Es gibt eine weltumspannende Gemeinschaft von Männern, die sich im Internet zusammengefunden haben und sich über ihre Unfähigkeit, sexuelle Beziehungen aufzubauen, definieren: die "Incels". Die kollektiv empfundene Unzufriedenheit wird auf Frauen und die Gesellschaft projiziert, es entwickelt sich Hass, der sich im gegenseitigen Austausch hochschaukelt. Daraus sind in der realen Welt bereits mehrere Gewaltverbrechen erwachsen. Blick auf eine merkwürdige Subkultur.
"Incels" – dieser Begriff geisterte nach dem Anschlag von Halle auch durch die deutsche Berichterstattung. Das erste Mal tauchte er 2014 in der öffentlichen Wahrnehmung auf, als ein 22-Jähriger in der kalifornischen Kleinstadt Isla Vista sechs Menschen und anschließend sich selbst erschoss. "Ich werde jede einzelne dieser verwöhnten, hochnäsigen, blonden Schlampen abschlachten", kündigte er seine Tat in einem Video an. Sein Ziel war unter anderem das Haus einer Studentenverbindung mit den in seinen Augen "heißesten" Mädchen, dort öffnete ihm aber niemand, weshalb er wahllos zwei Frauen und einen Mann erschoss. Vorher hatte er bereits seine beiden Mitbewohner und einen ihrer Freunde erstochen. Ursprünglich hatte er auch vorgehabt, seinen kleinen Bruder zu töten, damit dieser kein erfüllteres Leben würde führen können als er. Der Todesschütze erschoss sich anschließend selbst und hinterließ ein Manifest, in dem er auf 137 Seiten akribisch alles in seinem Leben beschreibt, an das er sich erinnert.
Der "Ur-Incel"
Er schildert ein völlig normales junges Leben, das alles hatte und äußerst verwöhnt war, und lediglich mit Dingen zurechtkommen musste, mit denen jeder in seiner Jugend konfrontiert ist: Zu den "coolen Kids" gehören wollen, zu versuchen, die Aufmerksamkeit der Mädchen auf sich zu ziehen. Der natürliche Prozess des Heranwachsens war für den Attentäter von Isla Vista eine nicht zu meisternde Herausforderung: Er bekam nicht die Aufmerksamkeit, die er für angebracht hielt und wurde immer gehemmter, verhielt sich nach eigener Aussage absichtlich seltsam, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Das hatte zur Folge, dass er zum Mobbingopfer wurde und verkroch sich immer mehr in der Virtualität und sehnte sich zurück in seine Kindheit. Seine geschiedenen Eltern waren für den Egozentriker lediglich Statussymbollieferanten. Seine Mutter forderte er wiederholt auf, wieder zu heiraten, und zwar einen reichen Mann, der ihm das Leben bieten könnte, das er meinte zu verdienen. Dass sie sich dem verweigerte, nennt er selbstsüchtig.
Er beschreibt die ersten Nacktbilder von Frauen, die er sah, als "traumatisierend", "herauszufinden, was Sex war, gehört zu den Dingen, die wahrlich mein ganzes Leben zerstört haben". Er stilisiert sich als Opfer einer ungerechten Welt, die ihm Sex und Liebe vorenthalten habe. Dafür wollte er "Rache nehmen an der Menschheit", an allen, die das "Verbrechen" begingen, ein vermeintlich besseres Leben zu leben als er selbst. Vor allem den Frauen gibt er die Schuld, die sich nicht für ihn, den "perfekten Typen", den "obersten Gentleman" interessierten, dafür aber für die gemeinen Mobber. "Bei Frauen läuft wahrlich geistig etwas falsch", meint er festgestellt zu haben, sie fühlten sich sexuell zu dem falschen Typ Mann hingezogen, "ich bin einer der wenigen Menschen auf dieser Welt, die intelligent genug sind, dies zu erkennen". "Wenn ich euch nicht haben kann, Mädels, werde ich euch zerstören", sagt er in seinem Abschiedsvideo, und dann lacht er.
Sein Bild von sich selbst gepaart mit seinen Erfahrungen in der Realität scheinen in einer tödlichen Mischung aus gekränktem narzisstischen Stolz bei gleichzeitiger extremer Empfindlichkeit gemündet zu haben, man könnte ihn wohl am besten als arrogante Mimose bezeichnen oder als überheblichen Außenseiter, der die Schuld an seiner Unzufriedenheit und Einsamkeit ausschließlich in seiner Umwelt sucht ("Es gab nichts, was ich wirklich an meiner unfairen Lebenssituation hätte ändern können"), der er sich gleichzeitig haushoch überlegen fühlt ("Ich bin wie ein Gott und meine Bestimmung ist es, an all den Unreinheiten, die ich in der Welt sehe, endgültige Vergeltung zu üben."). Aus einer völligen Passivität heraus lehnte er alles und jeden ab (entweder hatte ihm das Gegenüber nichts zu bieten oder machte ihn eifersüchtig), steigerte sich ekstatisch in Kleinigkeiten und vorübergehende Ideen (wie beispielsweise das Lottospielen) hinein und nahm es der Welt abgrundtief übel, dass Reichtum, Freunde, ein erfülltes Leben und vor allem Sex mit schönen Frauen nicht von alleine vom Himmel fielen.
