AHA! Philosophen

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Bearbeitung und Collage: F. Lorenz

(hpd) Eine Zunft, in der sich außergewöhnlich viele Agnostiker, Humanisten und Atheisten tummeln, ist die Philosophie. Vor und nach der theologischen Besetzung des Denkvermögens finden sich große Denker, welche die Menschheit und Menschlichkeit voranbrachten. Sechs werden näher vorgestellt, einer von ihnen hat heute Geburtstag.

Es gibt zahlreiche andere Atheisten, Humanisten und Agnostiker unter den Philosophen – ähnlich wie bei den Mathematikern ist zu vermuten, dass sie aufgrund ihres gewohnheitsmäßig logischen Denkens tendenziell wenig Interesse an unbeweisbaren Fantasiefiguren und deren Verehrungssysteme aufbringen (es gibt Ausnahmen). Die sechs hier vorgestellten vertreten zum Teil gegensätzliche Ansichten, wie der Mensch zu leben habe.

Die Philosophen sind nach Geburtsdatum sortiert.

Demokrit, ca. 460-370 v.u.Z. war ein griechischer Philosoph mit großem Einfluss. Er war Schüler des Leucippus und formulierte mit ihm eine Atomtheorie für das Universum. In Athen wurde er großteils ignoriert, war aber auf jeden Fall mit Aristoteles bekannt. Platon soll ihn nicht gemocht haben, und zwar so sehr, dass er wünschte, all seine Bücher würden verbrannt. Von vielen wird Demokrit als „Vater der modernen Wissenschaft“ angesehen.
Sein Vater war sehr reich und mit seinem Erbe bereiste Demokrit die Welt, um seinen Wissensdurst zu befriedigen. Angeblich soll er in seiner Zeit mehr Länder gesehen und Gelehrte getroffen haben als ein anderer. Er lebte ausschließlich für seine Studien, war ansonsten desinteressiert, bescheiden und einfach.
Seine Ethik und Politik wurden in Form von Maximen geäußert. Er meinte, „Gleichheit ist überall nobel“, ohne aber Frauen oder Sklaven in diese Geisteshaltung einzuschließen. Armut in der Demokratie sei besser als Reichtum unter Tyrannen, aus demselben Grund solle man die Freiheit der Sklaverei vorziehen. Wer Macht habe, solle den Armen leihen, ihnen helfen und sie bevorzugen, dann gebe es Mitleid, keine Isolation, sondern Gemeinschaft und gemeinsame Verteidigung und Eintracht zwischen den Bürgern wie zu viele andere Dinge, um sie aufzulisten.
Er lehnte Gewalt ab, war aber kein Pazifist. Tugend, so glaubte er, käme eher von der Praxis und Disziplin denn aus der angeborenen menschlichen Natur. Zufriedenheit würde man erzielen, indem man ein moderates und gemäßigtes Leben führte, um zufrieden zu sein, müsse man sein Urteil auf das Mögliche richten und zufrieden sein mit dem, was man habe. Er trat für ein zufriedenes Leben ein, mit so wenig Kummer wie möglich, welches, so Demokrit, weder durch Faulheit noch Voreingenommenheit mit weltlichen Genüssen erreicht werden könne. Allerdings billigte er gelegentliche Extravaganz, da er Feste und Feiern für notwendig hielt, um Freude und Entspannung zu erzielen. Bildung sah er als die nobelste Betätigung an, mahnte aber, dass Lernen ohne Sinn zu Irrtum führen könne.

(Kein Bild) Theodorus der Atheist von Kyrene, ca. 340-240 v.u.Z., war ein Philosoph der kyrenischen Schule. Er lebte in Griechenland und Alexandria und lehrte, das Ziel des Lebens bestünde darin, Freude zu erlangen und Kummer zu vermeiden, dass Ersteres aus Wissen und das Zweite aus Ignoranz folge. Er wurde von antiken Schriftstellern als der Atheist (ὁ ἄθεος) bezeichnet.
Theodorus war Begründer einer Sekte, die nach ihm Theodorei benannt wurde. Seine Ansichten, neben den oben bereits erwähnten, waren, die Definition des Guten als Klugheit und Gerechtigkeit und das Schlechte als deren Gegenteil. Freude und Schmerz jedoch, seien indifferent. Er missachtete Freundschaft und Patriotismus und versicherte, die Welt sei sein Land. Er lehrte, dass Diebstahl, Ehebruch oder Sakrileg nicht von Natur aus schändlich seien, wenn man die öffentliche Meinung ignorierte, die vom Konsens von Idioten geformt worden sei.
Wegen seines Atheismus wurde Theodorus angegriffen, aber einige Kritiker bezweifeln, dass er ein absoluter Atheist gewesen sei, sondern lediglich die Existenz der volkstümlichen Gottheiten leugnete. Er schrieb ein Buch Über die Götter, welches angeblich die Quelle vieler Aussagen von Epikur gewesen ist.

