AHA! Politiker

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Collage und Bearbeitung: F. Lorenz

(hpd) Mit Politikern ist es so eine Sache. Es gab und gibt weltweit recht viele atheistische Politiker, doch sind sie auch Humanisten? Es scheint schwierig, hochrangiger Politiker und zugleich humanistisch zu sein. Aus diesem Grunde blieben nach der Suche nur wenige übrig, lediglich vier, die möglicherweise auch nicht unumstritten bleiben dürften: ein Südafrikaner, ein Sowjet, ein Schwede und eine Australierin.

Nicht in Frage kamen selbstredend unzählige Atheisten, die sich durch Verstöße gegen fundamentale Menschenrechte, Massenmorde und Kriegstreiberei auszeichneten, wie etwa Mao Zedong, Pol Pot, Joseph Stalin oder Georges Clemenceau. Bei anderen war nicht zu klären, inwieweit ihre politischen Erfolge mit einer überwiegend humanistischen Einstellung einhergehen, wie Golda Meir oder David Ben-Gurion, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.

Die Politiker sind nach Geburtsdatum sortiert.

 

Joe Slovo, 23. Mai 1926 – 6. Januar 1995, war ein südafrikanischer Politiker, über einen langen Zeitraum der Führer der South African Communist Party (SACP) und führendes Mitglied des African National Congress (ANC).
Slovo wurde in Litauen in eine jüdische Familie hineingeboren, die nach Südafrika auswanderte, als er acht Jahre alt war. Obgleich seine Familie religiös war, wurde er Atheist, der sich den Respekt vor den positiven Aspekten der jüdischen Kultur erhielt.
Er war einer der Anführer der Umkhonto we Sizwe, des militärischen Flügels des ANC, der in den 1960ern gegründet wurde. 1990 kehrte Slovo aus dem Londoner Exil nach Südafrika zurück, um an den Verhandlungen zwischen dem ANC und der weißen Regierung über einen friedvollen Übergang zur Demokratie zu verhandeln. Später diente er unter Nelson Mandela bis zu seinem Tod als Wohnungsbauminister. In diesem Zusammenhang wurde er 2005, ein Jahrzehnt nach seinem Tod, vom damaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki in einer Rede gewürdigt: „Wie wir alle wissen, leitete Joe Slove zusätzlich zu allem Anderen, das er als Architekt unserer Demokratie geleistet hat, das Programm ein, durch das die Heimatlosen das Gefühl bekamen, dass Südafrika auch ihnen gehört.“
“As all of us know, in addition to everything else he did as an architect of our democracy, Joe Slovo started the programme that would make the homeless feel that South Africa belongs to them as well.”
In seinem Nachruf in der britischen Zeitung Independent hieß es 1995, dass Joe Slovo vier Jahrzehnte lang eine Schlüsselpersönlichkeit in der revolutionären Politik Südafrikas gewesen sei. "Er war nicht nur der Anführer der SACP und dessen grundlegender Theoretiker, sondern auch das einflussreichste weiße Mitglied des ANC und dessen Haupt-Militärstratege.
Später brachte er seine Scham darüber zum Ausdruck, dass er den Stalinismus so lange und unkritisch akzeptierte, während er seinen Glauben an die wissenschaftliche und demokratische Natur des Marxismus aufrechterhielt.
Er bezeichnete sich als demokratischen Sozialisten, indem er für Pluralismus, die Verankerung politischer Freiheiten in der Verfassung und eine Freiheitsurkunde eintrat, aber Kritikern bereitete seine fortgesetzte Bewunderung für Marx und Lenin als Mentoren der Demokratie Sorge.“
“Joe Slovo was a key personality in South African revolutionary politics for four decades. He was not only the leader of the South African Communist Party and its principal theoretician but also the most influential white member of the African National Congress and its chief military strategist. (…) While retaining this belief in the scientific and democratic nature of Marxism, he expressed shame for his long and uncritical acceptance of Stalinism. (…) He identified himself as a democratic socialist in arguing for pluralism, constitutional entrenchment of political freedoms, and a bill of rights, but critics were troubled by his continuing admiration for Marx and Lenin as mentors of democracy.”

