Der Glaubenshüter und die Buchführung

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Kardinal Gerhard Ludwig Müller
Kardinal Gerhard Ludwig Müller

Die Gerüchteküche brodelte, als Kardinal Gerhard Ludwig Müller vor sechs Jahren überraschend sein Amt als Präfekt des Glaubensdikasteriums im Vatikan verlor. Warum Papst Franziskus 2017 die Amtszeit Müllers als oberster Glaubens- und Sittenhüter der katholischen Kirche nicht verlängerte, darüber gab es mannigfache Spekulationen. Als Grund vermuteten viele Beobachter theologische Differenzen zwischen dem erzkonservativen Kardinal und dem Papst, der in katholischen Kreisen als Modernisierer galt. Ein jetzt veröffentlichter Beitrag auf der US-Nachrichtenseite The Pillar weist in eine andere Richtung: Demnach sei es um Müllers fragwürdigen Umgang mit Finanzen gegangen.

Unter seiner Leitung habe das Dikasterium mehrere hunderttausend Euro "entweder veruntreut, nicht ordnungsgemäß dokumentiert oder anderweitig nicht verbucht", heißt es darin. The Pillar beruft sich dabei auf mehrere anonyme Quellen aus dem Umfeld der ehemaligen Glaubenskongregation und anderer Behörden im Vatikan. Demnach sollen Fahnder des vatikanischen Wirtschaftssekretariats enorme Summen Bargeld in den Büros der Glaubensbehörde vorgefunden haben. Ein Zeuge spricht von "surrealen" Szenen: So hätten die Fahnder einen Mitarbeiter des Dikasteriums beim Versuch überrascht, Einkaufstüten voll Bargeld aus den Büros zu schaffen. Die Rede ist von mehreren tausend Euro, die so aus dem Blickfeld verschwinden sollten, zitiert The Pillar den Ermittler.

Weiter hätten die Fahnder eine Überweisung von 200.000 Euro auf Müllers Privatkonto entdeckt – Geld, das eigentlich auf das Konto der Kongregation gehörte. Der Kardinal versuchte, dies durch einen "Schreibfehler" bei der Kontonummer zu erklären. "Unglaubwürdig", urteilten die Ermittler. Dass der Kardinal zudem auch einen wertvollen antiken Konferenztisch aus dem Bestand des Heiligen Stuhls an einen befreundeten Antiquitätenhändler weitergegeben und dann für mehrere zehntausend Euro einen neuen Tisch bestellt haben soll, erscheint dagegen fast wie Peanuts.

Entdeckt wurde all dies durch eine Untersuchung des vatikanischen Wirtschaftssekretariats im Sommer 2015, heißt es. Noch im selben Jahr habe der Chef des Wirtschaftssekretariats, Kardinal George Pell, den Papst informiert. Zwar musste Müller daraufhin das Geld zurücküberweisen, weitere Sanktionen gegen ihn blieben zunächst jedoch aus. Erst zwei Jahre später habe Müller die Folgen zu spüren bekommen. Dass Papst Franziskus von seiner Berufung zu einer weiteren Amtszeit absah, sei den Quellen zufolge auf Müllers fragwürdigen Umgang mit Einnahmen zurückzuführen.

Aber woher stammten die Gelder? Zur Herkunft der aufgefundenen Bargeldsummen beruft sich The Pillar auf Quellen aus dem Umfeld des Glaubensdikasteriums. Demnach handele es sich um sogenannte "taxa", Einnahmen aus Verwaltungsgebühren, die die Behörde für die Bearbeitung von kirchlichen Disziplinarverfahren erhebt. Etwa bei Fällen von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker oder bei der Auflösung von Eheschließungen. Das Dikasterium hätte schon immer kleinere Beträge als Portokasse in bar aufbewahrt, so zitiert The Pillar einen dortigen Mitarbeiter. Erst nach dem Fortgang von Müllers Vorgänger habe sich das Geld angehäuft.

Indes bestätigte der Kardinal gegenüber der katholischen Tagespost, dass zwar Gelder der Kongregation zwischen verschiedenen Konten hin- und hergebucht worden seien. Auch habe die Behörde mit ungewöhnlich großen Mengen an Bargeld hantiert. Trotzdem beteuert er, dass dabei "unter dem Strich kein Cent verloren ging". Und die Sache mit dem antiken Tisch? Der sei ohnehin baufällig gewesen und in Absprache mit dem Heiligen Stuhl entfernt worden. Das Geld für neue Möbel habe Müller durch Fundraising aufgetrieben.

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