Die Macht der ungewollten sozialen Isolation
Schließlich verwandelte sich seine passive Haltung in eine aktive, aus Trauer und Selbstmitleid wurden Wut und Hass – und Größenwahn: "Ich muss zu etwas Größerem ausersehen sein. Ich muss dazu bestimmt sein, die Welt zu verändern, sie in eine Form zu bringen, die mir passt!" Sein Plan: Sex muss abgeschafft und Beziehungen verboten werden. Das, was er selbst nicht haben konnte, wollte er auch allen anderen nehmen. Er wurde so besessen von seinem Wunsch nach einer Freundin, dass er nirgendwo im Leben Fuß fassen konnte, schmiss College-Kurse nach kürzester Zeit, wenn sie ein schönes Mädchen besuchte, das vergeben war oder Mädchen es auch nur wagten, "sich mit anderen Jungs zu unterhalten anstatt mit [ihm]". Diese Besessenheit wandelte sich in Frauenhass ("[Frauen] sind (…) wilde Tiere. Wilde Tiere sollten in einer zivilisierten Gesellschaft keinerlei Rechte haben können. (…) Frauen sind wie eine Seuche, die unter Quarantäne gestellt werden muss.").
Dazu mischte sich Rassismus: er empfand es als "große Beleidigung seiner Würde" wenn ein "minderwertiger" Afroamerikaner oder ein Mexikaner ein Date mit einer blonden Frau hat. Er fing an "zurückzuschlagen", indem er Getränke auf Pärchen schüttete und Leute, die ihm missfielen, beschimpfte – und er schaffte es, jeden für irgendetwas zu verabscheuen und sich ihn zum Feind zu machen. Er wollte "Krieg führen gegen alle Frauen und die Männer, zu denen sie sich hingezogen fühlen", denn die Zurückweisung durch Frauen sei eine "Kriegserklärung". Seine Gewalt- und Bestrafungsfantasien mündeten schließlich in realer, nachdem er "dem weiblichen Geschlecht eine letzte Chance [gegeben hatte], [ihn] mit den Genüssen zu versorgen", die er verdiene.
Der Amokläufer von Isla Vista wurde zum Helden einer ganzen Community gekränkter Individuen, die eine eigene weit verzweigte Internet-Subkultur gebildet haben: die "Incels". Ein Nachahmer fuhr 2018 mit einem Kleinbus in eine Menschengruppe in Toronto und berief sich explizit auf den Attentäter vier Jahre zuvor. "Incel" steht für "involuntarily celibate", zu Deutsch "unfreiwillig zölibatär". Es handelt sich um frustrierte Singles, die nicht zum Zug kommen. Sie haben keine Beziehung und keinen Sex, manche wollen das auch gar nicht mehr, weil sie von Frauen so enttäuscht wurden, dass sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Auf diese Sexlosigkeit, verbunden mit der Ablehnung von Frauen, konzentriert sich ihr Weltbild.
Es ist eine Welt, die aus Selbsterniedrigung besteht. Man bestätigt sich in Foren, Chatrooms und Gaming-Communities – der sogenannten "Manosphere", ein Kunstwort aus dem englischen "man" (Mann) und "atmosphere" (Atmosphäre) – gegenseitig darin, wie armselig und hässlich man ist, suhlt sich im Selbstmitleid, während man sich noch weiter von der Außenwelt isoliert. Ein Umfeld, in dem Misogynie und Sexismus florieren. Es ist kein produktives, auf Veränderung gerichtetes gegenseitiges Beraten, denn die sexuell Unbefriedigten haben es sich in ihrer Opferrolle bequem gemacht. Stattdessen maßschneidern sie sich eine Welterklärung zurecht, die ihre eigene Situation als unausweichlich zementiert und sie von jeglicher Eigenverantwortung freispricht. Gleichzeitig herrscht die Annahme, die Welt schulde ihnen etwas für die Rückschläge, die sie im Leben erlebt haben, allem voran Sex.
"Chad", "Stacy" und die "Blackpill"-Theorie
Wie in anderen Gemeinschaften auch gibt es Insider-Begriffe, die sich Außenstehenden nicht sofort erschließen. Es gibt beispielsweise den männlichen und den weiblichen Prototypen: "Chad" und "Stacy", die in verschiedenen Memes dargestellt werden und die jeweils alles verkörpern, was sie nicht sind beziehungsweise was sie nicht haben können. "Chad" hat symmetrische, kantige Gesichtszüge, eine aufrechte Statur, blickt allen direkt in die Augen, ist unsensibel und rücksichtslos, setzt sich immer durch. Ein Alpha-Männchen, wie sie es sich vorstellen. Sie selbst haben auf der anderen Seite eine unsportliche Figur, sind gehemmt, von Ängsten und Zwängen aller Art geplagt, sind gar überfordert damit, ein eigenes Gehtempo zu finden, mit sich und ihrem Körper unzufrieden.
"Stacy" hat riesige Brüste, trägt Unmengen von Make-up und hat noch nie in ihrem Leben gearbeitet. Dafür hat sie schon mit über hundert Männern geschlafen ("Hypergamie" nennen sie das). Sie steht nur auf den Alpha-Typen, der einen riesigen, unbeschnittenen Penis hat, 50 Minuten durchhält und sie würgt, während er sie durchnimmt. Danach schmeißt er sie raus, er schläft absichtlich allein – im Gegensatz zu den Incels, die das unfreiwillig tun. Mit diesen Rollenbildern entwerfen sie einen "Idealtypus" von Sex, der allenfalls in Pornos vorkommt und ihn als gewalttätigen und sowieso nicht erstrebenswerten Akt abwertet.