 

Julien Offray de La Mettrie 23. November 1709 – 11. November 1751, war ein französischer Arzt und Philosoph und einer der frühesten französischen Materialisten der Aufklärung. Am meisten ist er bekannt für sein Werk L’homme Machine („Die Maschine Mensch“), in welchem er den Cartesianischen Dualismus des Verstandes und des Körpers verwirft und die Metapher des Menschen als Maschine vorschlägt.
La Mettrie war der Sohn eines wohlhabenden Textilhändlers. Er wollte zunächst anscheinend Kleriker werden, nachdem er aber einige Jahre Theologie studiert hatte, verlor er das Interesse an der Kirche. 1725 begann er, am College d’Harcourt Philosophie und Naturwissenschaft zu studieren. Anschließend beschloss La Mettrie, sich der Medizin zu widmen.
Während eines Fieberanfalls beobachtete er an sich selbst die beschleunigte Blutzirkulation, welche durch Gedanken hervorgerufen wurde. Das führte ihn zur Schlussfolgerung, dass mentale Prozesse die Ursache für organische Veränderungen im Gehirn und im Nervensystem seien. Diese Schlussfolgerung verarbeitete er in seinem frühesten philosophischen Werk Histoire naturelle de l’âme (1745, „Naturgeschichte der Seele“). Der Aufschrei, der der Veröffentlichung folgte, war so groß, dass La Mettrie seine Position bei der französischen Garde aufgeben und flüchten musste. In Leiden entwickelte er seine Doktrinen noch verwegener und vollständig in L’Homme Machine, welches auf durchgängig materialistischen und quasi-atheistischen Prinzipien basierte.
Selbst in den relativ toleranten Niederlanden verursachten die hedonistischen und materialistischen Prinzipien von La Mettrie einen Aufschrei, so dass er 1748 nach Berlin abreisen musste, wo der preußische König Friedrich der Große ihm nicht nur erlaubte, als Arzt zu praktizieren, sondern ihn als Hofleser einstellte.
Die ethischen Implikationen seiner Prinzipien arbeitete er in Berlin in seinem Discours sur le bonheur (1748, „Über das Glück“) heraus, das Buch, das La Mettrie selbst als sein Opus Magnum ansah. Hier entwickelte er seine Theorie der Reue, d.h. seine Sicht über die unheilvollen Auswirkungen der Schuldgefühle, welche in einem frühen Alter während des Prozesses der Enkulturation erworben werden. Diese Idee brachte ihm die Feindschaft praktisch aller Denker der französischen Aufklärung ein. Voltaire, Diderot und D’Holbach missfielen die hedonistisch-sinnlichen Prinzipien, welche die ungehemmte Verfolgung der Lust über alles andere stellten.

 

Sherwin Theodore Wine, 25. Januar 1928 – 21. Juli 2007, war ein Rabbi und Gründer des Humanistischen Judaismus. Ursprünglich als Reformrabbi geweiht, gründete Wine 1963 den Birmingham Temple, die erste Gemeinde des Humanistischen Judaismus in der Nähe von Detroit, Michigan.
Der Humanistische Judaismus betont die säkulare jüdische Kultur und jüdische Geschichte anstelle des Glaubens an Gott als Quellen jüdischer Identität. Wine war auch Begründer einiger humanistischer Organisationen, die nicht spezifisch jüdisch sind, wie etwa das Humanistische Institut und die International Association of Humanist Educators, Counselors, and Leaders. Er war auch Mitbegründer der Americans for Religious Liberty, welche die Trennung von Staat und Kirche fördert.
Ein Sturm der Kontroverse kam auf, als bekannt wurde, dass Wine eine Gemeinde anführte, die Gott nicht anerkannte. Die Detroit Free Press veröffentlichte im Dezember 1964 einen Artikel mit dem Titel: „Vorstadt-Rabbi: Ich bin ein Atheist“. Dem folgten Artikel im Time und den New York Times. Wine erklärte, seine Sicht sei nicht wirklich atheistisch. Vielmehr erklärte er, indem er seine Akzeptanz der grundsätzlichen Sicht der logischen Positivisten reflektierte, es sei nicht möglich, die Existenz Gottes empirisch zu beweisen oder widerlegen, und daher sei das Konzept bedeutungslos. Er bezeichnete seine Haltung als „ignostizistisch“ statt atheistisch.
Wine erfand den Begriff Ignostizismus. Er bezeichnet die Sicht, dass eine kohärente Definition Gottes präsentiert werden muss, bevor die Frage der Existenz Gottes sinnvoll diskutiert werden kann.
Wine lehrte ab 1976 unter der Schirmherrschaft des Center for New Thinking, welches er auch gründete, ein breites Spektrum an Themen. Die American Humanist Association erklärte ihn 2003 zum Humanist of the Year.

