BERLIN. (hpd) Vor einem knappen Jahr gründete sich die Partei der Humanisten. Der hpd sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden der Partei, David Helmus, über das vergangene Jahr und die Zukunft der Partei.
Die Partei der Humanisten versteht sich nach eigenem Bekunden als "die erste Partei der säkularen und evolutionären Humanisten." Sie bekennt sich dazu, Menschen über Dogmen und Ideologien zu stellen. Weiter heißt es: "Wir setzen uns für die individuelle Freiheit, eine soziale Gesellschaft und wissenschaftlichen Fortschritt ein. Wir sind liberal, sozial und progressiv." Der Vorstand der Partei ebenso jung wie engagiert. Wir wollten vom Vorstandsvorsitzenden Genaueres erfahren.
hpd: Hallo David, erzähl mir doch mal zu Beginn, wer du bist und warum du in der "Partei der Humanisten" aktiv bist.
David Helmus: Das ist eine lange Geschichte… Ich bin katholisch erzogen worden und habe mich mit dieser Religion lange und intensiv auseinandergesetzt. Doch ich fand nie einen Anprechpartner…
…du bist nicht aus Berlin?
Nein, ich bin nicht aus Berlin. Ich komme aus Münster ursprünglich (lacht).
Das erklärt alles…
Ja, tiefkatholische Gegend.
Jedenfalls: Auslöser war der Besuch des Papstes im Bundestag, wo ich darauf aufmerksam geworden bin, dass es eine Verquickung zwischen Politik und Religion gibt. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Kirchenmitglied.
Ich hab die Berichterstattung in Phoenix gesehen und die war absolut unkritisch. Im Fernsehen trat damals auch die "Generation Benedikt" auf: Dort haben sie darüber berichtet, wie toll das Zölibat sei. Das waren Leute in meinem Alter! Ich stand fassungslos vor dem Fernseher. Anschließend hab ich mich informiert, ob es nicht irgendwelche Leute gibt, die das - wie ich - kritisch betrachten und bin so nach und nach auf die Giordano Bruno Stiftung (GBS) gestoßen. Über Facebook habe ich mitbekommen, wie dann die "Generation Giordano" gegründet wurde; kurz darauf die "Initiative Humanismus".
Das waren so meine ersten Kontakte in die humanistische Szene. Ich war auf einem bischöflichen Gymnasium und hatte von Humanismus noch nie was gehört. Auch Atheismus kannte ich nicht.
Aber ich war schon immer politisch interessiert und aktiv und weil ich die Diskussionen um die Gründung der Partei interessant fand, war ich dann in Berlin bei einem ersten Vorabtreffen dabei. Da war ich aber eher Beobachter; erst als es um die Gründung der Partei ging, war ich dann aktiver. So hat sich das entwickelt.
Nun ist die Partei der Humanisten noch relativ wenig bekannt. Wieviele Mitglieder habt ihr? Gibt es schon Landesorganisationen oder seit ihr schon irgendwo in einem Kommunalparlament vertreten?
Nein, wir sind noch nicht gewählt worden; wir sind aber auch noch nirgends angetreten. Richtig gibt es uns ja erst seit einem halben Jahr. Im vergangenen Oktober - bei der Gründung - haben wir uns erst mal mit uns selbst beschäftigt und erst seit März dieses Jahres, nach dem ersten Bundesparteitag, sind wir ja öffentlich unterwegs. Dort haben wir unser Grundsatzprogramm verabschiedet. Und erst seitdem haben wir begonnen, mit unseren Inhalten in die Öffentlichkeit zu treten.
Wir sind - ich glaube - mittlerweile knapp über 75 Mitglieder. Wir werden ständig mehr, wobei es natürlich auch Fluktuation gibt.
Die Partei hat sich jetzt ganz aktuell in Bayern und Baden-Württemberg mit den Mitgliedern getroffen, gerade in Bayern war es ganz interessant: da kamen wir mehr Menschen als wir Mitglieder haben. Auch Leute vom BfG waren dort. Wir brauchen relativ viele aktive Leute, um einen Landesverband aufzubauen. Und deshalb wollen wir das Schritt um Schritt angehen.
Da stellt sich mir die Frage: Ihr seid ja derzeit im Aufbau "von Null" an. Könnt oder wollt ihr denn jetzt schon politisch wirksam sein? Seht ihr euch denn schon als eine politische Kraft?
Wir sehen uns auf dem Weg dahin. Ich denke, wir haben nur eine Chance, wenn wir Qualität bieten. Da sind wir erst noch im Aufbau. Wir suchen weiterhin Menschen, die das Know How haben und uns helfen, klarer Position zu beziehen; zum Beispiel in Fragen der Trennung von Staat und Kirche.
Kleine Dinge erreichen wir aber auch jetzt schon. Unsere Beirätin Jeanny Passauer hat sich vor Kurzem mit dem staatlichen Kindergarten ihrer Kinder auseinandergesetzt. Ihr Offener Brief dazu ist ja unter anderen auch im hpd erschienen. In einem persönlichen Gespräch hat ihr die Leitung dann zugesagt, die Kindergartenbeschreibung anzupassen.
Um noch einmal auf die vorhin von dir angesprochene Fluktuation einzugehen: Das Scheitern der Piratenpartei hat ja unter anderem auch gezeigt, dass ein Parteiprogramm, das es allen Recht macht, nicht geht. Man muss als Partei an einem Strang ziehen. Das Problem, das ich aber sehe, ist, dass es in der "säkularen Szene" ein politisches Spektrum von linksliberal bis - ich bin vorsichtig - den rechten Rand der SPD gibt. Wo siehst du denn die Partei der Humanisten in diesem politischen Spektrum?
