AHA! Mathematiker

aha_mathematiker.jpg

Collage und Bearbeitung: F. Lorenz

(hpd) Möglicherweise weil sie logisch denken, finden sich unter Mathematikern recht viele Atheisten, Humanisten und Agnostiker. Der hpd präsentiert heute einige Nobelpreisträger, den Vater der Informatik, den Nachfolger von Richard Dawkins’ „Simonyi Professorship for the Public Understanding of Science“ sowie den Mann, nach dessen Lebensgeschichte der Oscar-prämierte Hollywood-Film „A Beautiful Mind“ gedreht wurde.

 

Neben den neun Mathematikern, die der hpd ausführlicher vorstellt, finden sich am Ende des Artikels die Namen zahlreicher weiterer Mathematiker, denen nachgesagt wird, sie seien Atheisten, Humanisten oder Agnostiker.

 

Die Mathematiker sind nach Geburtsdatum sortiert:

Augustus De Morgan, 27. Juni 1806 - 18. März 1871, war ein britischer Mathematiker und Logiker. Er formulierte die De Morgan’schen Gesetze und führte den Begriff der mathematischen Induktion ein. Der Mondkrater De Morgan wurde nach ihm benannt. Er gilt zusammen mit George Boole als Begründer der formalen Logik.
In einem Essay über Wahrscheinlichkeiten und deren Anwendung auf Ungewissheiten des Lebens sowie Versicherungsbüros, das er 1838 veröffentlichte, schrieb er: „Es gibt in unserer Sprache ein Wort, welches ich nicht mit diesem Thema vermischen werde, sowohl wegen der unehrenhaften Weise, in der es häufig gebraucht wird, als Unterstellung, die eine Sekte der anderen zuwirft, und wegen der Vielfalt der Bedeutungen, die damit verbunden sind. Ich werde den Begriff Anti-Deismus gebrauchen, um der Meinung Bedeutung zu verleihen, dass ein Schöpfer, der das Universum machte und erhält, nicht existiert.“
„There is a word in our language with which I shall not confuse this subject, both on account of the dishonourable use which is frequently made of it, as an imputation thrown by one sect upon another, and of the variety of significations attached to it. I shall use the word Anti-Deism to signify the opinion that there does not exist a Creator who made and sustains the Universe.“ Augustus De Morgan, An essay on probabilities: and on their application to life contingencies and insurance offices (1838), page 22.

 

 

Jacques Salomon Hadamard, 8. Dezember 1865 – 17. Oktober 1963, war ein französischer Mathematiker, der wesentliche Beiträge zur Zahlentheorie, komplexen Funktionstheorie, differentiellen Geometrie und partiellen Differentialgleichungen leistete.
Nach dem ersten Weltkrieg, in dem er zwei seiner Söhne verlor, und einen weiteren im zweiten Weltkrieg, wurde Hadamard Friedensaktivist.
Hadamard schrieb einen faszinierenden Artikel, „Wie ich die Relativität nicht entdeckte“, in dem er u.a. über ein Treffen mit Hermite im Jahre 1924 berichtet: „Als ich ein junger Student war, ermöglichte mir ein glücklicher Umstand, den Meister regelmäßig für einige Minuten zu besuchen. Zu dieser Zeit machte er einen tiefen Eindruck auf uns, nicht nur mit seinen Methoden und jenen von Weierstrass, sondern auch mit seinem Enthusiasmus und seiner Liebe zur Wissenschaft; in unseren kurzen, doch fruchtbaren Gesprächen, liebte es Hermite, Bemerkungen an mich zu richten wie: ‚Der, der vom Pfade der Vorsehung abweicht, stürzt ab.’ Dies waren die Worte eines tief religiösen Mannes, aber ein Atheist wie ich verstand sie sehr gut, besonders wenn er bei anderen Gelegenheiten hinzufügte: ‚In der Mathematik ist unsere Rolle eher die eines Dieners denn eines Meisters.’ Es versteht sich von selbst, dass ich allmählich, während die Jahre und meine wissenschaftliche Arbeit sich entfalteten, immer besser die Angemessenheit und Reichweite seiner Worte verstand.“
„When I was a young student, a happy circumstance enabled me to visit the master regularly for a few minutes. At the time, he was making a deep impression on us, not only with his methods and those of Weierstrass, but also with his enthusiasm and love of science; in our brief but fruitful conversations, Hermite loved to direct to me remarks such as: "He who strays from the paths traced by Providence crashes." These were the words of a profoundly religious man, but an atheist like me understood them very well, especially when he added at other times: "In mathematics, our role is more that of servant than master." It goes without saying that gradually, as years and my scientific work unfolded, I came to understand more and more deeply the aptness and scope of his words.“

