Staatsleistungen an Kirchen streichen!

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Geldkreuz / Foto (c) Evelin Frerk

BERLIN. (hu/hpd) Die Humanistische Union (HU) fordert die Abgeordneten des neu gewählten Bundestags auf, in der kommenden Wahlperiode den Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen endlich zu erfüllen.

Johann-Albrecht Haupt vom Bundesvorstand der Bürgerrechtsorganisation erinnert die Parlamentarier an den seit 1919 bestehenden Verfassungsauftrag: "Evangelische und katholische Kirche erhalten jährlich zusammen rund 500 Mio. Euro als sogenannte Staatsleistungen von den deutschen Ländern. Dabei sieht unsere Verfassung seit 1919, in der sogenannten Weimarer Reichsverfassung, die Trennung von Staat und Kirche vor. Die Kirchen sollten sich von nun an selbst finanzieren, die vorher übliche staatliche Alimentierung abgeschafft werden." 1949 wurde dieser Verfassungsauftrag durch Artikel 140 des Grundgesetzes in die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland übernommmen wurde. "Passiert ist leider immer noch nichts", konstatiert Haupt.

Neunzig Jahre nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung und nach sechzig Jahren Grundgesetz sei es an der Zeit, den verfassungswidrigen Zustand zu beenden, so der Vertreter der Bürgerrechtsorganisation: "Der ursprüngliche Verfassungsauftrag, die Staatsleistungen durch eine größere Einmalzahlung abzulösen, ist nach jahrzehntelangen Zahlungen längst erfüllt. Die Kirchen hatten genügend Zeit, eine kostendeckende Finanzierung durch ihre eigenen Mitglieder einzuführen." Um weiteren Forderungen vorzubeugen, empfiehlt er: "Bundesregierung und Bundestag sollten in dieser Legislaturperiode durch ein ordentliches Gesetz feststellen, dass die Staatsleistungen gegenüber den beiden christlichen Kirchen abgegolten sind." Erst nach einem solchen 'Staatsleistungsschlussgesetzes' könnten die Bundesländer ihre Staatsleistungen an die Kirchen einstellen.

Für die Ablösung der Staatsleistungen sprechen nach Ansicht der Humanistischen Union nicht nur zahlreiche Verfassungswerte, etwa die Trennung von Staat und Kirche, die religiös-weltanschaulichen Neutralität unseres Staates und die Gleichberechtigung aller Glaubensgemeinschaften.

"Das Ende der einseitigen Förderung wäre auch ein Beitrag zur finanziellen Entlastung der Länder", so Haupt mit Blick auf die leeren Staatskassen.

Was sind Staatskirchenleistungen im Sinne von Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 Weimarer Verfassung?

Entgegen weit verbreiteter Ansicht handelt es sich bei den Staatskirchenleistungen nicht um staatliche Zuwendungen für soziale Einrichtungen der Kirchen (Kindergärten, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser usw.). Diese kirchlichen Einrichtungen werden in gleicher Weise wie jene anderer Träger (etwa Kommunen, Rotes Kreuz ...) staatlich gefördert. Als Staatskirchenleistungen im verfassungsrechtlichen Sinn werden vielmehr Zahlungen bezeichnet, die eine Entschädigungen für säkularisierten Kirchenbesitz sein sollen. Die historischen Ereignisse, auf die sich jene Entschädigung bezieht, liegen Jahrhunderte zurück, in der Reformationszeit und insbesondere dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Die Kirchen verwenden diese Staatsleistungen heute zur Pfarrerbesoldung, zur Deckung von Personal- und Sachkosten der Kirchenverwaltung u.ä.m. Entgegen dem Verfassungsauftrag, der eine Ablösung der Staatsleistungen festschreibt, sind die Leistungen in zahlreichen Kirchenverträgen und Konkordaten mit den evangelischen Landeskirchen bzw. mit dem Heiligen Stuhl festgeschrieben. Die für Personalausgaben genutzten Zahlungen sind meist dynamisiert, d.h. sie steigen kontinuierlich mit der Entwicklung der Beamtenbezüge.

Woher kommt der Auftrag zur Ablösung der Staatskirchenleistungen?

Zum Weimarer Verfassungsprogramm von 1919 gehörte auch die Trennung von Staat und Kirche und damit das Ende der finanziellen Fürsorge der Länder für die Kirchen. Zum Ausgleich garantierte die Weimarer Reichsverfassung den Kirchen das Recht der Steuererhebung. Die Kirchen sollten in die Lage versetzt werden, von nun an selbst für ihre materiellen Grundlagen zu sorgen - indem sie Beiträge von ihren Mitgliedern erheben, aber auch nur von ihren Mitgliedern. Die (unfreiwillige) Finanzierung der Kirchen durch Anders- oder Nichtgläubige fand damit ein Ende. Um den Kirchen ausreichend Zeit zu gewähren, sich auf das neue Finanzierungsmodell einzustellen, erteilte die Weimarer Reichsverfassung in ihrem Artikel 138 dem Reich und den Ländern zusammen mit dem Ablösungsgebot den Auftrag, die Modalitäten zur Ablösung der Staatsleistungen gesetzlich zu regeln.

Artikel 138 Absatz 1 Weimarer Verfassung

"Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf."

Artikel 140 Grundgesetz

"Die Bestimmungen der Artikel ... 138 ... der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes."


Sven Lüders