Die langen Klauen des pakistanischen Anti-Blasphemie-Gesetzes

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Ensaf Haidar veröffentlichte dieses Foto auf Twitter.
Ensaf Haidar

Was haben eine saudi-arabisch-kanadische Menschenrechtsaktivistin, ein kanadischer Kolumnist und ein iranisch-stämmiger australischer schiitischer Geistlicher gemein? Sie alle haben mit ihren Tweets Islamismus kritisiert und sie alle wurden von Twitter wegen Verstoßes gegen das pakistanische Anti-Blasphemie-Gesetz ermahnt. Keiner von ihnen lebt in Pakistan. Twitter beruft sich auf rechtmäßige Behördenmeldungen.

Die Menschenrechtsaktivistin Ensaf Haidar hatte mit ihrem Tweet gegen die Verpflichtung von Frauen zum Tragen des Niqab protestiert. Der kanadische Kolumnist Anthony Furey hatte eine Collage von Mohamed-Karikaturen erstellt. Und der australische Kleriker Mohammad Tawhidi hatte nach einem Mordfall in Melbourne die australische Polizei zur Untersuchung von Extremismus in Moscheen aufgerufen. Offenbar alles Fälle, die in Pakistan unter das Anti-Blasphemie-Gesetze fallen und sogar die Todesstrafe nach sich ziehen könnten. Auch wenn diese Äußerungen in Pakistan als Blasphemie strafbar sind, fragt sich, warum Menschen außerhalb Pakistans nun vom Mikroblogging-Dienst abgemahnt werden. Twitter beruft sich darauf, dass Behördenmeldungen nachgegangen werde und die Entfernung mancher Inhalte womöglich notwendig sei. Erst im Sommer hatte Pakistan Twitter mit der Androhung eines landesweiten Twitter-Verbotes unter Druck gesetzt.

In den letzten Wochen und Monaten haben immer wieder Nachrichten zur Verfolgung vermeintlicher KetzerInnen in Pakistan für Empörung gesorgt. Besonders bekannt wurde dabei der Fall Aasiya Noreens, die wegen Blasphemie zunächst eingesperrt und kurzfristig freigesprochen wurde und vor einer erneuten Inhaftierung sowie einem Lynchmob fliehen konnte. Damit hatte sie mehr Glück als mindestens 70 andere Menschen, die seit 1990 der Blasphemie beschuldigt und gelyncht wurden. Obwohl bisher niemand von offizieller Stelle wegen Gotteslästerung mit dem Tode bestraft wurde, sitzen derzeit 40 Personen wegen dieses Vergehens in der Todeszelle. Teilweise warten sie bereits seit Jahren auf weitere Gerichtsentscheidungen.

Das Aufspüren von vermeintlich blasphemischen Inhalten wird durch moderne Technik erleichtert. Ein indonesisches Beispiel, welches auch in anderen Ländern mit Anti-Blasphemie-Gesetzen Schule machen könnte, ist die Melde-App Smart-Pakem.

Als äußerst praktisch erweisen sich die Möglichkeiten der Ketzer-Meldungen auch, um unliebsame NachbarInnen oder die Konkurrenz mittels Anzeige loszuwerden.

Haidar, Furey und Tawhidi haben beschlossen, mit der Abmahnung durch Twitter an die Öffentlichkeit zu gehen und weiterzumachen. Haidar, Ehefrau des seit 2012 wegen "Beleidigung des Islam" inhaftierten Bloggers Raif Badawi, erklärte keine Angst zu haben ihre Meinung zu sagen und sich auch von Twitter nicht mundtot machen zu lassen.