Der Historiker Volker Weiß legt mit "Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes" eine Darstellung zur Entwicklung der intellektuellen "Rechten" vor. Einerseits beeindruckt sein Fachwissen durch die jahrlange Beschäftigung mit dem Thema, andererseits wirkt die Beschreibung und Einschätzung doch sehr journalistisch und hätte den Forschungsstand noch genauer aufarbeiten können.
Der Aufstieg der AfD als gesellschaftspolitischem Rechtsruck hat auch für die Neue Rechte zu einer Renaissance geführt. Anders formuliert könnte man auch sagen: Die damit gemeinte Intellektuellengruppe meinte sie gar, geistig vorbereitet zu haben. Doch was ist eigentlich mit Neue Rechte gemeint und welche Positionen und Relevanz hat sie? Antworten auf diese Fragen finden sich in dem Buch "Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes", das der Historiker Volker Weiß vorgelegt hat. Darin gehe es um "die neuen rechten Bewegungen, die sich derzeit unter der Fahne des 'Abendlandes' in die politische Auseinandersetzung drängen und dabei ihren historischen Vorläufern zum Verwechseln ähnlich sind" (S. 9). Denn, so der Autor, das scheinbar Neue hat es schon einmal gegeben. Dies gelte sowohl für die ideologischen Grundauffassungen wie den konkreten Handlungsstil: Man bediene sich bei dem Gedankengut der Konservativen Revolution und sehe in Provokationen und Tabubrüchen das richtige Vorgehen.
Bereits zu Beginn wird deutlich hervorgeheben, dass es sich hier nicht um ein homogenes Phänomen handelt: Es gebe "Schwierigkeiten, klare Grenzen innerhalb der breit gefächerten deutschen Rechten zu ziehen. Überschneidungen und Ähnlichkeiten bestimmen die Szene ebenso wie Konkurrenz und Differenzen" (S. 20). Gleichwohl sei eine Grundposition vorhanden, wobei der Hauptfeind "nicht die Lehre Mohammeds, sondern die globale Moderne" (S. 22) sei. Diese Einschätzung durchzieht die folgenden Seiten: Da geht es nach einem kurzen Einblick zunächst um Armin Mohler, der als eine Art geistiger Vorvater der heutigen Neuen Rechten gelten kann. In diesem Kontext definiert Weiß auch den hier zentralen "Metapolitik"-Begriff: "Damit ist hauptsächlich das dem unmittelbar Politischen vorgelagerte Feld des Kulturellen gemeint, mit all seinen habituellen, sprach- und sexualpolitischen Teilbereichen. Die kulturrevolutionäre Ausweitung des klassischen Politikbegriffs auf die Sphäre des Kulturellen" (S. 54) soll damit im Kern gemeint sein.
Was dies jeweils bedeutet, wird in den folgenden Kapiteln anhand der unterschiedlichsten Protagonisten erläutert: Es geht zunächst um die AfD-Gründung als Sammlung einschlägiger Kräfte, um die "Junge Freiheit" und das "Institut für Staatspolitik", danach um die "Identitäre Bewegung" als Provokationsakteur und die "Konservativ-Subversive Aktion" mit ähnlicher Orientierung. Dem folgen Ausführungen zu Bewegungsprotagonisten wie "Hogesa" und "Pegida", dann aber auch ein ideengeschichtlicher Exkurs zum "Abendland"-Verständnis. Und schließlich fragt Weiß noch einmal dezidiert nach dem Feindbild der Neuen Rechten: "Es gibt erstens den sichtbaren Gegner 'Islam'. … Außerdem gibt es zweitens den wesentlich schwerer zu identifizierenden Gegner 'Amerikanismus', der als Freund auftritt, sich aber anders als der Islam vom 'Eigenen' grundlegend unterscheidet" (S. 213). Genau dies mache aus dem Amerikanismus und der Moderne für die Neue Rechte das eigentliche Übel. Es geht damit aber auch hauptsächlich gegen den Universalismus.
