(hpd) Die aktuellen Antworten der Wissenschaft: Soziologen finden heraus, unter welchen Bedingungen Religion gedeiht, Hirnforscher und Psychiater entdecken, was im Kopf gläubiger und nichtgläubiger Menschen vor sich geht, Genetiker suchen nach der Religiosität im Erbgut und Evolutionspsychologen fragen nach Selektionsvorteilen.
In der Januar-Ausgabe von „bild der wissenschaft“, dem größten deutschsprachigen populären Wissenschaftsmagazin, ist die dreiteilige Titelgeschichte „Warum Menschen glauben“ erschienen (ab 15. Dezember im Handel). Darin werden die neuesten Erkenntnisse zu den biologischen und sozialen Grundlagen der Religiosität zusammengefasst.
Im ersten Teil, Gläubige Gehirne, geht es um neue Resultate der Hirnforschung, die erklären, was in den Köpfen religiöser, abergläubischer und religionsfreier Menschen vor sich geht. Der alltägliche religiöse Glaube beruht nicht auf speziellen Hirnaktivitäten, sondern vor allem auf den Netzwerken für die soziale und emotionale Informationsverarbeitung. Religiöse Aussagen haben wenig mit Vernunft zu tun, da sie in Hirnregionen verarbeitet werden, die für das emotionale Erleben "zuständig" sind. Psychiatrische Studien belegen, dass es einen Übergang von alltäglicher Religiosität hin zu Wahnformen gibt, besonders in der Schizophrenie, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine kritische Reflexion nicht mehr stattfindet. Außerdem zeigte sich, dass ein Dopamin-Überschuß im Gehirn leichtgläubige "Schafe" erzeugt und abergläubisches Verhalten begünstigt.
Der zweite Teil, Vom Nutzen des Himmels, handelt von den kontroversen Diskussionen zur hypothetischen Evolution der Religiosität. Hat oder hatte sie einen Vorteil in der natürlichen oder sexuellen Selektion? Oder ist sie ein Nebenprodukt der sozialen Intelligenz oder aber eine rein soziokulturelle Prägung? Neue Daten und Argumente sprechen für die letztgenannten beiden Möglichkeiten.
Der dritte Teil, Weltangst schürt die Gottesfurcht, fasst eine Vielzahl neuer soziologischer, psychologischer und anthropologischer Studien zusammen. Ergebnis: Ob Menschen religiös sind, hängt hauptsächlich von ihrer psychischen Verfassung ab und von der Qualität der Gesellschaft, in der sie leben. Ängstlichere Menschen neigen zu Autoritätsgläubigkeit und sind deshalb eher religiös. Und je ungerechter es in einer Gesellschaft zugeht, desto größer ist die Bedeutung der Religion. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass Religion diese Ungerechtigkeiten begünstigt, Aufklärung dagegen ein insgesamt glücklicheres und längeres Leben in einer nach vielen Kriterien bemessenen "gesünderen" Gesellschaft.
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In den Artikeln kommen unter anderem auch mehrere Beirats- und Fördermitglieder der Giordano-Bruno-Stiftung zu Wort. So wurde der Psychiatrie-Professor Martin Brüne zum Zusammenhang von Religion und Wahn befragt, der Soziobiologie-Professor Eckart Voland zur Evolution der Religiosität, und der Bioethiker Edgar Dahl machte deutlich, warum die höhere Reproduktionsrate religiöser Fundamentalisten nicht auf einem Selektionsvorteil beruht. Außerdem gibt es ein Interview mit Andreas Müller, Redakteur von hpd.de und darwin-jahr.de .
Verfasst wurden alle Artikel von dem Biologen, Philosophen und Wissenschaftsjournalisten Rüdiger Vaas, der auch im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung ist und ein Mitglied des Darwin-Jahr-Komitees. Er berichtete schon mehrfach über die Ursachen der Religiosität (Rezension hier) und veröffentlichte mit Michael Blume das Buch Gott, Gene und Gehirn (Hirzel-Verlag, Stuttgart 2009, 2. Aufl.), das viele weitere Fakten und Hypothesen zur Anthropologie, Evolution, Neurobiologie und Kognitionspsychologie der Religion, Religiosität und Spiritualität enthält sowie die damit verbundenen philosophischen Aspekte diskutiert.
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