Notizen aus Polen

Viren und Gegenmittel

Wenn es in der Politik irgendeine Böswilligkeit, Manipulation, Lüge gibt, die in Polen von der regierenden Vereinigten Rechten noch nicht verwendet wurde, dann wird sie das bestimmt noch. Gibt es dafür ein Gegenmittel? Ja: demokratische Wahlen.

Am 10. Mai fanden die Präsidentschaftswahlen in Polen statt, die nicht stattgefunden haben. Es gibt die in der Verfassung vorgeschriebene "Staatliche Wahlkommission", aber die Wahlen am 10. Mai 2020 sollte die Polnische Post durchführen; unter Aufsicht eines Ministers. Die besten Voraussetzungen für Wahlbetrug. Die massenhaften Boykottaufrufe sowie die Pfuscherei der Organisatoren der Wahlen führten dazu, dass sie nicht stattgefunden haben.

Die nun wieder anerkannte Staatliche Wahlkommission erklärte die Wahl vom 10. Mai für beendet und setzte neuen Wahlen an. Damit ist klargestellt, dass alles wieder bei Null beginnt. Das gilt auch für die Registrierung der Kandidaten. Die Regierenden wollen aber, dass der Oberste Gerichtshof die Wahlen vom 10. Mai nur für ungültig erklärt, damit ein neuer Termin bestimmt werden kann – mit denselben Kandidaten. Das Gericht fragte jedoch: Wie sollen wir etwas annullieren, was nicht stattfand?

Fenster

Ein Mann aus Westpommern musste nach seiner Rückkehr aus dem Ausland die angeordnete zweiwöchige Quarantäne absolvieren. Er wollte seine schwangere Frau schützen und zog, mit Genehmigung des Gesundheitsamts, in sein Häuschen im Schrebergarten. Die Chefin der Gartenkolonie ordnete an, sein Grundstück mit Warnstreifen zu markieren, um andere vor dem angeblich mit dem Coronavirus infizierten Mann zu schützen. Bald danach zerstachen unbekannte Täter die Reifen des Autos des Mannes und warfen die Fenster ein. Doch es fand sich sofort ein Gegenmittel für diese Dummheit, Aggression und Gemeinheit: Einfühlsame Menschen. Jemand hat dem Mann vier Räder mit Reifen, ein anderer neue Fenster geschenkt. Einige Frauen stellen jeden Tag Essen in Gläsern vor die Gartenpforte und bestehen darauf, dass er es isst, solange es noch warm ist.

Schäbiges Benehmen ist in der Zeit der Corona-Pandemie keine Seltenheit, aber die Opferwilligkeit, Selbstlosigkeit, Einfühlsamkeit sind wesentlich größer. Nicht aber bei der institutionellen Kirche. Die Bischöfe versuchten, eine Ausnahme von der Pflicht der sozialen Isolation zu bekommen, damit die Kirchen wie bisher besucht werden könnten und die Einnahmen aus den Spenden während der heiligen Messen nicht sinken. Ein bekannter und steinreicher Mönch aus Toruń hat die Gläubigen aufgerufen, sein Medienimperium auch in Zeiten der Seuche mit Spenden zu unterstützen. In diesem Fall ist das Gegenmittel einfach – nicht mehr in in die Kirche zu gehen.

Screenshot der Webseite "BürgerPRO"
Screenshot der Webseite "BürgerPRO"

Jüngst wurde (unter anderem vom Autor, Anm. d. Red.) ein neues Projekt mit dem Namen BürgerPRO gestartet. Die Wahl des Projektnamens wurde durch die Worte des Philosophen Dr. Tomasz Kowalczuk inspiriert: "Polnische Wirklichkeit ist die Wirklichkeit ANTI, man würde sich wünschen, dass es die Wirklichkeit PRO wäre." Auf dem Portal sollen Menschen und Organisationen gezeigt werden, die sich für eine Integration der örtlichen Gemeinschaften, vor allem in ländlichen Räumen, einsetzen.

Auch in Deutschland laufen viele Programme, die solche Initiativen unterstützen. Eines davon ist das der Bundeszentrale für Politische Bildung: miteinanderreden.net. Ich wollte einige dieser Projekte auf BürgerPRO zeigen und zu Nachahmung ermutigen. Ich habe an die Leiter der vorgestellten Projekte E-Mails geschickt, um nach mehr Informationen zu fragen. Bisher habe ich keine einzige Antwort erhalten.

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