 

 

Mikhail Sergejewitsch Gorbatschow, geboren am 2. März 1931, ist ein ehemaliger sowjetischer Staatsmann, der 1985-1991 als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sowie als letztes Staatsoberhaupt der Sowjetunion bis zu dessen Auflösung im Jahre 1991 diente. Er war der einzige Generalsekretär in der Geschichte der Sowjetunion, der während der kommunistischen Herrschaft geboren wurde.
Als Kind wurde Gorbatschow in der russisch-orthodoxen Kirche getauft. Als Politiker führte Gorbatschow „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Restrukturierung) ein und öffnete die Religionsfreiheit. 1987 unterschrieb er (mit US-Präsident Ronald Reagan) das Abkommen Intermediate Range Nuclear Forces Treaty, mit dem konventionelle und nukleare Geschosse stark begrenzt wurden.
1990 erhielt er den Friedensnobelpreis und heute leitet er einen Think Tank.
Im September 1991 wurde er im ABC-Interview nach seinen religiösen Überzeugungen gefragt. Er antwortete: „Ich bin ein Atheist. Aber (und ich habe dies nie verborgen) ich respektiere die Gefühle und die religiösen Überzeugungen jedes Bürgers, jeder Person. Das ist eine Frage der persönlichen Souveränität und wir haben viel unternommen, um im juristischen Sinne, jedem Menschen das Recht zu garantieren, sich zu nennen, was er will, jedem Menschen zu erlauben, seine eigene Religion zu wählen. ...aber ich fand es notwendig, dem hinzuzufügen, dass ich persönlich ein Atheist bin.“
When President of the Soviet Union, Gorbachev was asked by Peter Jennings of ABC News (6 September 1991) about his personal religious beliefs. He responded,
I am an atheist. But I (and I’ve never concealed this) I respect the feelings and the religious beliefs of each citizen, of each person. This is a question of personal sovereignty, and we have done a good deal so as to, in a legislative sense, guarantee each person the right to call himself what he wants, to allow each person to select his own religion. And I wanted - but I did feel it necessary to add that I personally am an atheist.”

In Free Inquiry schrieb Gorbatschow im Winter 1997/98 über Humanismus: „Ich glaube stark daran, dass die humanistische Weltsicht, die Menschlichkeit als eines der Hauptbezugspunkte, Hauptziele und höchsten Werte anzusehen, der menschlichen Natur innewohnt. Auf der anderen Seite müssen wir zugestehen, dass die menschliche Natur nicht eindimensional ist. Gepaart mit dem Guten, dem Menschlichen, ist dessen Gegenteil. Wir sind allen schon Ideen und Handlungen begegnet, die von der Menschlichkeit weit entfernt liegen. Es sind die Bedingungen und soziale Beziehungen, in welchen Menschen sich wiederfinden, die teilweise dafür verantwortlich sind. Abgesehen davon könnten wir sagen, dass Antihumanismus der Essenz des Homo sapiens widerspricht ... die Erfahrung der Perestroika war facettenreich und ich würde hier gern zwei Aspekte herausstellen. Einer ist, dass humanistische Reformen selbst in einer Gesellschaft möglich sind, die betroffen ist, sogar tief betroffen ist, von Totalitarismus. Solche Reformen werden von der Gesellschaft und den Menschen anerkannt und unterstützt. (...) Der zweite Aspekt der Perestroika-Erfahrung besteht darin, dass die authentisch humanistische, demokratische Umgestaltung der Gesellschaft keine einfache Aufgabe darstellt. Man kollidiert mit den Mächten der Vergangenheit. (...) Der Humanismus kann nicht auf Ideen und die Verkündung von Werten reduziert werden. Vor allem bedeutet Humanismus Aktivismus. Im Namen der Menschlichkeit. Das ist meine Überzeugung.“
“I believe strongly that the humanistic worldview of regarding humanity as one’s main reference point, main goal, and highest value is inherent in human nature. On the other hand, we have to admit that human nature is not one-dimensional. Coupled with the good, the humane, is the opposite. We have all come across ideas and acts that are very remote from humanism. It is conditions and social relations in which humans find themselves that are partly responsible for that. But in spite of that, we could say that antihumanism contradicts the essence of Homo sapiens. . . . The experience of perestroika was multifaceted, and here I would like to single out two aspects. One is that humanistic reforms are possible even in a society that is affected, even deeply, by totalitarianism. Such reforms are recognized and supported by society and people. If we consistently abide by humanistic principles, if we do not deviate from the moral approach, we can achieve very much. And perestroika achieved very much indeed—above all, the liquidation of totalitarianism and the establishment of democratic principles in our country. Naturally, it was impossible to achieve everything we expected and strived for. The second aspect of the perestroika experience is that the authentic humanistic, democratic transformation of society is not a simple task. One collides with the forces of the past. Moreover, Russian society does not have a tradition favoring such a transformation. Then there are the complexities of the reform itself. All this holds true especially for our own experiment, and in a country that had lived many years under an antihumanistic regime. But I believe that establishing authentic humanistic values even in democratic societies is not an easy task—the deficit of humanism is felt everywhere. . . .Humanism cannot be reduced to ideas and declarations of values. Above all else humanism means activism. In the name of humanity. This is my conviction.”

