Homöopathiebeschluss des Bundesärztetages

Jetzt aber!

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Das Jahr 2018 brachte eine Enttäuschung für die Kritiker der Homöopathie: Obwohl das vorher sowohl in Fachkreisen wie der Allgemeinheit vieldiskutierte "Münsteraner Memorandum Homöopathie" die Abschaffung der "Zusatzbezeichnung Homöopathie" in der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer eingefordert hatte, befasste sich der Bundesärztetag in Erfurt gar nicht erst mit diesem Thema. Dem Vernehmen nach war dem damaligen Ärzteschaftspräsidenten gegen Ende seiner Amtszeit an einer so kontroversen Debatte wenig gelegen. Nun hat der Bundesärztetag 2022 mit großer Mehrheit diesen überfälligen Schritt nachgeholt.

Er läuft damit sozusagen der realen Entwicklung hinterher: 2018, zum Zeitpunkt des damaligen Bundesärztetages, war die Homöopathie noch in sämtlichen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern verankert. Eigentlich war die Absicht der Homöopathiekritik, über eine Änderung der Musterweiterbildungsordnung einen Anstoß dafür zu erreichen, dass die Landesärztekammern ihre Positionen überdenken. Wie sich zeigte, war das dafür gar nicht nötig. Seit 2019 bis heute haben bekanntlich 12 von 17 Landesärztekammern ganz von sich aus die Homöopathie aus ihren Weiterbildungsordnungen gestrichen.

Die Begründungen sind im Wesentlichen gleich: die Homöopathie als nicht wissenschaftlich fundierte Methode – ohne plausible Grundhypothese und folgerichtig auch gescheitert am empirischen Experiment, den klinischen Studien – kann nicht den Anspruch der ärztlichen Weiterbildungsordnungen erfüllen, auf wissenschaftlicher Basis zu agieren.

Was bedeutet nun dieser Beschluss der Bundesärztekammer für die Praxis?

Zunächst handelt es sich um ein großes und immens wichtiges Signal in viele Richtungen: in die der organisierten ärztlichen Homöopathie (der Zentralverein homöopathischer Ärzte ist übrigens keine formelle ärztliche Fachgesellschaft), in Richtung Politik und auch an alle, die sich bislang von den vollmundigen Behauptungen der Homöopathie-Lobby haben verunsichern lassen. Mit der Änderung der Musterweiterbildungsordnung haben die Homöopathen die für sich vielleicht zweitwichtigste Reputation nach vielen Jahrzehnten verloren: die Verankerung in der Ärzteschaft. Zur wichtigsten kommen wir ganz unten.

Es ist ein pikantes Detail, dass zeitgleich zum Bundesärztetag der Homöopathische Ärztekongress 2022 stattfindet. Die "Wissenschaftlichkeit" der Homöopathie ist dabei gar eines der Leitthemen. Das Statement des Zentralvereins, sozusagen mitten aus dem Kongress heraus, enttäuscht vor dem Hintergrund dieses Anspruches einmal mehr: beschworen werden wieder einmal die ach so große Beliebtheit der Methode (die so groß vermutlich gar nicht ist und mit belegter Wirksamkeit genau gar nichts zu tun hat) und die immer wieder angeführten vielen Studien, die "einen Nutzen" der Homöopathie klar belegen würden. Bemerkenswert ist, dass hier nicht von "Wirksamkeit" gesprochen wird: ein Absicherungsmanöver. Gemeint sind nämlich gar keine klinischen Anwendungsstudien hoher Qualität, sondern sogenannte Beobachtungsstudien (Versorgungsstudien), die vielleicht den einen oder anderen subjektiv empfundenen "Nutzen" belegen mögen, systemisch für den Nachweis der Wirksamkeit einer Intervention jedoch gänzlich ungeeignet sind (sie erfragen die Akzeptanz von Mitteln und Methoden bei Patienten "im Freifeld", um soziologische und psychologische Faktoren von Medizin in der Praxis zu evaluieren).

