Rezension

Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert

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Der habilitierte Philosoph Andreas Edmüller liefert in seinem Buch "Verschwörungsspinner oder seriöser Aufklärer. Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert" aufklärerische Untersuchungskriterien zu derartigen Vorstellungen. Das Werk ist wie ein Lehrbuch strukturiert und motiviert zu einer eigenständigen Stoffaneignung. Angesichts der kursierenden Auffassungen, nicht nur im Internet, sind solche aufklärerischen Projekte überaus wichtig.

Das Internet ist voll von Verschwörungserzählungen. Dazu gehören häufig absonderliche Behauptungen, etwa die über eine Chemtrail- oder QAnon-Verschwörung. Es muss aber auch konstatiert werden, dass in Gesellschaft und Politik reale Verschwörungen auszumachen waren und sind. Diese Einsicht sollte die differenzierte und kritische Erörterung der absonderlichen Konspirationsdeutungen berücksichtigen. Denn die bloße Bekundung, es handele sich eben um "Quatsch" und "Spinnereien", ersetzt keine Untersuchung. Anregungen dazu trägt Andreas Edmüller, Privatdozent für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, vor. Er ist durch seine Bücher über "Manipulationstechniken" einem größeren Publikum bekannt geworden. Darin schärfte er den Blick der Leser dahingehend, Argumentationsmuster aus Arbeitsalltag, Politik oder Privatleben kritisch zu hinterfragen. In seinem neuen Buch "Verschwörungsspinner oder seriöse Aufklärer? Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert" geht es nun um die titelgebenden Vorstellungen.

Cover

Der Autor will darin seinen Lesern eine argumentative Untersuchung von "Verschwörungstheorien" nahebringen. Er nutzt dabei den genannten Begriff, der sowohl auf belegbare gute wie fiktive schlechte Theorien bezogen sein soll. Hier wären vielleicht unterschiedliche Bezeichnungen sinnvoll gewesen, um eben den ideologischen Charakter der Letztgenannten auch klar zu kennzeichnen. Da Edmüller aber auch hier danach fragt, was eine seriöse Theorie ist und er sie eben von einer unseriösen Theorie unterscheiden möchte, bleibt er bei diesem Verständnis. Sein Werk ist ansonsten wie ein Lehrbuch mit einzelnen Lektionen aufgegliedert. Es hat eine klare inhaltliche Struktur, die jeweiligen Erkenntnisse werden bilanzierend zusammengefasst und durchgängig geht es beispielhaft um die gleichen Verschwörungstheorien. Abgerundet wird jedes Kapitel mit einschlägigen Literaturhinweisen zur Vertiefung. Allein dies veranschaulicht den hohen Gebrauchswert deutlich, welcher durch eine systematische Erarbeitung des präsentierten Stoffs entstehen kann.

Der Inhalt wird am besten durch die Kapitelüberschriften vermittelt: "Warum sollten wir Verschwörungstheorien ernst nehmen?", "Was ist eigentlich eine Theorie?", "Die Sache mit der Begründungslast und der Plausibilität", "Daten und Belege: Worauf kommt es an?", "Kann man eine Theorie zwingend beweisen?", "Kann eine Theorie zwingend widerlegt werden?", "Besser als andere" und "Intellektuelle Redlichkeit". Damit wird bereits deutlich, dass es um die formale Argumentationsweise und die erhobenen Gültigkeitsansprüche geht. Es wird denn auch mit einer Art Checkliste gearbeitet, gibt es doch etwa Fragen wie die folgenden: "Wie groß ist die Beweis- bzw. Plausibilisierungslast der Theorie?", "Welche Qualität weisen die Daten und Belege der Theorie auf?" oder "Ist die Theorie in sich stimmig?" Demnach nimmt der Autor die gemeinten Deutungen ernster als allgemein bei Kritikern üblich. Er stellt sie dabei aber auch gerade hinsichtlich der Beweislast unter Legitimationsdruck, was wiederum hier für ein Spezifikum steht.

Durch das Buch hindurch zieht sich dabei die Erörterung von drei Verschwörungstheorien: Chemtrails, QAnon und Watergate. Ob diese Beispiele nicht zu einseitig gewählt wurden, kann berechtigt kritisiert werden. Denn die Absurdität der Chemtrail-Vorstellung ist doch weit bekannt, ebenso die Realität der Watergate-Verschwörung. Demgegenüber wäre die Auseinandersetzung mit etwas komplizierteren und offenen Fällen wünschenswert gewesen. Aber vielleicht kommt das noch, denn hier geht es um "Dossier Verschwörungstheorie. Band 1", was mindestens noch einen Band 2 erwarten lässt. Das bereits vorliegende Buch enthält indessen zahlreiche Fragen und Prüfkriterien, welche die kritische Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien ermöglicht. Dabei geht es bei den Aussagen um die Belegbarkeit und Stimmigkeit, aber auch die Beschreibung der angeblichen Konspiration als konkretes Projekt. Die Aufarbeitung des Stoffs kann auch selbstkritische Wirkungen entfalten, müssen doch alle Aussagen mit dem genannten Kriterienkatalog prüfbar sein.

Andreas Edmüller, Verschwörungsspinner oder seriöse Aufklärer? Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert, Remscheid 2021, Rediroma-Verlag, 319 Seiten, 14,95 Euro

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