Durch diese Herabwürdigung ihrer selbst bei gleichzeitiger Entschuldigung damit, dass sie sowieso keine Chance hätten, weil sie kein "Chad" sind, basteln sie sich eine eigenwillige Erklärung zurecht, die die Schuld für ihr eigenes Versagen bei anderen sucht, zuallererst bei den Frauen. Festgeschrieben ist das in der sogenannten "Blackpill"-Theorie, die man im "Incel-Wiki" nachlesen kann: Frauen wählten ihren Partner nach Aussehen und guten Genen aus, nicht wegen ihrer Persönlichkeit. Diejenigen, die ihren Ansprüchen nicht genügen, würden Frauen nach Ansicht der sexuell Frustrierten ignorieren oder absichtlich für ihre optischen Unzulänglichkeiten herabwürdigen. Für Vertreterinnen des gemeinen Geschlechts haben sie einen entmenschlichenden Kampfbegriff entwickelt: "Femoid", kurz für "female humanoid", also in etwa "weibliches menschenähnliches Wesen".
Den Selbsthass, den die unfreiwillig Zölibatären empfinden, projizieren sie auf ihre konstruierten Rollenbilder. Sie picken sich einzelne Tatsachen heraus, die ihre Thesen untermauern, beispielsweise, dass Frauen – wie übrigens auch Männer – symmetrische Gesichtszüge als schön und anziehend empfinden. Daraus basteln sie sich die Entschuldigung, dass alle, die nicht den optischen Ansprüchen eines Alpha-Männchens genügen, sowieso keine Chance haben, weil Frauen keine "Betas", wie sie sich selbst nennen, wollen. Aber ganz so einfach ist es nicht. Gerade in Langzeitbeziehungen spielen Charaktereigenschaften abseits optischer Merkmale eine gewichtige Rolle. Für den Ur-Incel von Isla Vista kommt diese Ausrede übrigens nicht in Frage: Er war ein äußert hübscher junger Mann, daran kann es also nicht gelegen haben. Ein Paradoxon, das auf viele Incels zutrifft: Die selbstempfundene und gegenseitig bestätigte Hässlichkeit ist objektiv oft nicht nachvollziehbar. Man macht sich schlechter, als man ist, um eine Ausrede für den eigenen Misserfolg zu haben.
Verschwörungsideologien und das Feindbild Feminismus
Es gibt aber noch eine weitere Ebene, die ihnen die Verantwortung abnimmt: Der gesellschaftliche Fortschritt ist schuld, der Feminismus. Ihn verkörpert ein weiterer "Frauen-Prototyp": Die "Becky". Sie ist Feministin, bildet sich fort und arbeitet in einem schlecht bezahlten Job. Sie zieht einen natürlichen Look vor, sieht durchschnittlich aus und versucht durch weite Kleidung von ihren kleinen Brüsten abzulenken. Aber auch sie will nach Meinung der Incels Sex mit "Chad". Der Feminismus habe die moderne Gesellschaft ruiniert, so die Theorie. Man könnte diese Ablehnung als Reaktion auf das feministische Feindbild des "alten weißen Mannes" verstehen. Auch ärgern sich die Sexlosen über scheinbar übertriebene politische Korrektheit, darüber, dass sexuelle Avancen von Männern zurückgewiesen und diese schon bei Kleinigkeiten mit einem Sexismus-Vorwurf konfrontiert würden.
Verschwörungsideologien und Antisemitismus scheinen in diesen Petrischalen der Unzufriedenheit auf fruchtbaren Boden zu fallen, wie der deutsche Attentäter von Halle veranschaulichte: Die Tatsache, dass selbstständige Frauen nicht so viele oder gar keine Kinder bekommen wollen, führte er zurück auf das Hirngespinst des "großen Austausches" und vertrat die Ansicht, die jüdische Hochfinanz habe den Feminismus konzipiert, um so einen "weißen Genozid" herbeizuführen. Westliche Frauen seien eher an wechselnden Sexualpartnern als an Monogamie und Familiengründung interessiert, ist eine Überzeugung der unfreiwillig Zölibatären, und deshalb gingen sie leer aus. Die Männer mit dem mangelhaften Selbstbewusstsein fühlen sich bedroht durch selbstbestimmte Frauen und vermeintlichen zugewanderten männlichen Konkurrenten, die die für sie ohnehin problematische Suche nach einer (Sexual-)Partnerin in ihren Augen noch erschweren. Es gibt starke Überschneidungen mit dem Vokabular und den Ansichten der "Alt-Right"-Bewegung. Nicht umsonst wird Frauenhass immer wieder als "Einstiegsdroge" für rechte Ideologien bezeichnet.
Aus Angst, sich nicht gegen die nach Gleichberechtigung strebenden Frauen behaupten zu können, sehnt man sich nach den alten Rollenbildern zurück, nach der "guten alten Zeit", als man Frauen unter Kontrolle hatte: Früher, oder noch heute in traditionellen beziehungsweise religiös geprägten Gesellschaften, wurden und werden Ehen arrangiert, Männlein und Weiblein sich zugeteilt. Die Männer mussten und müssen sich nicht anstrengen, keine Frau für sich gewinnen. Gleichzeitig waren beziehungsweise sind sie in einer Vormachtstellung, die die Frau an sie bindet. Häufig waren oder sind die Frauen völlig vom Mann abhängig, können ihn also gar nicht verlassen, selbst wenn sie wollen. Er hat(te) Macht über sie. In diese Zeiten sehnte sich auch der Ur-Incel aus Isla Vista zurück: "Frauen sollten nicht das Recht haben, sich auszusuchen, mit wem sie sich paaren. Die Entscheidung sollte für sie von zivilisierten, intelligenten Männern getroffen werden", heißt es in seinem Manifest. Eine Ansicht, die auch Teil der bereits erwähnten "Blackpill"-Theorie ist.
