LUXEMBURG. (hpd) In Luxemburg haben sich mehrere säkulare Initiativen zusammengeschlossen, um eine Petition für die Trennung von Kirche und Staat zu lancieren. Wieso die Trennung von Kirche und Staat längst überfällig ist und wie erfolgreich sich die Petition, die am 11. Mai 2010 startete, bereits zeigt, erzählt Manuel Huss, einer der Initiatoren von trennung.lu, im hpd-Interview.
hpd: Gab es einen speziellen Anlass, gerade jetzt eine Petition für die Trennung von Staat und Kirche in Luxemburg zu starten?
Manuel Huss: Die Frage „Wieso gerade jetzt?“ scheint ziemlich beliebt zu sein, dabei müsste es doch viel eher heißen: „Wieso erst jetzt?“ Nun gibt es für eine Trennung von Kirche und Staat ja sehr gute prinzipielle Argumente, dazu gekommen sind aber im Laufe der letzten Monate einige situative Faktoren. In der Luxemburgischen Verfassung steht unter Artikel 20, dass niemand dazu gezwungen werden kann, auf welche Weise auch immer eine Religion zu unterstützen. Durch dieselbe Verfassung ist aber leider auch die Finanzierung der Kirche durch den Staat geregelt. In der Praxis bedeutet das, dass jeder Steuerzahler, ob gläubig oder nicht, ob Mitglied einer Glaubensgemeinschaft oder nicht, oder ob er mit der Politik der Kirche einverstanden ist oder nicht, für den Unterhalt der Glaubensgemeinschaften aufzukommen hat. Diese weltanschauliche Ungerechtigkeit ist nur durch eine finanzielle Trennung von Kirche und Staat aus der Welt zu schaffen.
Neben diesem grundsätzlichen Anlass hat die Kirche in den letzten Monaten selber für einige zusätzliche Argumente gesorgt. Da ist natürlich zunächst der Skandal um die Vertuschung von Kindesmissbrauch, wobei Luxemburg in dieser Frage sicherlich keine Insel ist. Da ist aber auch die zweifelhafte Rolle der Kirche in der Sterbehilfe-Debatte (2008). Die katholische Kirche ist heute – um es wohlwollend zu umschreiben – eine umstrittene Organisation. Dass der Staat einen solchen Verein nicht subventionieren und privilegieren sollte, müsste doch eigentlich selbstverständlich sein. Ein weiterer Aspekt ist dann aber auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise. In deren Rahmen soll nun überall eingespart werden, nur ein einziger Bereich scheint den Sparplänen der Regierung entgangen zu sein: Die Finanzierung der Glaubensgemeinschaften. Dies trifft bei vielen Bürgern auf Unverständnis, zumal die Kirche steinreich ist und sich ohne weiteres selber finanzieren könnte. Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass der spezielle Anlass ganz einfach darin besteht, dass die Trennung von Kirche und Staat in Luxemburg längst überfällig ist.
hpd: Welche Situation finden wir in Luxemburg vor, d.h. inwieweit wird die Kirche vom Staat unterstützt?
Huss: Diese Frage im Detail zu beantworten würde den Rahmen des Interviews sicherlich sprengen, weshalb ich hier nur grob auf die zentralen Pfeiler dieser Unterstützung eingehen kann. Die „Liberté de Conscience“ (Libco) versucht seit Jahren, die Gesamtsumme zu ermitteln, was die Finanzierung der Religionen betrifft. Diese ist jedoch derart intransparent geregelt, dass eine genaue Einsicht ein Ding der Unmöglichkeit ist. Aktuelle Schätzungen der Libco gehen von rund 80 + X Millionen € jährlich aus. Inbegriffen sind in dieser Rechnung die Gehälter der Geistlichen, deren Ausbildung und Renten, die Gehälter der Religionslehrer in der Grundschule sowie die Finanzierung der Kirchenfabriken durch die Kommunen. Dazu gerechnet werden müssen noch Subventionen in Millionenhöhe für katholische Privatschulen, Krankenhäuser usw. sowie beispielsweise auch die Pressehilfe für die größte luxemburgische Tageszeitung (das Luxemburger Wort), die dem Bistum gehört, und mit dem Leitspruch „für Wahrheit und Recht“ konsequent jede Kirchen- und Religionskritik totschweigt.
hpd: Welchen Rückhalt finden Religion und Kirche insgesamt in der Luxemburger Bevölkerung?
Huss: Die Kirche spielt in Luxemburg eine ähnliche Rolle wie die Festung der Stadt Luxemburg. Diese hat ihre ursprüngliche Rolle als militärischer Schutzwall längst verloren, dient jedoch als Touristenmagnet. Auch die Kirche hat ihre ursprüngliche Rolle als moralischer Wegweiser längst eingebüßt, genießt aber in traditionellen und zeremoniellen Fragen weiterhin einen großen Zuspruch. Eine große Mehrheit der Luxemburger hat sich gegen den entschiedenen Widerstand der Kirche für die Depenalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen.
