Vertrauen organisieren – nach innen und außen

STUTTGART/BERLIN. (hpd) Der Humanistische Verband Deutschlands bereitet sich derzeit auf seine Bundesdelegiertenversammlung

vor. Sie findet am 7./8. Juni in Stuttgart statt. Im Vorfeld stellt der hpd vor, was in Stuttgart diskutiert und im Umfeld geplant ist. Dazu brachte er am Dienstag bereits ein Interview mit dem Präsidenten des HVD, Dr. Horst Groschopp. Heute veröffentlicht der hpd ein Interview mit der Generalsekretärin des HVD, Judith Huber.

hpd: Der HVD leistet sich eine „Generalsekretärin“ – wie kamen Sie zu diesem Job?

Huber
: Zunächst: Ich habe mich, als ich davon hörte, spontan beim HVD gemeldet, der, wie ich dann feststellte, seine Satzung geändert hat, um den „Job“, wie Sie sagen, zu ermöglichen. Ich bin seit Mitte Februar eine Auch-Generalsekretärin (etwa zwei Tage die Woche), denn ich führe meine Kanzlei weiter. Ich bin selbständige Rechtsanwältin u.a. für öffentliches Recht.

hpd: Was meinen Sie, hat den HVD bewogen, auf eine Juristin zu setzen?

Huber
: Er hat wohl erstens erkannt, dass man ab einer bestimmten Größe häufiger juristische Fragen lösen muss. Zweitens hat er wohl, jedenfalls hat man mir das so gesagt, die Notwendigkeit erkannt, dass der HVD mehr in das schwierige Geschäft der Vermittlung innerer Interessen und äußerer Darstellung investieren muss. Dies ist nicht einfach -- noch dazu als Seiteneinsteigerin. Das hat aber auch Vorteile. Jedenfalls steckt viel Vorschuss darin.

hpd: Kann Vertrauen „organisiert“ werden?

Huber
: Ja, Verlässlichkeit, Vernunft, Plausibilität, Interessendefinition, Sachlichkeit ... das sind keine „natürlichen“ Eigenschaften.

hpd: ... und Sie sind eine politische Person?

Huber:
Ja, Sozialdemokratin, und in verschiedenen anderen Vereinen tätig ...

hpd: Waren Sie schon einmal – wie so gesagt wird – in den tiefen Ebenen des humanistischen Verbandslebens?

Huber
: Das versuche ich kennen zu lernen. Ich war z.B. mit Horst Groschopp in Halle bei den Verhandlungen der dortigen humanistischen Regionalverbände mit denen der Jugendweihe. Da waren wir sozusagen beteiligte Vermittler. Der hpd hat ja darüber berichtet.
Erfahrungen von dort gingen übrigens in den Kooperationsvertrag des HVD mit Jugendweihe Deutschland e.V. ein, der der Bundesdelegiertenversammlung in Stuttgart vorgelegt wird.

hpd: Mit welchen Gedanken blicken Sie auf die bevorstehende Bundesdelegiertenversammlung in Stuttgart?

Huber
: Zunächst einmal wird es für mich in meiner Funktion als Generalsekretärin des Bundesverbandes sehr spannend sein, alle Delegierten aus den anderen Bundesländern kennen zu lernen. Bisher hatte ich nur Gelegenheit, die Geschäftsführer, einige der Vorsitzenden bzw. Präsidenten sowie einige mehr oder minder zufällig anwesende Mitglieder auf verschiedenen Sitzungen oder Tagungen der Akademie zu sprechen. Auf der Versammlung wird sich sicherlich die Gelegenheit bieten, meine bisherigen Kontakte zu vertiefen und neue zu knüpfen.

hpd: ... und worin könnte ein Erkenntnisgewinn bestehen?