Toxischer Humor
In den Incel-Foren floriert das Befürworten sozial geächteter Verhaltensweisen wie Massenmord und Vergewaltigung. Nach dem Attentat von Toronto gab es Nutzer, die den Täter als "Incel-Märtyrer" feierten. Die Hemmschwelle zur Gewalt wird durch mitunter kranken Humor gesenkt, bei dem nicht immer klar ist, was noch "Spaß" ist und was ernst. So kann es passieren, dass wenn ein verzweifelter sexuell Unbefriedigter seinen Selbstmord ankündigt, er von anderen Leidensgenossen ermutigt wird, daraus einen erweiterten Suizid zu machen und andere Menschen "mitzunehmen": "Sei nicht egoistisch. Geh zu einer Grundschule und töte ein paar Kinder, bevor du dich umbringst. Bitte!?!", zitiert die BBC einen solchen Kommentar.
Die Gewaltverherrlichung, gegenseitige Radikalisierung und der kultivierte Hass sind die Gründe, warum man die Incels weniger in den gängigen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter findet. Viele ihrer Gruppen und Posts würden dort gelöscht werden. So hat es sie in anonymere und gänzlich unkontrollierte Bereiche des Internets verschlagen. Was auf Außenstehende verstörend wirkt, daran haben sich die Sexlosen, die in ihrer Einsamkeit oft völlig in der virtuellen Gemeinschaft aufgehen, längst gewöhnt.
Selbstverständlich kann man nicht alle Menschen, die unfreiwillig zölibatär leben, unter Generalverdacht stellen. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen kann man auch hier nicht generalisieren. Dennoch werden Incel-Foren immer wieder zu Brutherden potentiell gefährlicher Aktivitäten, weshalb mittlerweile sogar ihre Refugien immer wieder gelöscht werden. Dann versammeln sie sich an einem neuen digitalen Ort. Das Problem an sich muss auf andere Weise gelöst werden.
Wer sich selbst ein Bild von Incel-Foren machen möchte:
Men going their own way (MGTOW),
diverse Kanäle bei Reddit (beispielsweise ForeverAlone oder Virgin vs. Chad),
23 Kommentare
Kommentare
Nora Koch am Permanenter Link
Mir tun die Typen vor allem leid. Nicht dass das irgendwas rechtfertigen würde, was die gedanklich aus ihrem Defizit machen ist total drüber und ziemlich irre.
Rein sprachlich bin ich auch Incel - aber ich würd nie auf die Idee kommen dass an irgendwem auszulassen.
pi am Permanenter Link
Ein sehr interessanter Beitrag – danke!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Das Problem an sich muss auf andere Weise gelöst werden."
Das muss es! Ich will mich hier outen: Ich war auch einst ein "Incel", ohne diesen Begriff zu kennen und ohne viel Ähnlichkeiten mit den geschilderten Charakteren aufgewiesen zu haben.
Ich will nicht mit meiner persönlichen Geschichte langweilen, aber sie hat in gewissen Grundzügen Ähnlichkeit mit den Werdegängen dieser Incels. Allerdings - wir befinden uns in den 70er-Jahren - hatte mich mein gegenteiliges Frauenbild in diesen unfreiwilligen Zölibat geführt. Dies geschah, wie ich heute weiß, weil ich im Asperger Syndrom gefangen bin.
Menschliche Verhaltensweisen, die mir entgegengebracht werden, kann ich oft nur schwer richtig zuordnen. Ich habe viel gelernt seit damals, aber manches entgeht mir trotz größter Anstrengung noch immer. In völliger Unkenntnis davon (man hatte mir psychologischerseits nur eine besonders große Intelligenz attestiert), spürte ich schon sehr früh, das es "nichts werden würde" mit Frauen. Klar, ich habe sie (krankheitsbedingt) "übersehen".
Damals wurde medial verbreitet, die Frau habe das Klischeebild des Hausmütterchens aus den miefigen 50er-Jahren dank des Feminismus überwunden. Frauen seien nun selbstbewusster und würden - da wurde es spannend für mich - nicht nur als "Opfer" auf selbstbewusste Männer warten, sondern selbst "aktiv" werden. Hurra!
Ich selbst bekam es nicht gebacken, Frauen anzusprechen. Aber was soll's? Die "neue" selbstbewusste Frau übernahm jetzt die Rolle, quasi als Alpha-Frauchen... Ein für mich fatales Ruhekissen.
Denn es geschah nichts. Tote Hose! Mich frustrierte also viele Jahre lang, dass die Frau mittlerweile wohl doch nicht so emanzipiert war, so selbstbewusst und forsch, wie mir dies durch Medien vermittelt wurde. An meinem Aussehen lag dies sicher nicht und im Gegensatz zu den "Incels" hatte ich diesbezüglich auch keinen Minderwertigkeitskomplex.
Ich habe auch keinen Frauenhass entwickelt. Dies mit der Begründung, dass sie ja nichts dafür könnten, mich (wie ich es empfand) zu ignorieren, weil sie mich ja nicht kannten, mich, den tollen Hecht. Hätten sie mich kennengelernt, dann hätten sie sich wohl anders verhalten.
Faktisch, so muss ich in der Rückschau konstatieren, resultierte mein "Incel-Dasein" zum einen aus dem zumindest damals noch immer nicht voll ausgeprägten Selbstbewusstsein der Frauen und zum anderen aus meiner angeborenen Unfähigkeit, die subtilen Signale von Frauen zu erkennen. Sie hätten mir - wie in Steinzeitwitzen - mit der Keule eins überziehen müssen, damit ich begreife. So ist es meine eigene unverschuldete Schuld und kann niemanden dafür verantwortlich machen.
