Absichten in Frage, da bekannt sei, dass sie mit dem „Linken Flügel" [d.h. der Sowjetunion] verbandelt seien. Ihre Bewegung schade dem Ansehen der USA, denn: „Es ist offensichtlich, dass die Kommunisten, so wie sie es bislang in jedem Winkel der Erde getan haben, ihren Nutzen aus der angespannten Situation in unserem Land ziehen und jeden Vorfall über Gewalt und Blutvergießen sofort ausschlachten."

King und Farmer, die beide Baptistenprediger waren, riet er, lieber Seelen zu retten, anstatt Politik zu betreiben. Als in den 60er Jahren in den Südstaaten die ersten gemischtrassigen Schulen eröffnet wurden, gründete Falwell 1966 die „Lynchburg Christian Academy", eine private Bildungseinrichtung, die nur Weißen offen stand. 1971 folgte das „Lynchburg Baptist College", das heute als Liberty University bekannt ist.

Unterstützer des Apartheids-Regime

In den 80er Jahren unterstützte Falwell das Apartheids-Regime in Südfrika, das die Rassentrennung äußerst brutal verteidigte. Präsident Botha war gläubiger Anhänger der niederländischreformierten Kirche und begründete seine Herrschaft auch mit christlichen Prinzipien. Zu seiner Vereidigungszeremonie bestellte er einen Geistlichen der staatstreuen weißen Kirche. 1985 besuchte Falwell Südafrika und unterhielt sich mehrere Stunden lang mit der Staatsführung über Politik. Zurück in den USA berichtete er von seinen Eindrücken: Er erklärte, dass er selbstverständlich gegen die Unterdrückung der Schwarzen sei, um gleich danach zu behaupten, Botha würde die Repressionen gegenüber der Bevölkerung lockern, wenn diese sich nur „ruhig" verhielte. Gleichzeitig attackierte er die Sanktionen, die die US-Regierung gegen Südafrika verhängt hatte, da sie das Land dazu zwingen würden, eine außenpolitische Annäherung an die Sowjetunion zu suchen. Aus diesem Grund rief er auch dazu auf, in Krüger Rand (südafrikanische Goldmünzen) zu investieren, um die wirtschaftliche Situation am Kap von Afrika zu verbessern. Kurze Zeit danach nannte er Bischof Desmond Tutu, der für seine Opposition gegen die Apartheid mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, einen „Scharlatan" (eng. phony), wenn es darum ginge, die schwarze Bevölkerung zu repräsentieren.

Doch spätestens ab 1994 war offensichtlich, dass Falwells überkommene Vorstellungen keinen Platz in der Realität mehr hatten. In Südafrika kam es zu freien Wahlen, aus denen Nelson Mandela als strahlender Sieger hervorging. Die kritische Aufarbeitung der Geschichte machte es zunehmend unmöglich, die Apartheid zu begrüßen oder zumindest als das kleinere von zwei Übeln zu betrachten. Falwell veränderte in den 90ern seine Ansichten über die Rassenfrage und schlug versöhnlichere Töne an. Dennoch wird die Ehrlichkeit dieses Sinneswandels bezweifelt, da Falwell in Erwiderung auf seine Vergangenheit gesagt hatte, sinnentstellend zitiert worden zu sein und bereits Mitte der 60er Schwarze in seiner Kirche getauft zu haben. Tatsächlich war dies aber erst 1971 der Fall.

Auch der Irakkrieg 2003 wurde von Falwell ausdrücklich unterstützt. Im Jahre 2006 wurde er auf seine Stellungnahme zur Invasion angesprochen, die rückblickend angesichts des katastrophalen Kriegsverlaufs als Fehler angesehen werden müsse. Falwell offenbarte dabei ein eher naives Politikverständnis: Die Nachrichten über ein überfordertes Militär würden nur vom Sender CNN kolportiert. Schalte man stattdessen den republikaner-freundlichen Sender FOX-News ein, würde man schnell erfahren, dass der Krieg stattdessen „pretty well" verlaufe.

Apokalyptisches Weltbild

Jerry Falwell vertrat ein apokalyptisches Weltbild, ähnlich dem von John Hagee, dessen Lobbyorganisation CUFI er für einige Monate bis zu seinem Tod als Vorstandsmitglied angehörte. Beispielsweise verkündete im Januar 1999, dass der Antichrist auch in der heutigen Welt wirke und mit Sicherheit ein Jude sei.

Außerdem war er felsenfest davon überzeugt, dass Gott das Jüngste Gericht noch während seines Lebens abhalten würde. Dazu kam es nicht mehr, Falwell starb am 15. Mai 2007. Im Hollywoodkino lebt er jedoch weiter. Er lieferte die Inspiration für den äußerst unsympathischen US-Präsidenten im Kultfilm Flucht aus L.A.

George W. Bush anlässlich Falwells Tod: „Laura und Ich sind zutiefst betrübt über den Tod Jerry Falwells, eines Mannes, der Glauben, Familie und Freiheit schätzte. Als Gründer der Thomas Road Baptistenkirche in Lynchburg, Virginia, lebte Jerry ein Leben des Glaubens und rief Männer und Frauen aus allen Schichten dazu auf, an Gott zu glauben und ihren Gemeinden zu dienen. Einer seiner fortwährenden Beiträge war die Gründung der Liberty University, an der er junge Menschen lehrte, ihren Überzeugungen treu zu bleiben und sich auf Gottes Wort in allen Lebenslagen zu verlassen. Heute sind unsere Gedanken und Gebete bei seiner Frau Macel und dem Rest der Familie Falwell."

Lukas Mihr