Schon wieder Homöopathie? – Eben nicht!

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Es ist bis dato ungeklärt, ob nun Deutschland oder Österreich der Titel des homöopathieaffinsten europäischen Landes zukommt. Österreich ist gerade etwas nach Punkten zurückgefallen. Warum?

Der Rektor der MedUni Wien, Prof. Markus Müller, hat mit unmissverständlichen Worten die Wahlvorlesungen "Homöopathie" an seiner Fakultät beendet und zudem die schon seit 2004 bestehende "Spezialambulanz Komplementärmedizin in der Onkologie" am Wiener Allgemeinen Krankenhaus zur Geschichte erklärt. Zitat Prof. Müller: "Die MedUni Wien ist als international sichtbare, österreichische Leitinstitution dem Prinzip der evidenzbasierten Medizin verpflichtet. Patienten sollten daher ausschließlich nachvollziehbare und wissenschaftsbasierte Heilverfahren angeboten werden." Daher böte die MedUni Wien, so Müller, "kein Angebot alternativmedizinischer Ideen", sie distanziere sich klar "von unwissenschaftlichen Verfahren und Scharlatanerie".

Klare Worte, aber richtig und angemessen. Denn, um es noch einmal zu wiederholen: Alle zusammenfassenden Auswertungen der Gesamtstudienlage – inzwischen zehn seit 1991 – haben eben keine Evidenz für eine Wirksamkeit der Homöopathie ergeben – nicht als Methode, nicht für irgendeine einzelne Indikation. Und damit wird nur bestätigt, was an fundierter Kritik bereits zu Samuel Hahnemanns, des Begründers, Lebzeiten einsetzte und heute auf moderne wissenschaftliche Methodik gestützt werden kann. Wie sollte es auch anders sein bei einer Methode, die mit naturwissenschaftlichen Grundprinzipien unvereinbar ist.

Das Ende der Homöopathie?

Das ist nicht das "Ende der Homöopathie", weder in Österreich noch in Deutschland oder sonstwo, aber ein enorm wichtiger Schritt mit Signalwirkung. Denn die universitäre Adelung, das ist die höchste Weihe, die die Homöopathen für ihre Scheinlehre anstreben und auf die sie sich selbstverständlich gern berufen, wo sie es können. Und da waren die MedUni Wien und die "Spezialambulanz" bislang Referenzen erster Klasse für die homöopathische Szene – und umgekehrt Ziele der wissenschaftlich fundierten Homöopathiekritik.

Der Kampf um eigene Lehrstühle wird seit Hahnemanns Zeiten von den Homöopathen mit vergleichsweise wenig Erfolg geführt. 1896/97 waren dabei ganz schlechte Jahre für die Homöopathen, auf Vorstöße zur Einrichtung eines Lehrstuhls gab es heftige Opposition, die darin gipfelte, dass Rudolf Virchow, Urvater der wissenschaftlich begründeten Medizin, sich im Preußischen Abgeordnetenhaus mit Entschiedenheit gegen die Homöopathie und sie praktizierende Ärzte wandte. Die Homöopathie blieb daraufhin, wo sie damals schon war: in der Bedeutungslosigkeit.

Es erstaunt vielleicht trotzdem, dass es in Deutschland vor der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts nur einen einzigen Lehrstuhl für Homöopathie gegeben hat: Begründet an der Humboldt-Universität Berlin im Jahre 1929, auf Betreiben einer einzelnen Persönlichkeit: des populären und schon in den damaligen Medien als früher Popstar der Medizin gern herumgereichten Chirurgen August Bier (ein verdienstvoller Mann in seinem eigentlichen Fachgebiet). Die Gründung dieses Lehrstuhls, heute würde man sagen, eine astreine Lobbyarbeit, weckte den kritischen Wunsch beim Reichsgesundheitsamt, der Sache mit der Homöopathie mal wirklich auf den Grund zu gehen, was sich allerdings bis 1936 verzögerte. Dann folgten – aufgrund der Planungen aus den frühen 1930er Jahren – großangelegte Untersuchungen zur Homöopathie, die umfassendsten, die es jemals gegeben hatte. Durch den Kriegsbeginn endeten sie ohne offiziellen Abschluss, die Ergebnisse jedoch sind durch den damals gutachterlich teilnehmenden Dr. Fritz Donner in seinem "Donner-Report" festgehalten worden und können sehr kurz zusammengefasst werden: Ein maximales Desaster. Folgerichtig wurde der Berliner Lehrstuhl geschlossen – explizit wegen "erwiesener Erfolglosigkeit".

Nach dem Krieg gab es Versuche, Homöopathie – erneut – in Forschung und Lehre direkt zu etablieren. Bereits 1958 wandte sich die Humboldt-Universität unmissverständlich gegen Bestrebungen, den früheren Lehrstuhl dort wieder aufleben zu lassen und 1992 veröffentlichte die medizinische Fakultät Marburg die "Marburger Erklärung", mit der entschieden das Ansinnen zurückgewiesen wurde, Homöopathie in den offiziellen Curricula zu verankern.

Aber: Mit dem Entstehen und Erstarken der homöopathischen Lobby, vor allem in Form der Carl und Veronika Carstens-Stiftung (heute: Stiftung Natur und Medizin) richtete sich deren Augenmerk schnell auf die Frage der Etablierung im universitären Umfeld. Und so sehen wir heute in Deutschland zwei von der Stiftung finanzierte Einrichtungen, einen Stiftungslehrstuhl für Komplementärmedizin an der Charité in Berlin und einen "Fachbereich Homöopathie" an der Ludwig-Maximilians-Universität München, klinisch installiert in deren "Zweigbetrieb", dem von Haunerschen Kinderspital.