Die Zahl der regelmäßigen Kirchengänger liegt bei rund 5 %. Trotzdem schickt die Mehrheit der Eltern ihre Kinder weiterhin in den katholischen Religionsunterricht, und in zeremoniellen Fragen verfügt die Kirche in Luxemburg über eine Monopolstellung. Sehr beliebt sind auch die christlichen Feiertage. Ob eine Trennung von Kirche und Staat auch die Abschaffung der Feiertage bedeuten würde, lautet die Frage, mit der wir zur Zeit am häufigsten konfrontiert werden. Sieht man von ihrer Funktion als Dienstleister für Zeremonien ab, so hält sich das Interesse der Luxemburger an Religion doch ziemlich in Grenzen, ebenso wenig sind sie aber auch für Religionskritik zu begeistern.
hpd: Wieviele haben eure Petition bisher unterschrieben?
Huss: Gestartet haben wir die Petition am 11. Mai. Drei Tage später hatten wir 1000 Unterschriften eingefahren. Nach knapp zehn Tagen waren es bereits 3000. Mittlerweile sind wir bei mehr als 3600 angelangt, wobei man bedenken muss, dass diese Unterschriften exklusiv im Internet gesammelt wurden. Da sich die Papier-Version weitaus langsamer verbreiten lässt, ist es noch recht schwer, einzuschätzen, wie viele Luxemburger sich inzwischen hinter die Initiative gestellt haben. 3600 Unterschriften in zwei Wochen lassen uns jedoch hoffen, dass noch weit mehr möglich ist.
hpd: Welche Resonanz erzielt ihr ansonsten mit eurem Anliegen?
Huss: Die Resonanz in den Medien ist bisweilen ganz in Ordnung. Die Berichterstattung über unser Anliegen fiel zwar größtenteils eher knapp aus, die Initiative fand aber in fast allen luxemburgischen Medien Erwähnung (selbstverständlich mit der Ausnahme des Luxemburger Wort). Auch in sozialen Netzwerken liegen wir gut im Rennen. Auf Facebook haben sich bereits mehr als 3000 Luxemburger unserer Sache angeschlossen. Eine repräsentative Umfrage hatte 2009 ergeben, dass 60 % der Luxemburger für eine Trennung von Kirche und Staat sind (dies bei nur 18 % Ablehnung). Dass wir mit unserer Initiative Zuspruch finden, ist von daher auch gar nicht verwunderlich.
Das Problem besteht vielmehr darin, dass unser Anliegen es nicht auf die Agenda der politischen Parteien schafft. Mit einer CSV (Christlich Soziale Volkspartei) als Regierungspartei, die im Parlament 26 von 60 Sitzen inne hat, und den anderen Parteien, die zwar eher für eine Trennung sind, jedoch zur Zeit ganz andere politische Prioritäten haben, scheint ein Weiterkommen über institutionelle Wege momentan eher unwahrscheinlich. Von daher sind wir darauf angewiesen, eine laizistische Bürgerbewegung ins Rollen zu bringen, um so den nötigen Druck auf die Politik aufzubauen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, denn die Tatsache, dass wir viele Luxemburger auf unserer Seite haben, bedeutet noch lange nicht, dass sich auch alle öffentlich dafür einsetzen wollen. Schätzungsweise mehr als ein Drittel der bisherigen Unterzeichner haben es bevorzugt, die Petition anonym zu unterzeichnen. Viele Luxemburger scheinen einfach Angst zu haben, durch offene Kritik an der Kirche gesellschaftlich, beruflich oder in anderer Weise benachteiligt zu werden.
hpd: Was habt ihr mit der Petition vor, d.h. wie wollt ihr sie verwenden?
Huss: Wir wollen die Petition auf jeden Fall im Parlament einreichen. Zu welchem Zeitpunkt das sein wird, steht noch offen. Unser primäres Ziel besteht jedoch darin, die Bürger über die weltanschauliche Ungerechtigkeit in Luxemburg aufzuklären und die Trennung von Kirche und Staat auf die politische Agenda zu setzen.
hpd: Wer seid "ihr", wer steckt hinter der Petition?
Huss: „Wir“, das ist zunächst „Sokrates.lu“. Dabei handelt es sich um eine Internet-Initiative, die ich zusammen mit zwei anderen Politologie-Studenten vor rund drei Jahren gegründet habe, um vor allem im Bereich von Tabu-Themen in Luxemburg kontroverse Diskussionen anzustoßen. Beispielsweise haben wir letztes Jahr zusammen mit der Liberté de Conscience die Austritts-Kampagne „Fraiheet.lu“ initiiert, die für einigen Wirbel sorgte. Mittlerweile haben sich über unsere Initiative bereits 1700 Luxemburger aus der Kirche verabschiedet. Auch bei der Petition stand uns die Liberté de Conscience wieder von Anfang an zur Seite. Inzwischen haben sich aber fünf weitere Organisationen dazugesellt. Das sind neben der Studenten-Organisation UNEL, die Jugendorganisationen der politischen Parteien, konkret: Die grüne Jugend, die Jungsozialisten, die jungen Demokraten und die junge Linke. Von ihnen erhoffen wir uns, den Druck auf die politischen Parteien erhöhen zu können. Hoch erfreut sind wir aber auch darüber, dass sich vereinzelte prominente Politiker dazu bereit erklärt haben, öffentlich für unser Anliegen zu werben.
hpd: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Fiona Lorenz
Zur Petition: trennung.lu, sie sollte jedoch möglichst nur von Luxemburgern unterschrieben werden!