 

 

Alan Mathison Turing, 23. Juni 1912 – 7. Juni 1954, war ein englischer Mathematiker, Logiker, Kryptoanalytiker und Informatiker. Er hatte großen Einfluss bei der Entwicklung der Informatik, indem er das Konzept des „Algorithmus“ sowie der „Berechnung“ mit der Turing-Maschine formalisierte. Diese spielte eine bedeutende Rolle bei der Entstehung des modernen Computers. Turing wird weithin als Vater der Informatik und künstlichen Intelligenz angesehen.
Turings Homosexualität führte 1952 zu einer Strafverfolgung, da homosexuelle Handlungen zu dieser Zeit in Großbritannien illegal waren. Er akzeptierte die Behandlung mit weiblichen Hormonen (chemische Kastration) als Alternative zum Gefängnis. 1954 starb er, gerade zwei Wochen vor seinem 42. Geburtstag, an einer Zyanid-Vergiftung. Am 10. September 2009, nach einer Internet-Kampagne, entschuldigte sich der britische Premierminister Gordon Brown offiziell und öffentlich im Namen der britischen Regierung dafür, wie Turing nach dem Krieg behandelt worden war.
Seinen Glauben verlor Turing in der Schulzeit, als sein guter Freund Christopher Morcom, dem auch sein erstes Liebesinteresse galt, plötzlich an Rindertuberkulose starb. Turings religiöser Glaube war zerstört und er wurde Atheist. Er übernahm die Überzeugung, dass jedes Phänomen, einschließlich der Funktion des Gehirns, materialistisch sein müsse. Den Glauben an das Überleben des Geistes nach dem Tod behielt er jedoch bei.

 

 

Paul Erdős, 26. März 1913 – 20. September 1996, war ein ungarischer Mathematiker, der mehr Aufsätze veröffentlichte als irgendein anderer Mathematiker in der Geschichte. Er arbeitete mit Hunderten von Mitarbeitern zu Problemen in Kombinatorik, Graphentheorie, Zahlentheorie, klassischer Analysis, Approximationstheorie, Mengentheorie und Wahrscheinlichkeitstheorie. Diesbezüglich existiert eine „Erdős-Zahl” , welche den Grad der Zusammenarbeit mit ihm misst (je kleiner die Zahl, desto enger die Zusammenarbeit; die 0 ist Erdős selbst). Er ist außerdem für seine „legendär exzentrische“ Persönlichkeit bekannt. Dabei führte er ein materiell einfaches Leben, das er der Mathematik widmete (und zu diesem Zwecke auf Aufputschmittel zurückgriff). Die Preisgelder, die er gewann, nutzte er, um begabte Studenten zu fördern, spendete sie oder setzte sie wiederum als Preisgelder für schwierige Aufgaben ein.
Obgleich Atheist, sprach Erdős von einem imaginären Buch, in welchem Gott die schönsten aller mathematischen Beweise niedergeschrieben hätte.
Hungarian mathematician Paul Erdos, although an atheist, spoke of an imaginary book, in which God has written down all the most beautiful mathematical proofs.“ (John Francis, Philosophy Of Mathematics (2008), page 50-51.)

 

Herbert Aaron Hauptman, 14. Februar 1917 – 23. Oktober 2011, war ein amerikanischer Mathematiker und Nobelpreisträger. Er erfand und entwickelte eine mathematische Methode, die das gesamte Feld der Chemie veränderte und eröffnete eine neue Forschungsära zur Bestimmung molekularer Strukturen kristallisierter Materialien. Heute werden Hauptmans direkten Methoden, welche er weiterhin verbesserte und verfeinerte, routinemäßig angewendet, um komplizierte Strukturen zu lösen. Die Anwendung dieser mathematischen Methode auf eine breite Vielfalt chemischer Strukturen führte dazu, dass Hauptman und Jerome Karle 1985 den Nobelpreis für Chemie erhielten.
Außerhalb des Gebiets wissenschaftlicher Forschung war Hauptman für seinen offenen Atheismus bekannt: „Der Glaube an Gott“, erklärte er einmal, „ist nicht nur mit guter Wissenschaft inkompatibel, sondern ‚zerstörerisch für das Wohlbefinden der Menschheit’.“
Outside the field of scientific research, he was known for his outspoken atheism: belief in God, he once declared, is not only incompatible with good science, but is ‚damaging to the wellbeing of the human race.’“ (The Telegraph)