Das ist letztlich noch frustrierender, weil meine Biographie hier mit kleinen Weichenstellungen hätte befriedigender verlaufen können. Heute fehlt mir dieser Teil meines Lebens sehr und es schmerzt, dass dies nie mehr zu heilen, nur zu vergessen ist.
Ich fände es also spannend, wenn diese "Incels" aus ihrer Insel kämen und z.B. auf Asperger hin untersucht würden. Das Internet ist hier keine (Selbst)hilfe, weil es die negativen Effekte durch die Echokammer nur verstärkt und so zu solch grauenhaften Taten verleitet, wie hier beschrieben. Wie echte Hilfe zur Überwindung des Problems aussehen könnte, weiß ich allerdings auch nicht.
Alle "Tipps", die ich damals bekam, nutzen nur normal sozialisierten Männern, wobei ich etliche davon durchprobierte (nicht Männer, sondern Tipps :-)). Natürlich ohne jeden Erfolg. Es ist ja auch nicht so - und ich habe dies nie verlangt -, das "Frauen verpflichtet sind, aus sozialen Gründen sexuelle Beziehungen einzugehen" (mehrfach gehört von Frauen, die mir [leider nur freundschaftlich] helfen wollten). Sex ist ein freiwilliges Ding von beiden Seiten.
Aber vielleicht sollten beide Geschlechter noch mehr versuchen, vom jeweils anderen zu lernen, wie "die" so ticken. Es ging - zumindest bei mir - auch viel um Ängste. Jahrzehnte vor "MeToo" hatte ich panische Angst, einer Frau zu nahe zu treten. Ich wollte sie nicht mit meinen Gelüsten konfrontieren, weil ich dies für unangemessen hielt. Ich wartete auf ein deutliches Signal, das ich Frauen jedoch verweigerte. Hatten Frauen die gleiche Angst? Angeblich nicht und heute sei diese alles anders. Wirklich?
Das Phänomen der "Incels", über das ich hier lesen durfte, schockiert mich bis ins Mark. Hier muss eine offene Diskussion einsetzen; nicht nur, um solche Katastrophen zu verhindern, sondern um solche Schicksale - und es sind welche - zu vermeiden...
Ingrid Sattelberger am Permanenter Link
Vielen Dank, @Bernd Kammermeier, für diesen persönlichen Kommentar! War für mich sehr interessant, habe was gelernt dadurch. Ihnen weiter alles Gute!
Sascha Larch am Permanenter Link
Hallo Bern Kammermeier
Ich habe das Gefühl gerade meine eigene Biographie gelesen zu haben...
Obwohl ich keine offizielle Diagnose habe hege ich schon seit geraumer Zeit den Verdacht ebenfalls Asperger-Autismus zu haben. Können Sie mir einen Tip geben wer das ggf. diagnostizieren kann?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dazu sollte jede psychologische Praxis imstande sein. Asperger ist heute nichts Exotisches mehr und auch nichts, was weh tut.
Ich komme im Leben gut klar - so gut, dass ich erst sehr spät den Verdacht hegte. Eine Therapie dagegen gibt es meines Wissens nach nicht, aber man kann Defizite durch Lernen kompensieren. Gunkl z. B. wurde mit und auch wegen Asperger ein begnadeter Comedian.
Ich vermute, wir schauen genauer hin, weil wir das müssen, und machen uns über alles fundierte Gedanken. Das geht zumindest mir so. Ich will alles verstehen, gehe nie nach Augenschein. Das ist bisweilen nervig für unsere Umgebung, aber mich befriedigt es zutiefst. Ich hätte es nur gerne früher gewusst. Ob das allerdings in Sachen "Frauen" geholfen hätte...?
Paul Humanist am Permanenter Link
Da werden aber ganz schön viele Aspekte nahezu schon Verschwörungstheoretisch miteinander wild vermixt.
Karol Dittel am Permanenter Link
In dem Zusammenhang fand ich einen Vortrag von Veronika Kracher ziemlich informativ.
"Veronika Kracher: Wahnhafte INCELs – Sprache und Ideologie eines frauenverachtenden Online-Kults"
https://www.youtube.com/watch?v=UXxpuAU5zo0
Hans Trutnau am Permanenter Link
OMT, was für ein seltsamer, kranker Abgrund...
Eichhörnchen am Permanenter Link
Ich selbst hatte bis jetzt auch noch keine sexuelle Beziehung, ein Kuss war bis jetzt das höchste der Gefühle. Ich würde das allerdings meiner Eigenen Unfähigkeit zuschreiben als Frauen dafür die Schuld zu geben.
Worf am Permanenter Link
Hier wird ein schlimmer Fall rausgesucht und dann so getan als ob alle so sind.
"Die kollektiv empfundene Unzufriedenheit wird auf Frauen und die Gesellschaft projiziert"
Incels denken also das Frauen sexuell unzufrieden sind?
Weiß die Autorin wie es ist sexuell unsichtbar für das andere Geschlecht zu sein?
Und was soll die Verlinkung auf MTGOW am Ende? MTGOW denken eher das man sein Leben nicht komplett auf Frauen ausrichten und sich selbst und was man selbst will, für wichtiger nehmen soll. Etwas das heute bei vielen Männer zu kurz kommt und die dann die Frau fragen müssen ob sie Spaß haben (kenne ich leider auch welche). MTGOW hatten oder haben sogar Beziehungen zu und Sex mit Frauen, nur achten sie darauf das diese Frauen nicht ihr Leben aus einer Laune heraus komplett auf den Kopf stellen können. Ist komplett was anderes wie Incels.
