Veranstaltungsbericht

"Nur" ein kleines Stück Haut?

24-08-12_hpd_vortrag_hegazy_ersatzbild.jpg

In Deutschland gehört die Beschneidung von Jungen zur Normalität. Tatsächlich wird dabei "nur" ein Stück Haut von der Fläche eines Fünf-Euro-Scheins entfernt. Man braucht dazu nicht einmal Arzt zu sein, es genügt schon die Vertretung einer religiösen Gemeinschaft. Ist diese Praxis aus kinderrechtlicher Sicht vertretbar, und wie sieht es mit humanistischen Werten zu diesem Thema aus? Dazu hat die Partei der Humanisten Ende März einen Themenabend veranstaltet. Es referierte der Aktivist und Arzt Dr. med. Guido Hegazy.

"Was Sie schon immer über die 'Beschneidung' von Jungengenitalien wissen wollten, aber nie zu fragen wagten" – unter diesem Titel hielt Dr. Hegazy seinen Vortrag über die "Beschneidung" von Jungen. Beschneidung ist dabei in Anführungsstriche gesetzt, da es viele Begriffe für diese Operation gibt. Während manche von Vorhaut-Amputation sprechen, benutzt Hegazy lieber einen Begriff, der nicht gleich an ein ganzes Bein oder einen Arm denken lässt: Vorhaut-Resektion.

Ist die Vorhaut wirklich "nur" ein kleines Stück Haut? Tatsächlich hat sie einige Funktionen für die männliche Sexualität, ebenso für den Schutz der Eichel.
Darunter liegt nämlich eine Schleimhaut, die austrocknen und sogar verhornen kann, wenn man die Vorhaut entfernt. Die sexuellen Folgen eines solchen Eingriffs sind vielfältig. Noch schlimmer sind die Folgen, wenn die Operation zu Komplikationen führt. Das ist bei rund 400 Kindern in Deutschland jährlich der Fall.

Aber nicht nur der Körper wird bei einer Beschneidung beeinträchtigt. Betroffene beklagen auch den Eingriff in ihr Recht auf Selbstbestimmung. Nicht zuletzt ist eine schmerzhafte Beschneidung ohne Narkose im Kindesalter ein belastendes Ereignis und kann zu Traumatisierung führen. Nicht ohne Grund sieht man in Deutschland die Beschneidung von Mädchen in anderen Kulturen als ein großes Problem. Wieso machen wir also bei Jungen hierzulande einen Unterschied? Aus humanistischer Sicht sollten alle Menschen, egal welchen Geschlechts, über ihren Körper und ihr Leben selbst entscheiden können.

Trotzdem entscheiden sich Eltern noch immer aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen für eine Beschneidung. Guido Hegazy entkräftet die Argumente beider Positionen und verweist nachdrücklich auf die Grundrechte von Kindern. Er bezieht sich dabei auf das Grundgesetz, die Kinderrechtskonvention und das Bürgerliche Gesetzbuch.

Ähnliche Kritik regt sich auch in den Religionsgemeinschaften selbst. So gibt es im Islam, ebenso wie im Judentum, Bewegungen gegen die Beschneidung im Kindesalter. An ihrer Seite stehen ebenfalls Hilfsorganisationen, die Betroffenen eine Plattform bieten und sich für eine Abschaffung der medizinisch nicht indizierten Beschneidung einsetzen. Eine solche Organisation ist in Deutschland zum Beispiel MOGiS e.V.

Unterstützen Sie uns bei Steady!