In Polen herrscht striktes Abtreibungsverbot. Wenn Ärzte dennoch einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, müssen sie mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen. Ausnahme: Wenn das Leben der Frau durch Komplikationen bedroht ist. Im "Fall Izabela" warteten die Mediziner zu lange, und die Frau starb. Jetzt wurden sie von einem Gericht verurteilt – wegen fahrlässiger Gefährdung der Patientin.
Der Fall sorgte 2021 in Polen für Aufsehen: Eine 30-jährige Schwangere starb, weil Ärzte die Abtreibung zu lange hinauszögerten. Jetzt hat ein Gericht die drei Mediziner wegen fahrlässiger Gefährdung eines Patienten verurteilt. Zwei Gynäkologen müssen für 15 beziehungsweise 18 Monate ins Gefängnis, der Stationsleiter kam mit einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung davon. Für alle drei Angeklagten verhängte das Gericht ein Berufsverbot von vier beziehungsweise sechs Jahren. Das teilte die Anwältin der Hinterbliebenen, Jolanta Budzowska, am 17. Juli auf der Plattform X mit. Der Tod der Schwangeren, in Berichten Izabela genannt, hatte landesweit Proteste gegen das strenge Abtreibungsverbot ausgelöst und die Debatte um eine Legalisierung neu angefacht.
Izabela war in der 22. Schwangerschaftswoche mit schweren Komplikationen in das Krankenhaus der südpolnischen Stadt Pszczyna eingeliefert worden. Dort starb sie wenig später an einem septischen Schock. Zuvor hatten die Ärzte einen Riss in der Fruchtblase festgestellt, zudem wies der Fötus schwere Fehlbildungen auf. Da dennoch weiterhin der Herzschlag feststellbar war, sahen die Ärzte davon ab, die Geburt einzuleiten oder einen Kaiserschnitt vorzunehmen. Dies erfolgte erst, nachdem das Herz des Fötus aufgehört hatte zu schlagen.
Bereits kurz nach ihrem Tod äußerte ihre Familie die Ansicht, die Ärzte hätten hinsichtlich der Abtreibung eine "abwartende Haltung" an den Tag gelegt. Sie hätten "fast nichts" unternommen, "um das Leben Izabelas zu retten", sagte auch Budzowska der Nachrichtenagentur PAP.
Polen hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in ganz Europa. In dem katholisch geprägten Land ist der Abbruch nur erlaubt, wenn die Schwangerschaft auf ein Verbrechen wie Vergewaltigung oder Inzest zurückgeht beziehungsweise Leben oder Gesundheit der Frau gefährdet. Während die Frau straffrei bleibt, riskieren Ärzte und Pflegepersonal eine Haftstrafe bis zu drei Jahren.
Diese Bedrohung lässt offenbar viele Mediziner zögern – mitunter mit tragischen Folgen. Schon 2024 machte die damalige polnische Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna auf dieses Problem aufmerksam. Sie sagte, dass die Mehrheit der Ärzte und Krankenhäuser derzeit die Regelungen missachten würden, die eine frühe Abtreibung auf Basis einer medizinischen Empfehlung erlauben würde. Stattdessen würden häufig andere Meinungen eingeholt, während die Zeit ablaufe.
Die liberale Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk ist angetreten, Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zu erlauben. Die vorherige nationalkonservative Regierung hatte das Verbot 2020 sogar noch verschärft. Seitdem werden Abtreibungen auch bei schwerer Fehlbildung des Fötus verfolgt. Nachdem eine erste Parlamentsabstimmung über die Entkriminalisierung 2024 gescheitert war, hat die Regierung neue Leitlinien zur Lockerung vorgelegt. Demnach soll eine Empfehlung durch den Facharzt als Grundlage für einen legalen Schwangerschaftsabbruch genügen. Der ausführende Arzt müsste dann keine Strafverfolgung mehr befürchten. Beobachter räumen dem Vorstoß jedoch nur geringe Chancen ein. Nach der Wahl des Nationalkonservativen Karol Nawrocki zum Präsidenten dürfte die Liberalisierung des Abtreibungsrechts in weite Ferne gerückt sein.






