Kommentar

Ich schäme mich für DIE LINKE

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Auch in tiefroten politischen Kreisen hält man sich zum kirchlichen Missbrauchsskandal in Köln und andernorts bedeckt.

Dank des Kölner Kardinals Woelki zeigt sich derzeit wieder einmal sehr deutlich, was schon lange bekannt ist: Der Umgang der katholischen Kirche mit dem jahrzehntelangen Missbrauch in den eigenen Reihen ist skandalös. Die politischen Parteien schweigen dazu. Auch die Führungsspitze der LINKEN – und das, obwohl mehr als 80 Prozent ihrer Parteimitglieder Konfessionsfreie sind. Ein Kommentar des ehemaligen Parlamentarischen Geschäftsführers und Kirchenpolitischen Sprechers der LINKEN im NRW-Landtag Ralf Michalowsky.

In Köln sind die Kirchenaustritte um 70 Prozent gestiegen – Tausende flüchten dort monatlich aus der Kirche. Woelki hat dafür gesorgt! Seit Monaten weigert er sich, ein Gutachten zu veröffentlichen, das die Untersuchung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zum Inhalt hat. Die Gläubigen schütteln nur noch den Kopf und leisten inzwischen Widerstand.

Woelkis Kollege, der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, hat vor einigen Wochen eine gemeinnützige Stiftung für "Opfer sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche" gegründet. "Spes et Salus – Hoffnung und Heil", heißt die Stiftung. Das ist seine "Flucht nach vorn", weil er selbst vor Jahren einen Täter gedeckt haben soll.

Auch das katholische Erzbistum Berlin ließ ein Gutachten erstellen. Ergebnis: 61 Geistliche waren zwischen 1946 und 2019 am sexuellen Missbrauch von Minderjährigen beteiligt. 121 Opfer sind aus den Akten bekannt. Das Erzbistum legte jetzt das Gutachten vor, in dem 440 Seiten fehlen. Die feinen Herren, die so gerne als moralische Instanz wahrgenommen werden wollen, geben an, dass sie damit die Betroffenen schützen wollen.

Meinte Gregor Gysi das etwa, als er dem Tagesspiegel sagte: "Ich glaube zwar nicht an Gott, aber ich möchte auch keine gottlose Gesellschaft" und "Ich fürchte sie sogar." In einer Gesellschaft müsse es eine allgemein verbindliche Moral als "Maßstab im Kopf" geben. Der Kapitalismus könne dies nicht, die Kirche hingegen schon – da kann unsereins nur den Kopf schütteln.

Die "Vorfälle" müssen als das bezeichnet werden, was sie sind: "Verbrechen. Tausende Täter. Tausende Opfer. Tausende Namen – tausendfach anonymes Leid." (Frankfurter Rundschau) Das passt zu den Äußerungen des von manchen als vorbildlich angesehenen Papst Franziskus. Anlässlich einer Missbrauchskonferenz im Februar 2019 bezeichnete er Kritiker der Kirche als "Freunde und Verwandte des Teufels". Von Reue keine Spur – die anderen sind schuld. Tucholsky würde sagen: "Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht."

Ob in Köln, in Aachen, in Berlin oder anderswo – auf der ganzen Welt haben Pfarrer, Bischöfe und Kardinäle Minderjährigen sexuelle Gewalt angetan. Geschützt durch ein Rechtssystem, das sie gewähren lässt. Geschützt durch Strukturen, die dafür sorgen, dass Polizei und Staatsanwaltschaften nichts erfahren und es auch nicht wollen.

Schamlos nutzt die Kirche Verjährungsfristen und hält die Missbrauchsopfer so lange hin, bis der Rechtsstaat machtlos ist. Immer steht der Schutz der Kirche und nicht der Opfer im Mittelpunkt.

In atheistischen, säkularen und laizistischen Internetforen tobt, angesichts der Lage, der Bär. Besonders stößt auf, dass der Staat die Gehälter von Kardinälen und Bischöfen mit jährlich mehr als 500 Millionen Euro bezahlt. Und zwar aus allgemeinen Steuermitteln! Jeder, der nicht einer Kirche angehört, zahlt das über die allgemeinen Steuern mit – auch das Gehalt von Woelki.

Weil kaum noch jemand daran glaubt, dass die Parteien den Mumm haben, den über 100 Jahre alten Verfassungsauftrag zur Beendigung dieser Zahlungen durchzusetzen, wurde vor einer Woche die Petition "Keine Gehälter aus Steuermitteln" auf den Weg gebracht, die eben dies fordert. Die Petition haben schon über tausend Leute unterzeichnet.

Der außerparlamentarische Weg scheint auch bitter nötig zu sein. Denn alle Bundestagsparteien halten sich zu den Missbrauchsskandalen vornehm zurück – auch die LINKE. Dabei sind deren Mitglieder zu mehr als 80 Prozent konfessionsfrei. Jede noch so geringfügige Ungerechtigkeit wird zur Kampagne aufgeblasen, doch in Sachen sexueller Missbrauch herrscht auch bei der LINKEN Schweigen im Walde.

Eine gewisse Stringenz ist allerdings nicht zu übersehen: Wer wie die Strömung "M21" (um Christiane Buchholz) die Clan-Kriminalität in Deutschland leugnet, der kann schlecht die Clan-Kriminalität der katholischen Kirche angreifen.

Der Kommentar erschien erstmals am 03.02.2021 auf der Facebook-Seite von Ralf Michalowsky. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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