Aber der Artikel läuft ja unter dem Stichwort Feminismus und da hat es Methode anhand einiger weniger schlechter Männer immer möglichst viele Männer über einen Kamm scheren und dabei Gruppen zu vermischen, die nichts miteinander zu tun haben.
Man fragt sich immer wieder was eigentlich das Selbstverständnis von heutigen Feministinnen ist: Sexismus zu bekämpfen oder Sexismus zu verbreiten?
Lootsie M am Permanenter Link
Interessant, daß auch dieser gestörte ‘Ur-Incel‘ wieder aus einer kaputten Familie kam und von der dann alleinerziehenden Mutter aufgezogen wurde.
Die Kinderpsychologie geht ja davon aus, daß Kinder den Umgang zwischen Männern und Frauen am Beispiel ihrer Eltern erlernen.
Wenn da nichts abzugucken ist, wissen sie nicht, wie es geht. Wie sollten sie dann auch?
Ob das wohl bei vielen dieser ‘Incls‘
die Ursache ist?
P.s: Nicht verstanden habe ich, was das mit den ‘Mgtow‘ zu tun hat. Das sind doch die, die sich einfach von Frauen fern halten und sexuelle Kontakte ablehnen?
Gisa Bodenstein am Permanenter Link
Als kaputte Familie würde ich sie nicht bezeichnen. Zwar waren die Eltern des Attentäters geschieden, hatten aber ein freundschaftliches Verhältnis zueinander.
crumar am Permanenter Link
Dieser Artikel ist leider schlecht recherchiert und aus einer einseitig feministischen Perspektive geschrieben.
Mit dem sachlichen Fehler in der letzten Zeile des Artikels anfangend: MGTOW (men going their own way) haben mit Incel nichts zu tun.
Es macht keinen Sinn, das Publikum auf ein Forum zu verweisen, in dem MGTOW schreiben, wenn sich das Publikum über Incel informieren möchte.
Der Anfang des Artikels wiederum ist auch kein wirklicher Anfang.
Die Autorin suggeriert, der Begriff und mit ihm die community der "Incel" wäre erst öffentlich bekannt geworden nach dem Amoklauf Rodgers in den USA im Jahr 2014.
Das trifft auf den Begriff zu, der im angelsächsischen Sprachraum geprägt worden ist, betrifft aber nicht die "Entdeckung" sexuell unerfahrener oder in unfreiwilliger sexueller Abstinenz lebende Menschen generell.
Die Internet-Foren der "Absolute Beginners" (AB) in Deutschland gibt es bereits seit 1998, ein Artikel über diese unter dem Titel: "Selbsthilfe für erwachsene Jungfrauen" erschien 2008 im Spiegel.
Arne Hoffmann - der bekannteste Männerrechtler in Deutschland - hatte schon 2006 das Buch "Unberührt" geschrieben, auf das sich der Artikel auch bezieht.
Über diese "Absolute Beginners" existiert übrigens ein Eintrag in der (englischsprachigen) "Incel-Wiki".
Die für mich zunehmend ärgerlicher werdende Angewohnheit, Thesen und Diskussionen aus den USA 1:1 abzuschreiben, machen aus einem Amokläufer in den USA laut Autorin einen "Ur-Incel", um diesen wiederum mit dem "Anschlag von Halle" in Verbindung zu bringen.
Wenn denn die Thesen der Autorin zutreffen würden, warum hat sich dies nicht zuerst in Deutschland gezeigt, wo die Bewegung früher im Internet existierte und früher öffentlich wahrgenommen worden ist?
Es wird wohl mit anderen gesellschaftlichen Umständen zu tun haben, leider lesen wir von diesen nichts im Artikel.
Die ursprünglich weitaus "emphatischere" Rezeption in Deutschland der AB hat m.E. mit dem Umstand zu tun, den ein "Brigitte"-Artikel hervorhebt: "Ungeküsst: Das Leben der Ewig-Singles
Sie sind über 30, ungeküsst, sie hatten noch nie Sex, obwohl sie sich das wünschen - doch gleichzeitig ist der Sex ihre größte Angst. Zwei Frauen (!!!) erzählen."
https://www.brigitte.de/liebe/singles/absolute-beginners--ungekuesst--das-leben-der-ewig-singles-10172232.html
Nur die realitätsferne Reduktion auf eine "weltumspannende Gemeinschaft von Männern" macht aber eine Dämonisierung und den Entzug von Empathie möglich.
Wie groß das zugrunde liegende gesellschaftliche Problem (in den USA) ist, steht - erstaunlicherweise - auf der Startseite (!!!) der Incel-Wiki: "Among American millennials, 15-30% are incels, roughly 51% do not have a steady partner, roughly 30% are often or always lonely, and roughly 22% have no friends."
Wobei "Millenial" alle Personen umfasst, die zwischen 1981 und 1996 geboren sind.
Die Definition von Incel: "The Donnelly Study defined incels as adults who fail to find a sexual partner for six months or more without choosing so."
In der "Atlantic" 2018 zu lesen: "People now in their early 20s are two and a half times as likely to be abstinent as Gen Xers were at that age; 15 percent report having had no sex since they reached adulthood." All das wurde unter dem Oberbegriff "sex recession" zusammengefasst.
https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2018/12/the-sex-recession/573949/
Weiter aus dem Jahr 2019: "The portion of Americans 18 to 29 reporting no sex in the past year (!!!) more than doubled between 2008 and 2018, to 23 percent."
https://www.sciencealert.com/the-percentage-of-americans-not-having-sex-has-reached-a-record-high
Dies setze sich jedoch so zusammen: 18% der jungen Frauen in diesem Altersspektrum, aber 28% der jungen Männer hatten im letzten Jahr (!!!) keinen Sex.