 

John Forbes Nash, Jr., geboren am 13. Juni 1928, ist ein amerikanischer Mathematiker, dessen Arbeiten in der Spieltheorie, differentieller Geometrie und partieller Differentialgleichung Einsicht in die Kräfte gewährten, welche Zufall und Ereignisse innerhalb komplexer Systeme im Alltag regulieren. Seine Theorien werden in der Marktökonomie, im Computerwesen, der Evolutionsbiologie, künstlichen Intelligenz, Buchhaltung, Politik und Militärtheorie angewendet.
1994 teilte er sich den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften mit den Spieltheoretikern Reinhard Selten und John Harsanyi.
Nashs Lebensgeschichte wurde in dem Oskar-prämierten Hollywood-Film „A Beautiful Mind“ verfilmt, der sich auf den mathematischen Genius und Nashs Kampf mit seiner paranoiden Schizophrenie konzentriert.
Im Gegensatz zum Hauptdarsteller des Films, Russell Crowe, der 2007 vom Atheismus zum Glauben konvertierte, wurde John Nash zum Atheisten: „Nash, inzwischen Atheist, vereitelte eine katholische Zeremonie. Er wäre glücklich gewesen, in einem Rathaus zu heiraten.“
„Nash, by then an atheist, balked at a Catholic ceremony. He would have been happy to get married in city hall.“ Sylvia Nasar, A Beautiful Mind: The Life of Mathematical Genius and Nobel Laureate John Nash, 1999.

 

 

Sir Roger Penrose, geboren am 8. August 1931, ist ein englischer mathematischer Physiker und emeritierter Oxford-Mathematikprofessor, der etliche Preise und Auszeichnungen erhalten hat, einschließlich des Wolf Prize im Jahre 1988, welchen er sich mit Stephen Hawking teilt, für ihren Beitrag zu unserem Verständnis des Universums. Er genießt Ansehen für seine Arbeiten in mathematischer Physik, besonders für seine Beiträge zur allgemeinen Relativität und Kosmologie. In seiner Freizeit betätigt er sich als Mathematiker und Philosoph sowie als Rezensent:
„Das elegante kleine Buch von Sam Harris ist höchst erfrischend und eine wundervolle Quelle der Munition für jene, die, wie ich, an keiner religiösen Lehre festhalten. Jedoch habe ich etwas Sympathie für jene, die von seiner kompromisslosen Haltung beunruhigt sein könnten. Lesen Sie es und bilden Sie Ihre eigene Meinung, aber ignorieren Sie nicht seine Botschaft.“
Sam Harris's elegant little book is most refreshing and a wonderful source of ammunition for those who, like me, hold to no religious doctrine. Yet I have some sympathy also with those who might be worried by his uncompromising stance. Read it and form your own view, but do not ignore its message.Sir Roger Penrose, emeritus professor of mathematics at Oxford, author of The Road to Reality.

 

 

