Die Stadtverordnetenversammlung von Gießen will Schutzzonen einrichten, in der schwangere Frauen nicht von demonstrierenden Fundamentalisten belästigt werden können. Das steht allerdings im Konflikt mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit.
Wie hessenschau.de berichtet, hat die Gießener Stadtverordnetenversammlung einen Antrag auf eine Schutzzone im Umkreis von 150 Metern um seine Pro Familia-Beratungsstelle und die Praxis jener Ärztin gestellt, die Paragraph 219a den gerichtlichen Kampf angesagt hat. Dieser schränkt – trotz frisch beschlossener Reform – die Informationsfreiheit über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs ein. Durch ihren Widerstand wurde Kristina Hänel bekannt und zur Zielscheibe: Immer wieder wird die Umgebung ihrer Praxis Schauplatz von Demonstrationen und Gegendemonstrationen. Lebensschützer treffen sich ausgerüstet mit christlicher Symbolik zum Beten, zahlenmäßig überlegene, fortschrittlich denkende Menschen halten dagegen. Soweit, so demokratisch. Aber sind Einrichtungen, in denen Frauen in einer schwierigen Lebenslage einfach nur versuchen wollen, eine für sie richtige Entscheidung zu treffen, der richtige Ort dafür?
Das Stadtparlament von Gießen meint: nein. Der Beschluss fiel einstimmig, die AfD enthielt sich. Um die Frauen vor dem politischen Schlagabtausch abzuschirmen, soll es nun Bannmeilen geben. Allerdings sind diese grundrechtlich gesehen eine heikle Sache, da dort das Demonstrationsrecht stark eingeschränkt wird. Deshalb sind bisher auch nur besonders sensible staatliche Organe wie der Bundestag, der Bundesrat, das Bundesverfassungsgericht oder Landesparlamente von einer solchen Sonderzone umgeben. Es ist fraglich, ob es eine Bannmeile vor einer Arztpraxis oder einem Familienbaratungszentrum geben kann. Die Landesregierung von Hessen muss den Antrag nun prüfen.
9 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Möglich wären jedoch zur Gefahrenabwehr Kontaktverbote: https://de.wikipedia.org/wiki/Kontaktverbot_(Zivilrecht)
G.B. am Permanenter Link
Wo sind die Kollegen*innen welche Frau Händel zur Seite stehen und Druck machen?
Das ein überflüssiger Paragraph, genau wie auch der Blasphemie-Paragraph, endlich abgeschafft werden muss steht für mich ausser Frage. Wegen sturen beharren auf einmal
eingeführte Paragraphen, geht es in der BRD gegen das GG und die Carta der Menschenrechte einfach weiter wie bisher. Niemand von den Parlamentarischen Klugschwätzern hat den Mut gegen den Strom zu schwimmen um die Zustände hier zum
besseren für die Menschen zu verändern.
Die Verantwortungen werden einfach nur hin und her geschoben und die Menschenrechte werden dabei zerrieben. Armes reiches Deutschland arme Demokratie.
Petra Pausch am Permanenter Link
Auch wenn ich Ihren Ärger teile: aber Sie kippen die Kinder mit denn bade aus. Nicht alle Bundestagsabgeordneten sind für dem Kompromiss gewesen.
Wolfgang Graff am Permanenter Link
Es handelt sich bei den Versammlungen der "Lebensschützer" vor säkularen Beratungsstellen und Arztpraxen weniger um politische Demonstrationen als vielmehr um gezielten Psychoterror.
Ob der Erlass einer Stadtverwaltung rechtsfest ist, bezweifele ich.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Dann braucht es vielleicht "zahlenmäßig überlegene, fortschrittlich denkende Menschen", die etwas energischer auftreten.
WalterPP am Permanenter Link
Also Ihr "fortschrittliches Denken" per Faustrecht verbreiten?! Aber nein, natürlich haben Sie das so nicht gemeint, da bin ich ganz sicher. (Manchmal wird mir hier echt schon schlecht.)
Rene Goeckel am Permanenter Link
Lieber WalterPP. Sie haben natürlich recht. :-)
Unechter Pole am Permanenter Link
Es gibt aber ein weiteres Grundrecht im Artikel 2 GG, und zwar die jedem zustehende allgemeine Handlungsfreiheit.
Und schließlich steht im Artikel 18: "Wer [...] die Versammlungsfreiheit (Artikel 8) [...] zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte."
WalterPP am Permanenter Link
Wo und ggf. inwiefern sehen Sie hier einen "Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung"? Im Artikel ist lediglich von Demonstrationen die Rede.