Nordrhein-Westfalen

Ein Phantom wird gesucht: Praktische Philosophie in der Grundschule kommt nicht

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Im kommenden Schuljahr 2023/2024 sollte auch an den Grundschulen in NRW das Unterrichtsfach Praktische Philosophie eingeführt werden. Wer sein Kind vom Religionsunterricht ab- und für Praktische Philosophie anmelden möchte, wird nun herb enttäuscht, denn das neue Fach  kommt nun doch nicht in diesem Schuljahr. Und das Schulministerium hält es nicht für nötig, die Eltern wenigstens darüber zu informieren. Wer nach Informationen zu dem neuen Schulfach sucht, findet auf der Infoseite des Ministeriums nichts: Praktische Philosophie an Grundschulen ist ein Phantom.

Am 1. August 2021 wurden neue Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Dazu gehörte auch das neue Unterrichtsfach Praktische Philosophie. Immer weniger Grundschüler sind religiös und immer häufiger fragen Eltern nach Alternativen zum verpflichtenden, nach Bekenntnissen sortierenden Religionsunterricht. Zum Schuljahr 2023/2024 sollte dieses Unterrichtsfach dann auch tatsächlich angeboten werden. Für die Grundschulen wären endlich die Zeiten des "Heiden-Hütens" vorbei gewesen, in der sie eine Betreuung der religionsfernen und der muslimischen Schüler*innen improvisieren mussten. Mit diesem skandalösen Zustand hatte sie die NRW-Schulpolitik jahrzehntelang allein gelassen.

Dass die Einführung dieses Unterrichtsfaches eher halbherzig erfolgen würde, wurde bereits 2021 deutlich, denn für die notwendige Lehrerausbildung wurden nur wenige Plätze geschaffen, und auch zusätzliche Mittel sollten nicht zur Verfügung gestellt werden. Eine flächendeckende Einführung in ganz Nordrhein-Westfalen war also von vornherein nicht vorgesehen.

Im Schuljahr 2022/2023 wurden erste Fortbildungen für Lehrkräfte angeboten, insgesamt standen für die 2.700 Grundschulen in ganz NRW nur circa 80 Plätze zur Verfügung. Viele Schulen planten trotz fehlender Vorgaben aus dem Schulministerium für das kommenden Schuljahr: Elternbefragungen, Einarbeitung in den Lehrplan, Auswahl geeigneter Lehrmittel wurden trotz knapper Ressourcen in Angriff genommen. Jetzt, zum Ende des Schuljahres, wurde klar: Diese Vorgaben wird es nicht mehr geben. Stattdessen wurde den Schulen mehr oder minder direkt mitgeteilt, dass eine Einführung von Praktischer Philosophie im kommenden Schuljahr nicht stattfindet. Die geleistete Vorarbeit der Schulen war umsonst. Eltern wurden darüber nicht informiert, nicht einmal eine Mitteilung über die Verschiebung der Einführung des Unterrichtsfaches findet sich auf der Internetseite des Schulministeriums.

Die Informationspolitik des Schulministeriums zu Praktischer Philosophie verdeutlicht, dass es sich offenbar um ein ungeliebtes Vorhaben handelt. Auf der Internetseite des Schulministeriums finden sich aktuell keine Informationen über Praktische Philosophie an Grundschulen. Weder über die geplante Einführung zum kommenden Schuljahr noch wann überhaupt mit einer Einführung zu rechnen ist. Es scheint so, als würde Praktische Philosophie an Grundschulen nicht existieren – ein Unterrichtsfach als Phantom, aber mit Lehrplan. Es gibt auch schon zugelassene Schulbücher für dieses Phantomfach.

Wir haben 2021 als Humanistischer Verband die Einführung von Praktischer Philosophie, wie viele andere, begrüßt und gefeiert. Endlich sollten Eltern und Schüler eine Alternative zum Religionsunterricht haben. Endlich sollte es ein Unterrichtsfach geben, dass auch an Grundschulen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gibt, über sich und andere nachzudenken.

"Was wir jetzt erleben", so Johannes Schwill, Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD) Nordrhein-Westfalen, "ist die Bankrotterklärung des Schulministeriums. Trotz vollkommen unzureichender und geringer Ambitionen gelingt selbst eine rudimentäre Einführung dieses Schulfaches nicht. Im Gegenteil: Der Verdacht, dass hier die Einführung dieses Unterrichtsfaches von einer Christdemokratischen Schulministerin bewusst sabotiert wird, liegt angesichts dieser Untätigkeit nahe."

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