 

 

Bengt Carl Gustaf Westerberg, geboren am 23. August 1943, war ein schwedischer Politiker, von 1983-1995 Anführer der Folkpartiet liberalerna und von 1991-1994 Minister für Soziale Angelegenheiten sowie Vize-Premierminister während der Vierparteien-Zentrum-Rechts-Regierung in Schweden.
1962 machte er am Karolinska Institut einen Abschluss in Medizin und 1974 an der Stockholmer Universität einen Abschluss im Grundstudium in Ökonomie und Philosophie.
Er amtiert als Vizepräsident der International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies in Genf in der Schweiz und ist Vorsitzender des schwedischen Roten Kreuzes.
Sich selbst beschreibt Westerberg auf der Website der schwedischen Humanisten, humanisterna.se, als Atheisten und Humanisten:

„Ich sehe dies als eine anspruchsvolle und wichtige Aufgabe, sagt Bengt Westerberg. Ich habe stets versucht, im Geist der Aufklärung zu arbeiten, nach dem humanistischen Credo. In einer Welt, in der viele Philosophien und Überzeugungen koexistieren, muss auch die Stimme von Humanisterna im öffentlichen Diskurs gehört werden. Es ist in einer solchen Welt von zunehmender Bedeutung, dass der Staat wirklich säkular und neutral ist. Es ist eine Voraussetzung für die Freiheit des Glaubens und des Gewissens...

Ich freue mich sehr, dass Bengt Westerberg jetzt im Vorstand ist, sagt Christer Sturmark, der Präsident von Humarnisterna. Seine politische Erfahrung und sein starkes Engagement für die säkulare Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit passen bei Humanisterna perfekt ins Profil...“

“Jag ser detta som ett stimulerande och viktigt uppdrag, säger Bengt Westerberg. Jag har i alla sammanhang försökt arbeta i upplysningens anda, det som är Humanisternas credo. I en värld där många livsåskådningar och trosuppfattningar finns sida vid sida behöver också Humanisternas röst höras i det offentliga samtalet. Det blir i en sådan värld också allt viktigare att staten verkligen är sekulär och neutral. Det är en förutsättning för tros- och samvetsfrihet, säger Bengt Westerberg.

Jag är mycket glad över att Bengt Westerberg nu tar plats i styrelsen, säger Humanisternas ordförande Christer Sturmark. Hans politiska erfarenhet och starka engagemang för det sekulära projektet och mot främlingsfientlighet passar Humanisternas profil perfekt, säger Christer Sturmark.”