John Horton Conway, geboren am 26. Dezember 1937, ist ein produktiver Mathematiker, der zu den Theorien endlicher Gruppen, der Knotentheorie, Zahlentheorie, kombinatorischen Spieltheorie und Kodierungstheorie aktiv ist. Er hat außerdem zu vielen Feldern der Unterhaltungsmathematik beigetragen, insbesondere der Erfindung des zellulären Automaten, als Spiel des Lebens bezeichnet.
Er ist als Mathematikprofessor an der Princeton University tätig und erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Seine „Erdős-Zahl” (s.o.) ist Eins.
In einem Interview, das er 1994 der Zeitschrift The Sciences gab, äußert er sich zu Physik und Gott: „(...) Ich fühle mich wie ein Künstler. Ich mag schöne Dinge – sie existieren bereits; Menschen müssen sie nicht kreieren. Ich glaube nicht an Gott, sondern ich glaube, dass die Natur unglaublich subtil und clever ist. In der Physik zum Beispiel, ist die wirkliche Antwort auf ein Problem normalerweise so subtil und überraschend, dass sie zunächst nicht einmal in Erwägung gezogen wurde. Dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist – unmöglich! Niemand dachte auch nur daran. Und die Quantenmechanik ist noch schlimmer, aber sie ist so schön und sie funktioniert!“
„Conway propped up the pillow behind his head and grinned. "I like showing off. When I make a new discovery, and I really like telling people about it. I guess I'm not so much a mathematician as a teacher. In America, kids aren't supposed to like mathematics. It's so sad.' Conway sat up suddenly. 'Most people think that mathematics is cold. But it's not at all! For me, the whole damn thing is sensual and exciting. I like what it looks like, and I get a hell of a lot more pleasure out of math than most people do out of art!' He relaxed slightly, and he lowered his voice. ‚I feel like an artist. I like beautiful things - they're there already; man doesn't have to create it. I don't believe in God, but I believe that nature is unbelievably subtle and clever. In physics, for instance, the real answer to a problem is usually so subtle and surprising that it wasn't even considered in the first place. That the speed of light is a constant - impossible! Nobody even thought about it. And quantum mechanics is even worse, but it's so beautiful, and it works!’“, John Horton Conway in a interview with Charles Seife, The Sciences (1994).

 

Marcus Peter Francis du Sautoy, geboren am 26. August 1965, ist der Nachfolger von Richard Dawkins als Simonyi Professor for the Public Understanding of Science und Professor für Mathematik an der University of Oxford. Seine wissenschaftliche Arbeit bezieht sich hauptsächlich auf Gruppentheorie und Zahlentheorie.
Du Sautoy ist zwar Atheist, hat aber angegeben, dass er als Halter des Simonyi Professor for the Public Understanding of Science zwar in die Fußstapfen seines Vorgängers Richard Dawkins, nicht aber in dessen antireligiöse Agenda treten wird. „Ich wappne mich gegen Leute, die mich fragen, ob ich an Gott glaube. Ich bin Atheist, aber für mich ist das Wichtige das Wunder der Wissenschaft. Es gibt so viele interessante Dinge, über die man sprechen kann. Ich werde mich sehr stark auf die Wissenschaft und weniger auf Religion konzentrieren.“
As the new chair for the public understanding of science he will be stepping into the boots of Richard Dawkins, but he insists he won't be pursuing his predecessor's anti-religious agenda. ‘I'm bracing myself for people asking me whether I believe in god. I'm an atheist, but for me the important thing is the wonder of science. There are so many exciting things to talk about. My focus is going to be very much on the science and less on religion.‘”
Darüber hinaus unterstützt Du Sautoy die Organisation Common Hope, die Menschen in Guatemala hilft.

Weitere AHA!-Mathematiker

Weitere Mathematiker, denen nachgesagt wird, sei seien Atheisten, Humanisten und/oder Agnostiker, sind: Jean-Baptiste le Rond d'Alembert (1717-1783), Joseph-Louis Lagrange (1736-1813), Gaspard Monge (1746–1818), Sir John Leslie (1766–1832), François Jean Dominique Arago (1786–1853), Nikolai Ivanovich Lobachevsky (1792-1856), Elizur Wright (1804-1885), William Kingdon Clifford (1845-1879), Andrey (Andrei) Andreyevich Markov (1856-1922), Arnaud Denjoy (1884–1974), Władysław Hugo Dionizy Steinhaus (1887-1972), Frank Plumpton Ramsey (1903-1930), Sir Hermann Bondi (1919-2005), Samuel Karlin (1924-2007), John Allen Paulos (1945 geboren) und Alan David Sokal (1955 geboren).

Fiona Lorenz

Anmerkung: Die Originalzitate sind – sofern nicht anders gekennzeichnet – wikipedia entnommen

AHA! Schauspieler (3.2.2012)
AHA! Biologen (10.2.2012)
AHA! Regisseure (17.2.2012)
AHA! SciFi-Autoren (24.2.2012)
AHA! Serien (2.3.2012)
AHA! Feministinnen (9.3.2012)
AHA! Astro-Physiker (16.3.2012)
AHA! Sportler (23.03.2012)
AHA! Komponisten (30.03.2012)
AHA! Illusionisten (6.4.2012)
AHA! Rockstars (13.4.2012)
AHA! Theologen (20.4.2012)
AHA! Cartoons (27.4.2012)