Bilanzierend kann eine ambivalente Einschätzung zum Werk formuliert werden: Einerseits beeindruckt es durch die Fachkenntnis des langjährigen Beobachters der Szene, welcher Akteure und Beziehungen anschaulich beschreibt und differenziert zuordnet. Dies fällt beispielsweise bei den Ausführungen zum Konflikt zwischen "Junger Freiheit" und "Institut für Staatspolitik" bzw. Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek auf. Andererseits ist das Buch stark journalistisch geprägt, was sich wohl auch durch die publizistische Tätigkeit von Weiß erklärt. Dadurch hat man es mit einer anschaulichen und lockeren Darstellung zu tun, welcher aber ein genaues und strukturiertes Erkenntnisinteresse fehlt. Der Autor ignoriert darüber hinaus die Forschung, die seit den 1980er Jahren umfangreiche Untersuchungen vorgelegt hat. Dies erklärt wohl mit, warum "Neue Rechte" etwas inhaltsarm als scheinbar nur zeitlich neu auftretendes Phänomen angesehen wird. Wenn dann "Hogesa" und "Institut für Staatspolitik" gleichzeitig im Buch auftauchen, wird es etwas schief.
Volker Weiß, Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017 (Klett Cotta), 304 S., ISBN: 978-3-608-94907-0, 20,00 Euro
10 Kommentare
Kommentare
agender am Permanenter Link
Wenn man als Ausgangspunkt das Christentum des "Anti-Modernisten-Eids" nimmt, stimmt die Richtungsbeschreibung.
David Z am Permanenter Link
Sie sehen kein Unterschied zw fundamentalistischen Moslems und den Fundamentalisten anderer Religionen?
Die Fundamente einer Religion sind nur dann ein Problem wenn die Fundamentalisten dieser Religion ein Problem darstellen.
agender am Permanenter Link
Die Strafrechtsparagrafen 216, 217 und 218, durchgesetzt von der Vatikanlobby, sind für mich durchaus gefährlich.
Nur diese kurzen Beispiele jetzt - und das soll nicht gefährlich sein?
Nur weil die Amis christliche Massenmörder NICHT "Terroristen" nennen?
David Z am Permanenter Link
Ziemlich schwache Beispiele. Ideen, die eine Tötung verhindern, sind per Definition ethischer als Ideen, die eine Tötung verlangen.
Und was reden Sie da von "christlichen Massenmördern"?
agender am Permanenter Link
1. Orlando 2016
2. Colorado Springs
und die ganze Liste https://en.wikipedia.org/wiki/Anti-abortion_violence
3. Breivik...
David Z am Permanenter Link
ach gottchen, drei Vorfälle gegen wieviele dutzend weltweit täglich aus dem anderen Lager? Sie sollten mal Ihre Antennen für Verhältnismäßigkeit neu justieren.
agender am Permanenter Link
1. Schön, dass Sie schon hierbei ausdrücklich zugeben, dass wir in Ihren Augen nichts wert sind (ich werde das ziteren).
3. Und solange ich nach solchen Angriffen weiterzuexistieren gezwungen bin (mit zunehmenden Gesundheitsschäden, als ob ich nicht schon genetisch verkrüppelt genug wäre, aber das schint Gewalttäter eher anzuziehen), falle ich natürlich unter die Dunkelziffer, das ist mir klar.
4. Oder sollte das ein "Dawkins" a` la` "Dear Muslima" sein???
Dass es derjenigen Person, die sich beklagt, niemals schlecht genug gehen kann, und sowieso SIE BESTIMMEN, was wichtig ist und was ich zu tun und zu empfinden habe???
Dann reicht das Zitat, und ich muss mir Ihren Trollnamen merken, um nicht mehr meine Zeit zu verschwenden, und im übrigen zu beobachten, wie hpd mit Ihnen umgeht.
David Z am Permanenter Link
Nein, ich bestimme freilich nicht was wichtig ist. Was hier wichtig ist, bestimmt Ethik, Vernunft und Logik.
Grundsätzlich gesprochen ist das Leid Vieler ethisch wichtiger ist, als das Leid Weniger. Da der von Ihnen gezogene Vergleich empirisch nicht haltbar ist, folgt aus dieser Erkenntnis zwangsläufig, dass das Leid, verursacht durch die Ideen des Islam, dringender ist als das Leid, was wir durch andere Religionsideen tagtäglich erdulden mūssen.
Wenn man sich dann noch vor Augen fūhrt, dass die grosse Mehrheit derer, die unter den Ideen des Islam leiden, selbst Muslime sind, dann fällt ihre Arumentation vollends zusammen.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Wenn man hier schon mit der Gründung der AfD von Bernd Lucke anfängt, wo sin z.B. bei diesem Mann die Verbindungen zur neuen Rechten? Es ging doch damal vor allem um die Euro-Rettung.
malte am Permanenter Link
Lucke hat tatsächlich nichts mit der Neuen Rechten zu tun. Anfangs war die AfD durchaus noch vielfältiger als heute, darauf geht das Buch auch ein.