Per Definition demnach Incel.
Ihre Lebensumstände äußern sich bei Incel laut Umfragen auf den eigenen sites so:
"- 78% report always suffering from extreme sadness, anxiety, and stress.
- 82% have considered suicide.
- 62% have considered surgery to improve their looks.
- 77% report being a healthy weight or underweight (only 23% report being overweight, which is far less than the general western population average).
- 57% report receiving a medical diagnosis labeling them as non-neurotypical or having a physical disability that impairs their normal daily functions."
Menschen, denen zu 57% medizinisch bescheinigt wird, an einer "körperlichen Behinderung zu leiden, die ihre normalen täglichen Funktionen beeinträchtigt" sind tatsächlich keine "Chads".
Auffällig ist, solche materiellen Gründe für mangelnde (sexuelle) Attraktivität von Männern werden außen vor oder nicht gelten gelassen.
Zu Elliot Rodger schreibt die Autorin: "Die selbstempfundene und gegenseitig bestätigte Hässlichkeit ist objektiv oft nicht nachvollziehbar." Hingegen: "Er war ein äußerst hübscher junger Mann, daran kann es also nicht gelegen haben. Ein Paradoxon, das auf viele Incels zutrifft."
Das Paradoxon ist vielmehr, empfindet sich eine junge Frau als hässlich, würde niemand auf die Idee kommen, ihre Empfindung zu negieren - weil sie schließlich objektiv nicht nachvollziehbar ist PUNKT
Niemand würde ihr sagen, sie habe es sich in ihrer "Opferrolle bequem gemacht" und überhaupt, Frauen "maßschneidern sie sich eine Welterklärung zurecht, die ihre eigene Situation als unausweichlich zementiert und sie von jeglicher Eigenverantwortung freispricht".
Die durchgesetzt feministische Sichtweise ist nämlich: Mangelndes Selbstvertrauen hat bei jungen Frauen immer gesellschaftliche Ursachen. Wenn es sich um Männer handelt, ist hingegen das Defizit im Individuum selbst zu verorten und an diesem ist er selber schuld.
Und ja, das ist eine kultivierte Doppelmoral und sie ist zudem sexistisch.
Zur Lesart des "Manifests" von Rodger zwei Hinweise: 1. Elliot Rodger war asiatischer Abstammung. Man lese seine fraglos rassistischen Äußerungen bitte noch einmal unter diesem Vorzeichen.
2. Die ersten beiden Opfer seines Amoklaufs waren a. asiatische b. Männer.
Man lese bitte noch einmal 1. und frage sich dann, warum der unterstellte primäre Frauenhass sich zuerst gegen zwei Männer richtete.
Gisa Bodenstein am Permanenter Link
Danke für Ihre ausführliche Kritik. Das Thema ist ein "weites Feld", wie es so schön heißt, und ich habe mich bemüht, möglichst viele - manchmal auch widersprüchliche Aspekte - hier wiederzugeben.
pingpong am Permanenter Link
"Selbstverständlich kann man nicht alle Menschen, die unfreiwillig zölibatär leben, unter Generalverdacht stellen. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen kann man auch hier nicht generalisieren."
So steht es im letzten Absatz des Artikels, und es ist nicht ganz klar ob die Autorin das ernst oder zynisch meint. Denn in weiten Teilen des Artikels wird genau das getan, was man laut dem letzten Absatz nicht tun kann/soll.
Auch wenn das Thema ein "weites Feld" ist, die Behauptung "möglichst viele - manchmal auch widersprüchliche Aspekte - wiederzugeben" ist keine Ausrede für schlechte Recherche. Und schlechte Recherche ist es ganz objektiv, wenn ein Artikel zum Phänomen "Incel" völlig ohne Informationen zu Betroffenenzahlen, Ergebnissen von Untersuchungen mit jungen Erwachsenen, zeitlicher Einordnung bzw Änderung (gab es das Phänomen in den 60ern und 70ern? Falls ja, hat sich seitdem etwas geändert? Falls nein, warum nicht?) usw auskommt, und sich stattdessen über drei viertel der Textlänge in reißerischer Art mit einem psychisch kranken Attentäter beschäftigt.
crumar hat gezeigt wie man es ordentlich & informativ machen könnte - ein typischer Fall von die Kommentare sind besser als der Artikel. Mal wieder.
Worf am Permanenter Link
"ich habe mich bemüht, möglichst viele - manchmal auch widersprüchliche Aspekte - hier wiederzugeben."
Sie scheinen sich eher ausschließlich auf die negativsten Beispiele konzentriert zu haben. Das gleiche könnte man genau so gut auch mit Feminismus machen und es als eine Ideologie von Female Supremacisten, Eugeniker, die immer wieder diskutieren wollen, warum man nicht den Großteil der männlichen Bevölkerung ausrottet oder alle männlichen Föten abtreibt, weil the Future is Female und wozu brauchen Frauen denn Männer?
Die werden nur nicht geächtet oder von anderne Feministinnen kritisiert. Die erhalten eine Plattform in den Medien:
https://www.washingtonpost.com/entertainment/books/we-know-about-e-jean-carrolls-rape-accusation-how-is-the-rest-of-her-book/2019/06/27/3fea5850-9813-11e9-8d0a-5edd7e2025b1_story.html
Christian M. am Permanenter Link
Ich bin gespannt, ob jetzt die Rasterfahndung für alleinstehende Männer mit Internetanschluss gefordert wird.