Und was wurde da so erforscht? Nun, was die Charité angeht, so fasste die erste Lehrstuhlinhaberin ihre Forschungen zur Homöopathie in dem Satz zusammen: Seit über fünf Jahren finden Sie von mir eine offizielle Stellungnahme zur Homöopathie im Internet. Meine Aussage – dass nicht belegt ist, dass homöopathische Arzneimittel mehr als ein Placebo sind – gilt auch heute noch.

Konsequenzen in der Homöopathiegemeinde? Keine.

Und in München? Bemerkenswerterweise liegen von dort – nach inzwischen 23 Jahren "Fachbereich Homöopathie", keinerlei veröffentlichte wissenschaftliche Publikationen vor, die irgendwelche Ergebnisse aufzeigen. Publikationen – eher im Stil von Pressemitteilungen – erscheinen gelegentlich dort, bieten aber geringen bis keinen Erkenntnisgewinn.

Aber trotzdem: Gerade die LMU ist ein Beispiel für das Einsickern der Homöopathie auch in die universitäre Lehre. Jährlich führt der Fachbereich unter der Flagge der "großen" LMU "Ringvorlesungen" zur Homöopathie durch (umrahmt von Symposien), wo nach aller bisherigen Erfahrung keine sachlich-wissenschaftsfundierte Informationen zur Homöopathie geboten, sondern angehenden Ärzten (und anderen Anwesenden, denen an einer Bestätigung ihrer Ansichten gelegen ist) von "Praktikern" ganz direkt und unmittelbar "homöopathische Therapien" vorgestellt werden. Der Fortbestand dieser "Tradition" vermochte bisher Kritik von vielen Seiten nichts anzuhaben.

Andere Universitäten sind keineswegs unberührt von Homöopathie, da ist die Stiftung Natur und Medizin vor. Diese setzt mit ihren Ressourcen ein umfangreiches Programm um, mit dem sie studentische Arbeitskreise zur Homöopathie fördert und zudem ein eigenes Promotionsförderungsprogramm betreibt. Wie die einschlägige Webseite mitteilt, werden solche Arbeitskreise derzeit an 15 (fünfzehn) medizinischen Fakultäten im Bundesgebiet gefördert, teilweise an hochrenommierten.

Ist das weniger zu kritisieren als die nun obsoleten Vorträge an der MedUni Wien oder auch die Ringvorlesungen an der LMU? Nein, eher noch mehr. Weil sich hier die Homoöpathielobby nicht einmal öffentlich zeigt, sondern auf sozusagen halboffiziellem, direktem Wege die Studierenden der Hochschulen zu indoktrinieren sucht. Eine Art Zukunftsinvestition, zweifellos. Sicher verbunden mit der Hoffnung, auf diesem Wege über kurz oder lang in den offiziellen Universitätsbetrieb einsickern zu können.

Und Wahlpflichtfächer Homöopathie? Nach letztem Stand zu finden an insgesamt zehn medizinischen Fakultäten, wobei Wien bereits subtrahiert ist. Ob es dort überall um medizinhistorisches und kritisch-methodisches Wissen geht? Die Tatsache, dass die Stiftung Natur und Medizin auf ihren Seiten die Fakultäten sämtlich stolz aufführt, lässt Zweifel aufkommen.

Es gäbe also einigen Handlungsbedarf im Sinne von MedUni-Rektor Müller.

Von Studierenden gefordert

Ein nicht hoch genug einzuschätzender Aspekt der Wiener Ereignisse ist, dass diese von Studierenden angestoßen wurden. Beim Rektorat gingen Beschwerden zu den Vorlesungen ein, die deutlich artikulierten, dass es nicht um kritisch-wissenschaftlichen Vortrag, sondern eher um "Werbeveranstaltungen" pro Homöopathie gehe. Da kann man nur den Hut ziehen vor dem kritischen Vermögen der Studierenden. Ähnliches geschah vor nicht langer Zeit zu einer externen Veranstaltungsreihe an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, bei der auf Initiative der Studentenschaft die Uni sich als "Aushängeschild" und Gastgeber zurückzog. Übrigens ist das große Memorandum der Russischen Akademie der Wissenschaften "Homöopathie ist Pseudomedizin" ähnlich zustande gekommen: Angestoßen durch entschiedene Studentenproteste gegen Homöopathie als Wahlpflichtfach der Inneren Medizin an der Medizinischen Hochschule Moskau.

Es bedarf keiner Forschung zur Homöopathie mehr in öffentlichen Institutionen. Zugang zu universitärer Reputation, gleich in welcher Form und auf welcher Ebene, steht der Homöopathie als unwissenschaftlicher Methode nicht zu. So führt die "Marburger Erklärung" von 1992 aus:

"Wir betrachten die Homöopathie nicht etwa als unkonventionelle Methode, die weiterer wissenschaftlicher Prüfung bedarf. Wir haben sie geprüft. Homöopathie hat nichts mit Naturheilkunde zu tun. Oft wird behauptet, der Homöopathie liege ein 'anderes Denken' zugrunde. Dies mag so sein. Das geistige Fundament der Homöopathie besteht jedoch aus Irrtümern (Ähnlichkeitsregel, Arzneimittelbild, Potenzieren durch Verdünnen). Ihr Konzept ist es, diese Irrtümer als Wahrheit auszugeben. Ihr Wirkprinzip ist die Täuschung des Patienten, verstärkt durch Selbsttäuschung des Behandlers".

Das ist der Maßstab. Mögen die betroffenen universitären Einrichtungen – nach dem Beispiel der MedUni Wien – danach handeln.

Zum Weiterlesen:
Dr. Natalie Grams zur Entscheidung der MedUni Wien im österreichischen Der Standard.