Niemand in der Ärzteschaft verliert allerdings seine schon erworbene Zusatzbezeichnung. Und im Rahmen der Therapiefreiheit ist es weiterhin grundsätzlich keinem Arzt verwehrt, Homöopathie einzusetzen. Gern übergangen wird allerdings beim Beschwören der Therapiefreiheit, dass diese auch ihre Grenzen hat, vor allem in der ärztlichen Ethik. Die Anwendung von Mitteln und Methoden, deren medizinischer Wert nach dem wissenschaftlichen Konsens gegen Null geht, ist selbstverständlich a priori ein ethisches Problem. Sie könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein wirklicher informed consent gewährleistet ist – aber wie sollte der zustande kommen, wenn der/die TherapeutIn selbst von einer spezifischen Wirksamkeit überzeugt ist? Objektiv gesehen führt dies zu einer mit ärztlicher Ethik unvereinbaren Täuschung der PatientInnen.

Placebo ist dabei nicht das Thema, denn gerade die ärztlichen Homöopathen weisen die Placebo-Rechtfertigung ihrer Methode zurück, sie bestehen mit Nachdruck darauf, eine spezifische Arzneimitteltherapie anzuwenden – und sind damit in der Mausefalle zwischen fachlichem Irrtum und ethischer Unvertretbarkeit. Das wird das große Problem der homöopathisch orientierten Ärzteschaft werden, wenn sie sich nicht mehr auf "guten Glauben" wie zum Beispiel "durch Anerkennung in der Ärzteschaft" berufen kann, wie dies noch 2018 nach dem aus ihrer Sicht glimpflich verlaufenen Ärztetag zu vernehmen war.

Nur noch fünf Landesärztekammern für die Homöopathie

In einer ähnlichen Zwickmühle sind nun die fünf Landesärztekammern, die sich im Gegensatz zu zwölf weiteren in den Beratungsrunden seit dem letzten Bundesärztetag 2018 für die Homöopathie ausgesprochen haben. Sie werden nicht umhinkommen, sich zu fragen, ob sie nicht doch falsch abgebogen sind. Es wird kaum haltbar sein, dass nach der Streichung in der Musterweiterbildungsordnung diese kleine Handvoll auf der Homöopathie-Fortbildung beharrt. Und das ist auch nicht zu erwarten, zumal darunter solche sind, bei denen sich die Homöopathie ohnehin nur mit knapper Mehrheit über die Runden gerettet hatte.

Damit wäre die 1958 (in der Landesärztekammer Bayern) begründete, jahrzehntelang unhinterfragt existierende Verankerung in der Ärzteschaft im Wesentlichen reduziert auf die wenigen Inhaber der "ärztlichen Zusatzbezeichnung Homöopathie"; das sind derzeit rund 5.054 von etwa 135.000 aktiven niedergelassenen ÄrztInnen (laut Statistik der Bundesärztekammer von Ende 2021). Wir glauben übrigens nicht, dass davon alle wirklich überzeugt von der Homöopathie sind – und denken dabei nicht allein an Dr. Natalie Grams-Nobmann, die ja auch die Zusatzbezeichnung zu führen berechtigt ist.

Und die oft so zentral diskutierte Kostenerstattung durch die Kassen? Die ist vom Beschluss der Bundesärztekammer natürlich nicht direkt betroffen, aber den Kassen gehen auch die Argumente verloren, mit denen sie "ihre" Homöopathie verteidigen, wenn sich die Ärzteschaft so eindeutig positioniert. Und um wie angekündigt zur wichtigsten Reputation der Homöopathie zu kommen: vor allem muss sich der Gesetzgeber jetzt bewegen und den Anachronismus beenden, der Homöopathie (und der Anthroposophie) die Arzneimitteleigenschaft ohne wissenschaftlichen Wirkungsnachweis zu garantieren. Fällt die Arzneimitteleigenschaft, lösen sich auch gleich daran gekoppelte Probleme wie die Apothekenpflicht und die Erstattungsmöglichkeit für die Kassen.

Was aber vielleicht das Wichtigste dabei ist: der Homöopathie würde dann die Möglichkeit genommen, sich mit der Rückendeckung durch das Arzneimittelgesetz weiterhin als "bewährte Therapieform" oder gar als "Alternative zur 'Schulmedizin'" in den Köpfen der KonsumentInnen festzusetzen. Ein Umstand, der jahrzehntelang nach begründeter Überzeugung der wissenschaftsbasierten Homöopathiekritik Schaden angerichtet und Gesundheitskompetenz untergraben hat. Wird dieser im Sinne des Patientenwohls und des Patientenschutzes unumgängliche Schritt nun bald folgen? Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat die Entscheidung der Bundesärztekammer auf Twitter bereits ausdrücklich begrüßt und der Homöopathie eine Rolle innerhalb der Medizin klar abgesprochen. #Globukalypse now!

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