 

 

Julia Eileen Gillard, geboren am 29. September 1961, ist seit dem 24. Juni 2010 die 27. gegenwärtig regierende Premierministerin Australiens.
Am 8. September 2010 erschien nach ihrem Wahlsieg bereits ein Artikel auf dem hpd:
“Gillard ist nicht nur bekennende Atheistin, sondern auch Feministin. Ihr Lebenswandel wie auch ihre Ansichten sind Konservativen ein Dorn im Auge.
1961 in Wales geboren, zog Gillard im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern nach Australien. Sie studierte Rechtswissenschaften und Kunst, engagierte sich in der Gewerkschaft und wandte sich nach einer juristischen Karriere im Arbeitsrecht der Politik zu. Seit Oktober 1998 ist Gillard als Abgeordnete der Australian Labor Party im australischen Parlament vertreten. Nach dem überwältigenden Wahlsieg von Labor um Kevin Rudd bei den Bundeswahlen von 2007 wurde sie Stellvertretende Ministerpräsidentin sowie Ministerin für Bildung, Arbeit und sozialen Ausgleich.
Ihr Freimut sowie ihre Ehe- und Kinderlosigkeit stoßen vor allem bei Konservativen auf wenig Gegenliebe. Sie selbst meinte, sie bewundere Frauen, die Kinder und Karriere unter einen Hut brächten, glaube aber nicht, dass sie das gekonnte hätte. Zudem bezeichnet sich Julia Gillard auch öffentlich als „nicht praktizierende Baptistin“ und „nicht religiös“ und sprach bei der Amtsübernahme gegenüber der General-Gouverneurin Quentin Bryce eine „Affirmation“, das heißt keinen Amtseid mit religiöser Referenzierung. Sie ist zudem die erste Frau und die erste unverheiratete Person, die das Amt des Premierministers bekleidet – sie lebt mit ihrem Lebenspartner, dem Friseur Tim Mathieson, zusammen in Melbourne. Eine starke Frau, die sich dank ihrer Intelligenz und harter Arbeit aus kleinsten Verhältnissen bis ganz nach oben gearbeitet hat.
Gillard hatte erst im Juni die Ablösung ihres zunehmend unpopulären Vorgängers Kevin Rudd herbeigeführt, den sie mit einer parteiinternen Revolte aus dem Amt drängte. Ihr war klar, dass sie kein Mandat des australischen Volkes hatte, so dass sie als erstes durch eine Wahl dessen Vertrauen gewinnen musste. Nachdem die Wahl in einem Patt resultierte, konnte die Premierministerin nun mehr unabhängige Abgeordnete von ihrer Politik überzeugen als ihr konservativer Kontrahent Tony Abbott: Zwei von drei unentschlossenen Abgeordneten haben sich nach zähen Verhandlungen auf die Seite der jetzt bestätigten Regierungschefin geschlagen.“
In einem Artikel der Daily Mail vom 30. Juni 2012 werden Aussagen von Gillard zu ihrem Unglauben an einen Gott zusammengefasst: „’Ich glaube nicht an Gott’, sagt Australiens erster weiblicher Premierminister. Julia Gillard erzählte ABC Radio in Melbourne, dass sie nicht beabsichtige, ‚religiösen Ritualen’ beizuwohnen, um einen guten Eindruck zu machen. Sie fügte hinzu: ‚Ich respektiere selbstverständlich religiöse Überzeugungen, aber es sind nicht meine Überzeugungen. Für Gläubige ist es, denke ich, das größte Kompliment, dass ich ihnen zollen könnte, ihre ernsthaften Überzeugungen zu respektieren, an denen sie festhalten, und keine falschen Vorstellungen über meine vorzutäuschen.’“
„’I don't believe in God,' says Australia's first female PM.
Julia Gillard told ABC radio in Melbourne that she was not prepared to go through ‘religious rituals’ for the sake of appearances. Ms Gillard added: ‘I am, of course, a great respecter of religious beliefs, but they are not my beliefs. ‘For people of faith, I think the greatest compliment I could pay them is to respect their genuinely-held beliefs and not to engage in some pretence about mine.“

 

Zu den „angenehmeren Politikern“ ist ansonsten gewiss der nichtgläubige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg (geboren 1959) zu rechnen, ebenso wie die ehemalige Senatorin von Nevada, Lori Lipman Brown (geboren 1958), die sich selbst als atheistisch-humanistische Jüdin bezeichnet.

Fiona Lorenz

Anmerkung: Die Originalzitate sind – sofern nicht anders gekennzeichnet – wikipedia.org entnommen

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