POLEN. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht. Im Februar begann in Polen die heiße Phase des Wahlkampfs zum Europaparlament, die am 25. Mai stattfinden wird. Dabei kämpfen zwei konservative Parteien um den Sieg, linke und liberale Kräfte sind weit abgeschlagen.
Obwohl in den letzten Monaten die Ereignisse in der Ukraine das alles beherrschende Thema war, interessieren sich die Polen beständig auch für den Wahlkampf zum Europaparlament. Mitte Februar legte Präsident Bronislaw Komorowski den 25. Mai als Tag der Stimmabgabe fest. Dieses Datum sorgt zusätzlich für Interesse, denn kurz davor – am 1. Mai – feiern die Polen zehnjährige Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Seit dem EU-Beitritt hat sich auf der Politikszene in dem Land jenseits von Oder und Neiße jedoch Vieles getan. Ein Blick auf die Grundstruktur der polnischen Politik hilft, die aktuellen Entwicklungen besser zu verstehen.
Rechts der Mitte
Die polnische Politszene ist im Grunde tief geteilt zwischen zwei konservativen Parteien: Auf der einen Seite ist die liberalkonservative Bürgerplattform (PO), die seit 2007 mit der Bauernpartei PSL in einer Koalition regiert. Auf der anderen Seite steht die klerikalkonservative Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS), die in einer kurzen Zeit zwischen 2005 und 2007 die Regierung stellte und eine nicht zu unterschätzende Bedeutung in der öffentlichen Meinungsbildung spielt.
Eine politische Meinung bildet sich die polnische Gesellschaft überwiegend nicht durch Sachargumente, die gegeneinander aufgewogen werden, denn Sachthemen werden kaum ernsthaft diskutiert. Was zählt sind Namen, Beziehungen und Popularität. Die Zeit vor Wahlen bildet da keine Ausnahme – Wahlprogramme werden nicht ernsthaft diskutiert. Welcher Politiker eine Wahl gewinnt, hängt oft von seinem Bekanntheitsgrad oder dem Listenplatz ab.
Einer der Gründe ist, dass eigentlich politikinteressierte Menschen aufgrund der polemisch geführten Diskussion im Lande resignieren und sich auf das private Glück konzentrieren. Dementsprechend sind die Politik und die Politiker an sich extrem unbeliebt. Ein weiterer Teil der Bevölkerung zählt zu den Transformationsverlierern und lässt sich besonders leicht durch Populisten ködern. Das geringe Bildungsniveau dieser großen Gruppe tut ihr Übriges. Darüber hinaus ist diese Bevölkerungsschicht der katholischen Kirche besonders verpflichtet, die im erheblichen Umfang zur politischen Meinungsbildung beiträgt.
Daher wissen die Polen auch nicht, in welcher Fraktion ihre EU-Parlamentarier sind und was sie dort machen. Wenn sich diese zu politischen Themen äußern, dann betrifft das nahezu ausnahmslos Themen, die für die polnische Innen- und Außenpolitik bedeutend sind. Europäische Politik wird nicht gemacht.
Kaum verständliche Wahlordnung und geringe Wahlbeteiligung
Hinzu kommt die komplizierte Wahlordnung, die die Teilhabe an den Europawahlen nicht gerade fördert. Denn Polen hat ganze 13 Listen für jede der für die Wahlen registrierten Partein, die auf 13 Wahlbezirke verteilt sind, wohingegen in den meisten anderen europäischen Ländern nur eine Liste pro Partei registriert wird. Zudem verkompliziert die geltende Fünf-Prozent-Hürde sowie unterschiedliche Sitzzuteilungsmethoden, die auf das Gesamtwahlergebnis einer Partei (D’Hondt) und auf die Ergebnisse ihrer einzelnen Listen (Hare-Niemeyer-Verfahren) angewendet werden. Wie viele Parlamentarier einer Liste ins Europaparlament kommen, hängt von der Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlkreisen ab. Nicht verwunderlich ist daher, dass die Wahlbeteiligung bei Europawahlen besonders niedrig ist. Im Jahre 2009 waren lediglich rund 25 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahlurne, damit war nur in Litauen (21%) und in der Slowakei (19,6%) die Wahlbeteiligung niedriger. Deutschland lag 2009 indes mit 43 Prozent im EU-Durchschnitt.
Positionierungen und Trends vor den Wahlen
Die Partei des Rechtspopulisten Jaroslaw Kaczynski (Recht und Gerechtigkeit - PiS) war seit 2007 in Umfragewerten und bei Wahlen zweitstärkste Kraft. Seit einigen Monaten ändert sich das Bild jedoch: PiS holt auf und führt in Umfragen knapp vor der regierenden Bürgerplattform (PO). Flügelkämpfe innerhalb der PO, Fehltritte der Regierung sowie die immer weiter auseinander driftende Gesellschaft mit einem starken Ost-West-Gefälle und einer kleinen Mittelschicht sind die Hauptursachen für diesen Trend.
Ferner haben andere Parteien kaum Rückhalt in der Bevölkerung. Der Bund der Demokratischen Linken (SLD) ist drittstärkste Kraft mit circa zehn Prozent in Umfragen. Die Bauernpartei PSL liegt beständig über der Fünf-Prozent-Hürde und die linksliberale Partei “Deine Bewegung” (TR) kommt kaum über diese. Europa Plus, die letztes Jahr gegründete linksliberale Bewegung, will sich als Alternative zur SLD positionieren, ist jedoch in Umfragen von äußerst geringer Bedeutung, genauso wie kleine Splitterparteien am rechten Rand.
Wahlausgang ungewiss?
Erwartet wird bei der Europawahl aufgrund der Rechtslastigkeit der politischen Szene in Polen ein klarer Sieg von konservativen Partei. PO und PiS liefern sich ein klares Kopf-an-Kopf-Rennen. Anfang Februar ergab eine Umfrage von TNS Polska, dass 25 Prozent der Befragten PiS bei den kommenden Europawahlen wählen wollen, 20 Prozent PO sowie 11 Prozent eine Koalition aus TR, Europa Plus und weiteren kleineren Parteien und Bewegungen. PSL würde demnach auf sechs Prozent kommen.
Damit würden circa vier Fünftel der 51 Plätze für Polen im Europaparlament an die liberalkonservative Bürgerplattform und die klerikalkonservative Recht und Gerechtigkeit gehen.
Lukas Plewnia