Bundesweit erster Arbeitskreis "Säkulare und Humanistische Sozialdemokrat*innen" in Berlin gegründet

Am Mittwoch vergangener Woche gründete sich im Landesverband der Berliner SPD der Arbeitskreis "Säkulare und Humanistische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten". Dies ist bundesweit eine Premiere, denn bislang gibt es in keinem anderen Bundesland einen solchen AK. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Gründung in Berlin mehrmals verschoben werden. Fast 30 Mitglieder der Berliner SPD waren der Einladung ins Willy-Brandt-Haus gefolgt. Und die Atmosphäre war ausgesprochen konstruktiv.

Der Landesparteitag der Berliner SPD hatte bereits 2019 mit großen Mehrheiten entsprechende Beschlüsse zur Gründung gefasst, die nun umgesetzt wurden. Dass dies nicht auf den Widerstand des Parteivorstandes auf Bundesebene stieß, ist ein Zeichen des Umdenkens der Parteiführung. Diese akzeptiert zwar keine ausgesprochen laizistische, mittlerweile aber durchaus säkular-humanistische Positionen. Hinzu kommt die Kraft, die sich in den genannten Berliner Landesparteitagsbeschlüssen ausdrückt.

Prominente Berliner Unterstützung

Die stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner SPD und Mitglied im Abgeordnetenhaus aus dem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf, Iris Spranger, betonte gleich zu Beginn ihr langes Mitwirken bei den Vorbereitungen sowie ihre Bereitschaft, den AK auch als Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand aktiv zu unterstützen und zu betreuen. Der langjährige Berliner Staatssekretär Mark Rackles, ebenfalls einer der Initiatoren, betonte in seinem Grußwort, dass man jetzt nicht mehr von "zwei Strömungen – den Säkularen und den Humanist*innen – unter einem Dach" sprechen müsse. Es sei nunmehr eine "einzige gemeinsame und starke Strömung". Die SPD fuße in hohem Maße auf einer säkularhumanistischen Wertebasis und an diese gelte es jetzt wieder offensiv anzuknüpfen. Glückwünsche verbunden mit der Bereitschaft zur aktiven Unterstützung kamen vom Berliner Bundestagsabgeordneten Swen Schulz, der Berliner Innenstaatsekretärin Sabine Smentek und Kevin Kühnert, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden.

Repräsentativer Vorstand 

Der Vorstand des Arbeitskreises setzt sich wie folgt zusammen:

Felicitas Tesch
Felicitas Tesch, Co-Vorsitzende des neu gegründeten Arbeitskreises
(Foto: © Evelin Frerk)

Vorsitz: Dr. Felicitas Tesch (Bezirksverordnete in Charlottenburg-Wilmersdorf und zugleich stellvertretende Präsidentin des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg) und Dr. Hans-Ulrich Bieler (ehemaliger Leiter der Berliner Landesvertretung von Rheinland-Pfalz); stellvertretene Vorsitzende: Dr. Bruno Osuch (ehemaliger Präsident des Humanistischen Verbandes) und Franziska Becker (Vorsitzende des Hauptausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus), Schriftführung: Philip Schunke (Podcast-Moderator).
Zu Beisitzer*innen wurden gewählt: Dr. Maja Lasić (Bildungspolitische Sprecherin der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus), Mark Rackles (ehemaliger Staatssekretär), Barbara Scheffer (Fachausschuss Kulturpolitik) und Wolfgang Hecht (Bezirksverordneter in Berlin-Neukölln).

Hans-Ulrich Bieler
Hans-Ulrich Bieler, Co-Vorsitzender des neu gegründeten Arbeitskreises
(Foto: © Evelin Frerk)

Wie der Co-Vorsitzende des Arbeitskreises Dr. Hans-Ulrich Bieler betont, soll mit der Arbeit des Arbeitskreises der "weltanschauliche Pluralismus der Partei gestärkt werden". Der neue Arbeitskreis möchte "Brücken bauen zwischen den Zielen der deutschen Sozialdemokratie und den Bürgerinnen und Bürgern, die sich an säkularen und humanistischen Werten orientieren". Dies sei in Berlin mit seiner konfessionsfreien Mehrheitsgesellschaft von besonderer Bedeutung. Angesichts der großen ethischen Debatten etwa zur Sterbehilfe oder zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gelte es, säkulare und humanistische Positionen gerade auch innerhalb der SPD zu stärken.

Ziele

Die Berliner Initiative verfolgt keinen Laizismus nach französischem Vorbild. Sie betont jedoch das "verfassungsgemäße Primat der Trennung von Staat und Kirche" bei gleichzeitiger Akzeptanz von bewährten Formen der Kooperation. Dazu gehöre auch die Forderung nach stärkerer Gleichbehandlung von Weltanschauungsgemeinschaften wie dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD).

Zugleich will der Arbeitskreis aber auch zum "innerparteilichen Dialog und zur Verständigung mit den Genossinnen und Genossen beitragen, die ihr sozialdemokratisches Engagement auf Basis von christlichen, jüdischen, islamischen oder anderen religiösen Lebensauffassungen und Wertvorstellungen entwickeln". Dies sei angesichts der stärker werdenden Vorurteile gerade gegenüber Juden und Muslimen umso wichtiger. Beim Kampf gegen rechts und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien religiöse oder weltanschauliche Unterschiede zurückzustellen.

Dem kommenden Bundesparteitag der SPD vom 10. bis 12. November 2021 liegen zahlreiche vergleichbare Anträge für die Zulassung von säkularen und humanistischen Arbeitskreisen aus dem ganzen Bundesgebiet vor. Die Berliner Initiative dürfte daher auch eine Signalwirkung auf Bundesebene haben. Es ist zu hoffen, dass der Parteivorstand nach den Bundestagswahlen auch auf Bundesebene einen entsprechenden Arbeitskreis einrichtet. Ein wichtiger Termin auf diesem Weg könnte das nächste Bundestreffen des säkularen Netzwerks der SPD am 30. Oktober in Berlin werden.

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