Humanistischer Salon Nürnberg

Lars Jaeger sieht Menschheit am Scheideweg

Durch Genom-Editierung und Künstliche Intelligenz stünden uns radikale gesellschaftliche Änderungen bevor, erklärte der Wissenschaftsautor Lars Jaeger am Sonntag im Humanistischen Salon Nürnberg. Ob die Welt für uns dadurch zur Hölle oder zum Himmel auf Erden werde, sei noch völlig offen. Um diese Veränderungen zum Positiven zu gestalten, plädierte er für die Kultivierung einer säkularisierten Form von Spiritualität.

Pianist Claus Gebert gab am Flügel am letzten Sonntag wieder alles, um im Weidenzimmer des Nürnberger PARKS eine angeregt-entspannte Salonstimmung zu zaubern. Gerade angesichts der beunruhigenden Aussichten, die der Referent dieses Termins mitgebracht hatte, erwies sich das klangliche Streicheln der Nerven auch als geradezu notwendige Begleittherapie.

Denn der Physiker, Unternehmer und Sachbuchautor Lars Jaeger sieht enorme Herausforderungen auf die Menschheit zurollen und wollte mit seinem Vortrag am 5. November 2017 bewusst aufrütteln. Unter dem Titel "Wissenschaft und/oder Spiritualität? Von der inneren Haltung bei der Gestaltung der Zukunft" forderte er eindringlich von dem Publikum im prall gefüllten Saal, sich aktiv mit den möglichen Konsequenzen des derzeitigen technologischen Wandels auseinanderzusetzen.

Beruhigende Klänge erschienen aber auch deshalb besonders angebracht, weil Jaeger die Besucherinnen und Besucher des Humanistischen Salons davon überzeugen wollte, dass wir für die gesellschaftlichen Veränderungen, die in den nächsten Jahren ins Haus stehen, eine neue Spiritualität benötigen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eine säkularisierte Spiritualität.

Aber ob es das sonst ja meist transzendental verstandene Konzept überhaupt in säkularisierter Form geben kann und geben sollte, gehört schon länger zu den besonders umstrittenen Themen der säkularen Szene, wie Moderator Helmut Fink erklärte. Lars Jaegers Vortrag machte also auch in dieser Hinsicht dem Namen der Rubrik "Podium der brisanten Bücher" alle Ehre.

Ausnahmsweise ging es bei diesem Termin tatsächlich um Bücher in Mehrzahl, da der Autor nicht nur eine aktuelle Neuerscheinung, sondern gleich zwei vorstellen konnte. Sowohl "Supermacht Wissenschaft" (Random House / Gütersloher Verlagshaus) wie auch "Wissenschaft und Spiritualität" (Springer-Spektrum) sind 2017 erschienen. Und der Vortrag spannte einen Bogen über die Themen beider Bücher.

Foto: © Karin Becker
Foto: © Karin Becker

Wobei im Zentrum der Diskussion vor allem Jaegers Sicht auf Wissenschaft stand. Er sieht sie zugleich als eine Quelle von Faszination und Fortschritt, wie auch als eine gefährliche Supermacht, die dringend kontrolliert und demokratisch gesteuert werden muss, um die Verwandlung der Welt in eine düstere Dystopie zu verhindern. Er distanzierte sich dabei jedoch von der populären Idee, dass diese Entwicklung etwas Zwangsläufiges sei. Für ihn gilt: "Die Zukunft ist offen!"

Umso wichtiger ist ihm daher aber, die rasanten Fortschritte der aktuellen Wissenschaft zu gestalten. Und er mahnte dabei zu einer generellen Vorsicht - etwa beim Einsatz der neuen Gen-Editiermethode CRISPR, mit der die Erschaffung von Designerbabys für ihn zu einer sehr realen Möglichkeit wird.

Und auch bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz ist seiner Meinung nach größte Vorsicht geboten, da heute erstmals Rechner existierten, die erstens mehr Rechenoperationen pro Zeit durchführen könnten als das menschliche Gehirn und zweitens Architekturen haben, die die Art der Informationsverarbeitung in Gehirnen besser nachahmen als jemals zuvor.

Die Spiritualität kommt für ihn bei der notwendigen Gestaltung der Zukunft ins Spiel, weil es dabei zentral auch um Fragen wie den Lebenssinn geht und um Werte. Denn für beides ist die Wissenschaft nicht zuständig. "Bei einer Verengung auf rein naturalistische Fragen fehlt den Menschen daher etwas", gab Jaeger zu bedenken.

Wobei sein Verständnis von Spiritualität in keinerlei Gegensatz zur Wissenschaft stehe, wie er betonte. Übernatürliche Erklärungen lehnt er klar ab. Ihm geht es dabei eher um die richtige innere Einstellung zur Welt, etwa um eine Verpflichtung zur Wahrheit und die Stärkung von Mitgefühl als Prinzip.


Auch Lars Jaegers Vortrag wird voraussichtlich wieder als Video veröffentlicht werden können. Wer darüber informiert werden will, kann den Youtube-Kanal des Humanistischen Salons abonnieren oder der Reihe bei Facebook bzw. Twitter folgen, wo auch auf kommende Veranstaltungen hingewiesen wird.

Der nächste Humanistische Salon findet am 10. Dezember um 11 Uhr im Nürnberger PARKS statt. Zu Gast sind dann Dr. Monika Griefahn und Prof. Dr. Michael Braungart mit einem Vortrag über "Eine Welt ohne Abfall: Cradle to Cradle - wie du und ich". Wie gehabt mit ausgiebiger Möglichkeit zum Gespräch und gemütlichem Brunchen sowie dem musikalischen Rahmenprogramm von Claus Gebert und der Moderation durch Helmut Fink.