Huber
: Gleichzeitig sehe ich, dass diese Versammlung die Unterschiede in der Struktur der einzelnen Landesverbände gerade im Hinblick auf die vorgeschlagenen Bundesrichtlinien aufzeigen wird. Manch einem wird der Text zu lang und zu juristisch sein. Andere wieder fürchten, dass die bisherigen Strukturen des eigenen Landesverbandes durch diese Richtlinien gestört werden. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir eine Verabschiedung der Richtlinien in Stuttgart erreichen können und sehe hierzu auch eine Notwendigkeit.

hpd: Warum halten Sie ausgerechnet „Bundesrichtlinien“ für nützlich?

Huber
: Gerade als Juristin denke ich immer an den schlimmsten Fall und halte es für sinnvoll, wenn man dann Richtlinien zur Hand hat, die in Zweifelsfragen den Entscheidungen und Handlungen eine Struktur und eine Nachvollziehbarkeit geben können. Wie immer, wenn ein vielgliedriger Verband solch eine Richtschnur haben möchte, lässt sich die Regelung von vielen Einzelheiten nicht vermeiden. Ich sehe meine Aufgabe als Generalsekretärin auch darin, bei einzelnen Fragen den Landesverbänden Hilfestellung im Alltag zu geben.

hpd: Was erwarten Sie im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit dieser Versammlung?

Huber
: Die von mir soeben genannten Bundesrichtlinien sind ein intern wichtiger Punkt, aber dienen sicherlich nicht dazu in der Öffentlichkeit bekannter zu werden. Mein Eindruck ist generell, dass im HVD viel gearbeitet, aber relativ wenig öffentlich darüber berichtet wird.

hpd: Welches Thema interessiert sie besonders?

Huber
: Eigentlich alles Juristische, unsere „Rechtspolitischen Positionen“, die Haltung zum Sonntag. Ganz wichtig ist unser Beitrag zu dem derzeitigen Gesetzgebungsverfahren betreffend der Patientenverfügungen. Die bisherige Praxis, wonach sich der Einzelne nicht hundertprozentig darauf verlassen konnte, dass sein niedergelegter Wille auch dann Beachtung findet, wenn er oder sie selbst die Durchsetzung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erreichen kann, muss aufhören.

hpd: Wieso soll die Debatte um das Ende ein Ende haben?

Huber
: Gerade ältere Menschen machen schon im Alltag häufig die Erfahrung, dass andere besser zu wissen glauben, was gut für sie ist, als sie selbst. Der HVD steht für ein selbst bestimmtes Leben am Ende des Lebens und respektiert die Entscheidung des Einzelnen, auch wenn diese für seine Umwelt nicht immer nachvollziehbar ist. Mit unserer Hilfestellung bei der Abfassung von Patientenverfügungen setzen wir uns nicht über die Vorstellungen des (späteren) Patienten hinweg und decken durch den umfassenden Fragebogen auch viele Bereiche ab, die einmal relevant werden können.

hpd: Wie sehen Sie das Problem des begleiteten Suizids?

Huber
: Wir scheuen uns in diesem Zusammenhang nicht, noch strittigere Fragen, wie die der ärztlich assistierten Hilfestellung zur eigenständigen Beendigung des Lebens, zu diskutieren. Daher wird das Präsidium – und wenn es nötig sein sollte, die Bundesdelegiertenversammlung – über den Umgang mit dem in den Niederlanden erschienenen und nunmehr übersetzten Buch der beiden Autoren Dr. P. Admiraal und Dr. B. Chabot: „Wege zu einem humanen selbst bestimmten Tod“ beschließen. Ich bin dafür, dass es über den HVD nach bestimmten qualitativen Sorgfaltskriterien, über die wir beraten und beschließen werden, bezogen werden kann. Dieses Buch kann, nach seinem Erscheinen, im Internet oder per Post bei uns bestellt werden für 25.- EURO plus Versandkosten – so der Plan. Ich vermute, der hpd wird über den Start berichten. Immerhin ist einer der Autoren, Dr. Pieter Admiraal, Träger des Berliner Humanismuspreises.

Das Interview führte

GG

Das Foto (Frank Spade) im Anhang, zeigt Judith Huber am 11. Januar 2008 am Rande der Festveranstaltung 15 Jahre HVD im Gespräch mit dem Bundespräsidiumsmitglied Wolfgang Lüder.