Conny Reuter im Gespräch

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Conny Reuter / Foto © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Conny Reuter, Generalsekretär der europäischen Dachorganisation Solidar und Präsident der EU-Plattform für sozial engagierte NGOs, der Social-Platform, im Gespräch (Podcast). Er berichtet über seine Arbeit und blickt aus Brüssel mit einer gewissen Verwunderung auf die deutsche Situation des kirchlichen Arbeitsrechts.

Er beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Arbeit und der Themen der Solidar, dem früheren Internationalen Arbeiterhilfswerk, das 1948 auf Initiative der damaligen Sozialistischen Internationale gegründet wurde und in dem heute 59 Organisationen aus ganz Europa zusammenarbeiten. Seit 1995 gibt es ein ständiges Sekretariat in Brüssel, da man festgestellt hatte, dass man nach Brüssel gehen muss, wenn man Einfluss auf politischer Ebene haben wolle. Seit 2006 ist er Generalsekretär der Solidar, die sich vor allem in drei Bereichen engagiert: Sozialpolitik (für ein soziales Europa), Internationale Zusammenarbeit (Humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe) sowie Bildung und lebenslanges Lernen.

Solidar kann alleine auch nicht sehr viel bewegen und so gibt es verschiedene Zusammenschlüsse, beispielsweise die europäische Social Platform, als deren Präsident Conny Reuter fungiert. In diesem Netzwerk sind auch die kirchlichen Organisationen Mitglied und Vizepräsidentin der Social Platform ist die Schottin Heather Roy, die Generalsekretärin der Eurodiaconia.

Auch Caritas Europa ist Mitglied und generell geht es um eine sachgerechte politikbezogene Zusammenarbeit, egal aus welcher weltanschaulichen Begründung. Auf europäischer Ebene ist die Frage „Konfession / Konfessionslose“ kein Thema. Es wird für die Sozialpolitik eine breite Allianz gebraucht und die wird auch mit den konfessionellen Organisationen erreicht.

Insofern sei dieser Zusammenschluss etwas anderes als in Deutschland, da die Social Platform anerkannter Gesprächspartner der Europäischen Kommission und der Kommissare sei. Es gibt zudem die „spring alliance“ („Frühlings-Allianz“), ein Bündnis unter Einschluss der Gewerkschaften, der Entwicklungs- und der Umweltorganisationen, um auf die EU-Politik Einfluss zu nehmen.

Zur Situation des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland und der Abgrenzung gegenüber allgemeinen Arbeitnehmerrechten, meinte Conny Reuter, dass in Brüssel die Gewerkschaftsposition gelte: „Gleiche Arbeit, gleiche Rechte. Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort.“ Die Besonderheiten des „Dritten Weges“ stößt in vielen Ländern Europas auf Unverständnis, auch innerhalb der Netzwerke der europäischen Caritas und der europäischen Diakonie, denen es ebenfalls primär um die Frage der Arbeitnehmerechte geht, da diese Rechte in den Staaten Europas nicht auf der gleichen Höhe sind.

In Bezug auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt am 20.November zum Streikrecht, könne man aus gewerkschaftlicher Sicht nur klar sagen, dass es keine Ausnahmen geben könne.

Allerdings seien die konfessionellen Einflüsse in den Ländern Europas sehr unterschiedlich. In Schweden sei beispielsweise der Einfluss der lutherischen Kirche sehr groß, während man in der spanischen Caritas nicht primär danach frage, ob ein Mitarbeiter gläubig oder Mitglied der Kirche sei. Die besondere deutsche Rolle werde auch über den Eintrag der Kirchenzugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte ermöglicht.

Hinsichtlich der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie in den Artikel 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, sei insgesamt ein eigenartiger Umgang Deutschlands mit europäischen Richtlinien festzustellen, da es so gut wie immer eine eigene Interpretation gibt. Hinsichtlich Antidiskriminierung, Mutterschutzregelungen, u. a. blockiere die Bundesrepublik derzeit europäische Regelungen, was allerdings öffentlich kaum thematisiert wird.

Zudem sei die schon seit dem Lissabon-Vertrag bestehende Diskussion, was denn „religion and belief“ („Religion und Glaube“) genau bedeuten würde, immer noch nicht beendet, denn wo finden sich die „Nicht-Gläubigen“ wieder?

Abschließend spricht Conny Reuter noch über die zunehmenden Einfluss der Religionen in Europa, und über Religion, insbesondere den Islam, als Vorwand, um sich einer Integration zu entziehen. Er betont die Notwendigkeit, privaten Glauben und öffentlichen Einfluss der Religion genauer voneinander zu trennen, wenn eine Integration erfolgreich sein solle.

Die Fragen stellte Carsten Frerk.