 

Franz Josef Wetz, geboren am 19. März 1958, ist ein deutscher Philosoph, dessen Arbeitsgebiete Hermeneutik, Ethik, Rechts-, Kultur- und Naturphilosophie mit der Frage, welche Konsequenzen die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften für das menschliche Selbst- und Weltverständnis haben – in existentieller, weltanschaulicher, kultureller, gesellschaftlicher, ethischer und juristischer Hinsicht, umfassen.
Wetz studierte in Mainz, Frankfurt/Main und Gießen Philosophie, Germanistik und Theologie. Der Titel seiner Dissertation war Das nackte Daß. Zur Frage der Faktizität. (1989) 1992 habilitierte er in Philosophie zu Lebenswelt und Weltall. Hermeneutik der unabweislichen Fragen. Seit 1994 ist Franz Josef Wetz Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. Dort leitet er das Akademische Prüfungsamt und das Landeslehrerprüfungsamt.
Er veröffentlichte in jüngerer Zeit Werke zu den Themen Menschenwürde (2011), zum Lob der Untreue (2011) und Baustelle Körper (2009) zur Bioethik im 21. Jahrhundert, in denen er mit provokanten, mitunter blumigen Thesen zu provokanten Schlussfolgerungen kommt. Auch war Wetz Berater der umstrittenen Ausstellung Körperwelten des Gunther von Hagens, in welcher vor allem plastinierte Körper und Körperteile von Menschen gezeigt werden.
Seit einigen Jahren ist Wetz Mitglied des Beirats der Giordano-Bruno-Stiftung.
 

Michael Schmidt-Salomon, geboren am 14. September 1967 in Trier, ist ein deutscher Autor und Philosoph. Als Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, einer humanistischen, religionskritischen Organisation, wurde er vom Spiegel als Deutschlands „Chef-Atheist“ identifiziert.
Schmidt-Salomon studierte an der Universität Trier Erziehungswissenschaften, wo er 1992 sein Diplom und 1997 seine Promotion absolvierte. Sein Hauptfokus liegt auf der Wissenschaftstheorie, Anthropologie, Ästhetik, Gesellschaftstheorie, Religionskritik, Ideologiekritik wie auch der Praktischen Ethik. Von 1999-2007 war Schmidt-Salomon Herausgeber der MIZ, seit 2006 ist er im Vorstand der von ihm mitgegründeten Giordano-Bruno-Stiftung.
Zu Schmidt-Salomons Werken gehören das Manifest des evolutionären Humanismus (2005), Die Kirche im Kopf (2007, mit Carsten Frerk), Jenseits von Gut und Böse (2009), Leibniz war kein Butterkeks (2011 mit seiner Tochter Lea Salomon) und Keine Macht den Doofen! (2012). Sein Kinderbuch Wo bitte geht’s zu Gott?, fragte das kleine Ferkel (2007), sorgte wegen der religiösen Bezüge für einen Aufruhr und sollte wegen der angeblich darin gezeigten antisemitischen Tendenzen verboten werden.
In einem Vortrag „Leben ohne Gott: eine Entscheidung für den Menschen“, den Michael Schmidt-Salomon am 19. November 1996 im Rahmen einer ökumenischen Veranstaltungsreihe hielt, erklärte er seine Position zum Atheismus:
“Wie viele andere sog. 'AtheistInnen' bin auch ich kein reiner Atheist, sondern eigentlich ein Agnostiker, der nur in seiner Lebenspraxis atheistische Standpunkte vertritt. Das heißt: Ich maße mir kein Urteil darüber an, ob Gott wirklich existiert oder nicht, ja, ich halte diese Frage für prinzipiell nicht entscheidbar. Aus lebenspraktischen Gründen gehe ich aber davon aus, daß wir auf die Rede von Gott verzichten sollten, weil die Rede von Gott mehr Unheil als Heil unter die Menschen gebracht hat. In diesem praktischen Sinne bin ich also ein klarer Vertreter des Atheismus. Ich plädiere ganz entschieden für ein Leben ohne Gott (…).”
 

Weitere Philosophen sollen hier zumindest noch genannt werden: Gautama Buddha (ca. 563–483 v.u.Z.), Protagoras (gestorben 420 v.u.Z.), Epicurus (341-270 v.u.Z.), David Hume (1711–1776), Denis Diderot (1713–84), Jeremy Bentham (1748–1832), Arthur Schopenhauer (1788–1860):, Auguste Comte (1798–1857), Ludwig Andreas Feuerbach (1804–1872), John Stuart Mill (1806–1873), Karl Marx (1818–1883), Ishwar Chandra Vidyasagar (1820–1891), Friedrich Nietzsche (1844–1900), Bertrand Russell (1872–1970), Ludwig Wittgenstein (1889–1951), Jean-Paul Sartre (1905–1980), Simone de Beauvoir (1908–1986), A. J. Ayer (1910–1989), John Leslie Mackie (1917–1981), Michel Foucault (1926–1984), Alex Rosenberg (1946–), Peter Singer (1946–) sowie André Comte-Sponville (1952–)
 

Fiona Lorenz

 

Anmerkung: Die Originalzitate sind – sofern nicht anders gekennzeichnet – wikipedia.org entnommen

 

AHA! Politiker (1.6.2012) - Hier sind Links auf die vorhergehenden AHA!-Artikel zu finden.
AHA! Comedy (8.6.2012)
AHA! Ex-Muslime (15.6.2012)
AHA! Humanisten (22.6.2012)
AHA! Mixed (7.9.2012)