BERLIN. (pa) Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni warnt PRO ASYL vor einer Kultur der Gleichgültigkeit gegenüber Flüchtlingen. Das Recht, in Europa Asyl zu suchen, wird Schritt für Schritt eingeschränkt. "Bald wird es nur noch auf dem Papier existieren, faktisch für Schutzsuchende aber nicht mehr erreichbar sein", warnte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik werde zunehmend in den Dienst der Flüchtlingsabwehr gestellt.
Tausende sind in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken. Der EU-Türkei-Deal zwingt Flüchtlinge auf immer gefährlichere Routen. Hunderte wurden in der Türkei menschenrechtswidrig inhaftiert, ohne dass es den versprochenen Zugang zu einem Asylverfahren gibt. Tausende sind in Griechenland interniert, faktisch ohne Möglichkeit, sich vor Gericht gegen ihre Inhaftierung zu wehren. Europa hat die Grenzen geschlossen, in der irrigen Annahme, dadurch Rechtspopulisten und Rassisten im Zaum zu halten.
Angesichts dieser Tatsachen warnt PRO ASYL anlässlich des Weltflüchtlingstages: Es darf sich keine Kultur der Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Flüchtlingen etablieren. Die politisch Verantwortlichen rechnen damit, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt, wenn man menschenrechtswidrige Praktiken nur beharrlich anwendet. Der Bundesinnenminister hat die Abgebrühtheit beschrieben, die er sich von seinen BürgerInnen wünscht: "Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte im April angesichts der massiven Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik ihre Entschlossenheit bei der Suche nach einer internationalen Lösung und stellte ein Abkommen mit Libyen nach dem Vorbild der Vereinbarung mit der Türkei in den Raum.
Mit dem EU-Türkei-Deal wurde das Recht auf eine faire Prüfung von Asylanträgen in Europa ausgehebelt. Die Türkei soll verhindern, dass Schutzsuchende Europa überhaupt erreichen.
Die Zahl der Ankünfte in Griechenland ist seitdem von über 57.000 Ankünften im Februar 2016 auf rund 1.700 im Mai 2016 gesunken. Was hier getan wird, soll innerhalb deutscher und europäischer Rechtsetzung abgesichert werden. Asylanträge sollen in noch größerem Maße als "unzulässig" abgelehnt werden können, wenn die Asylsuchenden zuvor in einem angeblich sicheren Staat waren.
Soll Europa dem Massensterben im Mittelmeer und der Verzweiflung der Flüchtlinge vor den geschlossenen Grenzen tatenlos zusehen? Die Zahl der Toten steigt drastisch an: Allein seit Januar 2016 gab es über 2.800 Tote, im ganzen Jahr 2015 über 3.700.
Flüchtlingsfeindliche Deals mit Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden, werden zunehmend zur Strategie. Nach dem Muster des EU-Türkei-Deals sollen Staaten wie Libyen, Sudan, Äthiopien und andere aufgerüstet werden, sodass z.B. Flüchtlinge aus Eritrea Europa nicht mehr erreichen können. In Deutschland liegt ihre Anerkennungsquote bei fast 100 Prozent.
Pressemitteilung von Pro Asyl zum Weltflüchtlingstag.
9 Kommentare
Kommentare
Rainer Bolz am Permanenter Link
Es muss nur einer das Grundrecht auf Asyl antasten, und schon ist man der Buhmann. Dabei gäbe es gute Gründe, über eine Änderung nachzudenken.
Weil im Grundgesetz nicht nur steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist,
sondern auch,
dass es sich bei der Bundesrepublik um einen sozialen Staat handelt.
Die knfflige Frage ist jetzt, wie lange das noch gilt, wenn Hunderttausende im Monat über die Grenzen kommen.
Manchmal erzwingt dir Wirklichkeit ihre eigenen Gesetze!!!
Kay Krause am Permanenter Link
Da gibt's doch nur eines: Augen zu und durch! Merkel und de Mezieres (die Misere?) machen's vor, nach dem Motto: Mir geht's gut, ich bin nicht auf der Flucht!
David am Permanenter Link
"Das Recht, in Europa Asyl zu suchen, wird Schritt für Schritt eingeschränkt."
Ist das so? Verwechselt man hier nicht "in Europa Asyl zu suchen" mit "in Europa Asyl zu erhalten"? Das wären dann aber zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte. Die die erste Variante beinhaltet zum einen eine geographische Aussage und ist zum anderen rechtlich nicht zutreffend.
Warum klingen die Artikel von ProAsyl immer so unreflektiert?
Petra Pausch am Permanenter Link
Warum klingen ihre Kommentare immer leicht rassistisch? Das Recht, in Europa Asyl zu suchen wird durch das Schließen der Außengrenzen sehr wohl eingeschränkt.
David am Permanenter Link
Nein. Asylrecht eo ipso beinhaltet nicht das Recht auf freien Zugang zum Aufnehmerstaat.
Ūbrigens, wenn meine harmlosen Kommentare fūr Sie "rassistisch" sind, dann kann Rassismus so schlimm nicht sein.
Kay Krause am Permanenter Link
Wenn wir nun schon bei Wort-Analysen und Spitzfindigkeiten angekommen sind, anstatt über die Sache zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen,
Kay Krause am Permanenter Link
Mit solchen (textlich korrekt analysierten) Spitzfindigkeiten dürfte den Menschen, die vor Krieg, Mord, Vergewaltigung, Hunger und Armut fliehen, kaum geholfen sein!
David am Permanenter Link
Spitzfindigkeiten liegen mir fern. Der Hinweis auf den fundamentalen Unterschied der beiden Sachverhalte erscheint mir jedes Mal aufs neue notwendig.
Recht haben Sie mir dem Hinweis auf Hilfe. Ich wūrde meinen, man kann auch anders, möglicherweise sogar effektiver und langfristiger helfen, als durch unkontrollierte Masseneinwanderung.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Wodurch wird denn das Recht, Asyl zu erreichen (ich drücke mich in Anbetracht der Wortwohldiskussion hier mal möglichst neutral aus), zunichte gemacht und irgendwann -vermutlich bald- nicht mehr erreichbar sein?
Durch eine völlig unreflektierte de-facto-Einwanderungspolitik für praktisch Jedermann, die die Gesellschaft, die öffentlichen Finanzen, den guten Willen der Bevölkerung und einiges mehr völlig überfordert und an die Grenzen bringt. Die Leidtragenden sind die "echten" Asylbewerber!
Wie ich schon an anderer Stelle schrieb:
Asylrecht im Rahmen dessen, was das Grundgesetz meinte: Uneingeschränkt ja. Humanitäre Hilfe in weitaus größeren Maße als bisher in Hungerregionen und bei Katastrophenfällen: Uneingeschränkt ja. Darüber hinausgehende ungehinderte Zuwanderung: Nein.
ProAsyl und auch Amnesty, die ich beide durchaus schätze, sind zu einäugig.