Christian M. am Permanenter Link
Zwei Punkte sollten in dieser Frage offensichtlich sein:
1. Wie den Islam muss man auch den unfreiwilligen Zölibat als ein ideologisches Konstrukt kritisieren können,
2. Genau so wenig, wie jeder Angehörige des Islam ein potenzieller Terrorist ist, sind auch nicht alle unfreiwillig zölibatär lebende Männer potenzielle Frauenmörder. Wahrscheinlich handelt es sich in beiden Fällen um eine kleine Minderheit, die in der jeweils erwähnten Hinsicht Schwierigkeiten macht.
Neben der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den beiden Phänomenen muss man also einen Umgang mit der Gefahr finden, die von den beiden jeweiligen Minderheiten ausgeht. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2006 darf die präventive Rasterfahndung nur bei Vorliegen einer konkreten Bedrohung zur Anwendung kommen. Mit anderen Worten: Wenn Frauen sich bedroht fühlen, weil in diversen „Incel“-Foren einige Teilnehmer im Rahmen der „Me-Too“-Debatte Bemerkungen machen, die Frauen im Allgemeinen herabwürdigen, wäre eine präventive Rasterfahndung wohl verfassungswidrig.
Wie sähe das bei einer konkreten Gefahr aus? Nehmen wir an, in der Großstadt XY erhält Frau Z. anonyme Briefe, in welchen sie bedroht und belästigt wird. Um hier für eine präventive Rasterfahndung ein wirklich zielführendes Raster zu erhalten, benötigte man unter Umständen weit sensiblere Daten – z. B. klinische Diagnosen – als für die Gefahrenabwehr gegen islamistische Terroristen. In Zeiten von Big Data wäre das alles kein Problem. Die Verwendung von klinischen Diagnosen im Rahmen einer Rasterfahndung ist aber meines Wissens nicht erlaubt. Es erscheint mir auch vernünftig, dass hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Menschen, denen man keine konkrete Straftat zur Last legen kann, Vorrang hat. Letzen Endes sollten es m. E. immer Abwägungsfragen sein, die im Falle von konkreter Bedrohung und Belästigung über die Anwendung einer Rasterfahndung - ohne die Nutzung sensibler Daten - entscheiden.
Zu guter Letzt kann man in beliebiger Weise Gefährdertypen konstruieren: Den islamistischen Gefährder, den sexistischen Gefährder oder auch den Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Gefährder. Letztere wären zum Beispiel sehr junge und sehr alte Autofahrer, die zu Alkoholkonsum neigen. Bei allen drei Gefährdertypen wären wohl Art und Umfang der zu schützenden Rechtsgüter als sehr hoch einzuschätzen. Doch wenn man dann fleißig weiter konstruiert und als Folge zu rastern anfängt, stellt bald ein hoher Anteil der Bevölkerung eine Bedrohung für seine Mitmenschen da. Dann wäre die Freiheit nicht mehr da und wir befänden uns in einem totalitären System.
Letztendlich geht es ja immer um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Ich denke, unsere Freiheit sollte uns das minimale Restrisiko, Opfer von Gefährdern zu werden, Wert sein. Dass wir im an multiresistenten Krankenhauskeimen, an Krebs oder schlicht an Altersschwäche sterben, ist ohnehin wahrscheinlicher.
Antimodes am Permanenter Link
Körperliche Nähe und auch sexuelle Beziehungen sind ein soziales Bedürfnis der meisten Menschen. Dass Isolation uns schadet, ist bekannt.
Die Frage ist doch, wo man vulnerable Personen abholt. Das kann ein Sportverein, Hackspace oder eine Jugendgruppe sein. Extremisten haben immer offene Türen.
Christian M. am Permanenter Link
Rasterfahndung hin oder her - den Zielkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit, wie er auch hier zu Tage tritt, muss man durch sensibles Austarieren und ohne ideologische Scheuklappen lösen.
Petra Pausch am Permanenter Link
Danke für den wichtigen Artikel. Was mir ein wenig fehlt ist Mitleid mit den Betroffenen.
Das Thema ist noch lange nicht vollständig.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Liebe Petra Pausch,
ich war selbst ein Betroffener, viel zu lange.
Bitte nicht missverstehen, aber das Letzte, was ich mir damals wünschte, war Mitleid. Das bekam ich zur Genüge, schmerzlich war es von Frauen und unerträglich war es von Frauen, für die ich vorsichtiges Interesse hegte.
Ich würde mir eine breite Debatte wünschen, wie sich Geschlechterrollen, nachdem 1949 im GG Männer und Frauen gleichberechtigt wurden, nachdem alle Behinderungen im BGB nach und nach beseitigt wurden, weiterentwickeln. Man kann von niemandem verlangen, das eigene Verhalten diesen geänderten gesellschaftlichen Voraussetzungen anzupassen, aber darüber reden sollte man unbedingt.
Was ich damals erlebte, war eine teilweise unerträgliche Arroganz von Frauen. Sie konnten und können sich diese (in großen Teilen) leisten. Okay. Aber muss man das? Ich habe kein Rezept anzubieten, aber hier ist dringender Nachholbedarf, vielleicht eine Emanzipation von alten Rollenmodellen und dem religiösen Ballast, der dazu führte. Auch biologische Faktoren können mit dem Verstand weiterentwickelt werden.
Das ist auch definitiv ein Thema für den Humanismus, da es um Ethik geht, wie wir miteinander umgehen sollten. Nur als Anregung...