Im Spektrum zwischen rechts und links sehen wir uns tatsächlich eher als linksliberal.
Gingen die Mitglieder weg, weil ihnen eure Ideen zur Wirtschafts- oder Sozialpolitik nicht genehm waren?
Gerade "Marktwirtschaft" ist ein sehr umstrittenes Thema bei uns. Das geht von "Marktwirtschaft an sich ist Scheisse" bis zur Befürwortung der Marktwirtschaft, wie wir sie hier in Deutschland erleben. Aber wegen solcher Streits ist bisher noch keiner ausgetreten.
Es gab anfänglich - in der Gründungsphase - personelle Differenzen und es gab einige wenige Mitglieder, die nicht einverstanden damit waren, Mitgliederbeiträge zu zahlen.
Für mich bleibt trotzdem noch die Frage unbeantwortet: wie schafft ihr es, die Mitglieder hinter einer gemeinsamen Idee einer - zum Beispiel - humanistischen Sozialpolitik zu vereinen? Oder ist das noch gar nicht Thema der Diskussionen innerhalb der Partei?
Es gab diese Diskussionen bisher nur in kleinen Kreisen…
…aber ihr habt doch ein Parteiprogramm…
…darin stehen wir klar zur sozialen Marktwirtschaft. Aber wir haben auch das Bedingungslose Grundeinkommen im Grundsatzprogramm. Da zeigt sich dann schon: Einige unterstützen das, Andere nicht; aber das ist insgesamt noch nicht so ein wichtiges Thema. So dass Mitglieder sagen würden: Wenn ihr das nicht rausnehmt, dann verlasse ich die Partei. Parteiintern ist unser Leitbild auch wichtiger als das Grundsatzprogramm. Darin beschreiben wir unsere Idee von Humanismus. Wer damit übereinstimmt, ist bei uns richtig.
Es gab zum Beispiel mal eine kurze Debatte über Atomkraft. Das Thema steht nicht einmal im Grundsatzprogramm - doch einige Mitglieder haben sich dafür interessiert. Auch das ist ein Thema, wo es eine breite Palette an Meinungen gibt. Da haben wir einfach die Argumente gesammelt und gegenübergestellt, ohne dass es dabei zwingend zu einem Ergebnis, einer Parteimeinung kommen musste. Und so gehen wir auch bei anderen Themen vor. Als Humanisten wollen wir uns von Logik und Argumenten überzeugen (lassen) und nicht von beliebigen Meinungen oder dem Bauchgefühl. Wenn wir uns nicht entscheiden können, dann halt erst mal nicht.
Ein ganz anderes Thema: Wenn ich mir den Vorstand anschaue, dann bekomme ich den Eindruck, dass nicht nur die Partei, sondern vor allem ihre Mitglieder sehr jung sind. Täuscht das oder repräsentiert der Vorstand tatsächlich den Altersdurchschnitt der Partei?
Der Vorstand ist jünger als der Durchschnitt der Partei. In allen anderen Parteien wären wir noch in den Jugendorganisationen. (lacht)
In der gesamten Partei haben wir ein Durchschnittsalter von ungefährt 44,5 Jahren.
Was plant ihr für die Zukunft? Was sind eure nächsten Ideen, Schritte, um politisch wirksam zu werden?
Wir werden einen außerordentlichen Bundesparteitag im September durchführen, da geht es aber vorrangig um Satzungsfragen. Da werden wir auch versuchen, die Arbeit der Partei effektiver zu machen; die Strukturen aufzubauen, die dafür notwendig sind.
Danach wollen wir uns dann deutlicher auf unsere Kernthemen fokussieren: Säkularisierung, Bildung und Wissenschaft und die Menschenrechte. Das sind die drei Säulen unserer Partei. Hier wollen wir mehr Artikel schreiben, Kampagnen machen; damit wir bei diesen Themen deutlicher als politische Stimme wahrgenommen werden.
Habt ihr vor, in einem Parlament bei Wahlen anzutreten?
In der nächsten Zeit steht der Fokus erst einmal auf der Mitgliederwerbung. Wir wollen stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Doch noch bevor die Partei gegründet war, haben wir immer gesagt, dass wir eigentlich in Berlin die Wahl 2016 anstreben. Das wird wohl eher nicht mehr zu schaffen sein. Denn es gibt noch keinen Landesverband in Berlin.
Wider Erwarten hat sich die Partei in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg und in Bayern am schnellsten entwickelt. Wir sind jetzt aber bei dem Bundeswahlleiter und einigen Landeswahlleitern angemeldet, damit wir die Informationen bekommen, worauf wir achten müssen.
Parteisitz ist Berlin und wir wollen immer noch hier den ersten Versuch machen. Es wäre schon ein Erfolg für unsere Partei, wenn wir zur Wahl zugelassen werden würden.
Das Interview führte Frank Nicolai für den hpd.
2 Kommentare
Kommentare
René am Permanenter Link
Extrem vielversprechend! Ich verfolge die Entwicklung mit Spannung.
Wolf-Jürgen am Permanenter Link
Für mich als gbs- und BfG-Mitglied ein sehr folgerichtiges, sympathisches und unterstützenswert Konzept, zumal mit dem parteipolitisch einzigartigen Ziel der überfälligen Säkularisierung und “Aufklärung“!