Wer hat das Sagen in der katholischen Kirche? Der derzeitig amtierende Papst Franziskus, der vergleichsweise moderat bis (nach Kirchenverhältnissen) revolutionär agiert oder die Riege der Erzkonservativen um den abgedankten Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI.? Derzeit treten die inneren Machtkämpfe im Vatikan deutlicher denn je zutage. Aktueller Anlass: Der Zölibat.
Eigentlich wollte er sich ja nicht mehr einmischen. "Bedingungslose Ehrerbietung und (…) bedingungslosen Gehorsam" hatte der ehemalige Papst Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt gegenüber seinem Nachfolger erklärt. Doch er kann es einfach nicht lassen. Immer wieder meldet sich der 92-Jährige öffentlich zu Wort. Diesmal handelt es sich gar um unmittelbare Kritik am aktuellen Papst.
Im Herbst hatte sich die Amazonassynode dafür ausgesprochen, angesichts des dortigen Priestermangels auch verheiratete Familienväter (sogenannte "viri probati") zu weihen (der hpd berichtete) – ohne damit jedoch die verpflichtende zölibatäre Lebensweise katholischer Geistlicher in Frage stellen zu wollen. Der Beschluss der Synode war nicht bindend, eine Entscheidung von Franziskus steht noch aus.
Nun hat sich ein anderer (ungefragt) dazu geäußert, nämlich Joseph Ratzinger, im gestern in Frankreich erschienenen Buch "Aus der Tiefe unserer Herzen". Verfasst hat es der erzkonservative Kardinal Robert Sarah in Zusammenarbeit mit dem Ex-Papst. Der Zölibat sei unverzichtbar, meint dieser darin, und die Kirche sei keine menschliche Institution, sondern ein "Mysterium". Außerdem sei die Kirche die Braut Christi und auch die Priester seien mit ihr verheiratet. Anderweitig schon verheiratete Priester ergäben keinen Sinn.
Die französische Zeitung Le Figaro hatte vorab Auszüge des Buches veröffentlicht, in denen es beispielsweise heißt, die katholische Kirche dürfe sich nicht von "schlechten Einlassungen, Theatralik, diabolischen Lügen und im Trend liegenden Irrtümern" beeinflussen lassen, "welche den priesterlichen Zölibat entwerten wollen". Die "ständige Infragestellung" des Zölibats würden Priester "verwirren". Da die Ehe "den Mann in seiner Gesamtheit" beanspruche und das beim Priesteramt ebenfalls der Fall sei, "scheint es nicht möglich, beiden Berufungen gleichzeitig nachzugehen".
Doch kaum war die Katze aus dem Sack, ruderte der emeritierte Papst wieder zurück: Er sei gar nicht Mitautor des Buches und man habe ihn auch nicht darüber informiert, dass sein Name auf dem Buch stehen würde, erklärte sein Privatsekretär Georg Gänswein der Öffentlichkeit. Der Verlag wurde aufgefordert, Ratzinger nicht als Co-Autor zu nennen, was allerdings erst bei der nächsten Ausgabe des Buches umgesetzt werden soll. Es erschien nun unverändert, samt Bild des emeritierten Katholiken-Oberhaupts auf dem Cover.
Kardinal Sarah, Präfekt der vatikanischen Gottesdienstkongregation und für die Sakramentenordnung, meldete sich ebenfalls zu Wort und veröffentlichte seinen Schriftwechsel mit Ratzinger, aus dem hervorgeht, dass dieser in den Entstehungsprozess des Buches eingebunden war und schriftlich der Veröffentlichung seines Beitrags zugestimmt hatte, nachdem Sarah vorgeworfen worden war, er habe den einstigen Papst für seine Zwecke instrumentalisiert.
Letztlich ist dieses peinliche Theater jedoch völlig irrelevant, denn der entscheidende Text im Buch stammt definitiv vom früheren Benedikt XVI. Mit den darin getroffenen Aussagen hat er sich klar gegen die angedachte Aufweichung der Absolutheit des Zölibats positioniert und sich damit ganz bewusst eingemischt – und das auch noch vor der Stellungnahme des amtierenden Papstes. Warum das ganze Hin und Her? Einen PR-Gag kurz vor Erscheinen seines neuen Buches will man Ratzinger ja nicht unterstellen. Ein Mann, der in seiner Institution schon alles erreicht hat und Autor zahlreicher Schriften und Bücher ist, dürfte so etwas auch gar nicht nötig haben.
Der Vorfall unterstreicht etwas anderes einmal mehr: Wie unterschiedlich die beiden Männer an der Spitze des Vatikan sind. Jorge Bergoglio, der Praktiker aus Südamerika, der wenigstens noch ansatzweise einen Bezug zur Lebensrealität der Menschen hat und von früher noch weiß, was echte Probleme sind. Auf der anderen Seite der Theoretiker Joseph Ratzinger, der sich schon vor Jahrzehnten aus der diesseitigen Welt verabschiedet hat und seither nicht mehr aus den künstlichen und verschrobenen Gedankengebäuden der Theologie aufgetaucht ist.
Auch veranschaulicht die Geschichte deutlicher denn je, wie die Konservativen im Vatikan gegen den Reformen nicht ausschließenden Papst vorgehen und lässt erahnen, mit welch intrigantem Verhalten sie versuchen, dessen Arbeit zu behindern und jede Progressivität im Keim zu ersticken. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass die Riege der Ewiggestrigen den alten Papst für ihre Zwecke instrumentalisiere.
Franziskus lässt derweil Taten sprechen und berief eine Frau in die "Regierung": Francesca Di Giovanni, von Beruf Juristin, ist künftig im Staatssekretariat für die Koordinierung multilateraler Beziehungen verantwortlich und damit die hochrangigste weibliche Führungsperson. Auch hierin könnte man möglicherweise eine symbolische Verbindung zur Amazonassynode sehen: In der Abschlusserklärung war gefordert worden, Ämter für Frauen und Männer in gleichberechtigter Form zu fördern und zu vergeben – sogar die Zulassung von Frauen zum Diakonat soll (wieder) geprüft werden.
15 Kommentare
Kommentare
Rene Goeckel am Permanenter Link
Alles was mich interessiert ist, hatte B16 auch seine roten Schuhchen an? Hätten ja gepasst zu seinem lustigen Hütchen. (siehe Bild)
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Es ist eigentlich nicht wert sich mit diesem verklemmten Pack zu beschäftigen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Dieses 'verklemmte Pack" sind halt auch nur Menschen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
naja, wenigstens sehen sie so ähnlich aus, ich weiss meine Terminologie ist oft etwas krass, das kommt vielleicht daher, dass noch keine einzige Strafanzeige gegen Kindesmissbrauch von Geistlichen angenommen und verha
Wie gesagt, bei Menschen gibt es solche und solche, leider, wäre es nicht so wäre die Welt in Ordnung und niemand käme zu Schaden. (ja wieder nur Konjunktiv)
Charly am Permanenter Link
An Gott zu glauben ist nicht vernünftig!
„Nicht Gott schuf den Menschen, sondern der Mensch schuf Gott“
Was machte er vorher, bevor er schuf????
Epikur am Permanenter Link
Diese KIrche ist eben kein Mysterium, sondern vom Menschen gemacht. Im Mittelalter hatte der Zwangszölibat eine praktische Bedeutung.
Wolfgang am Permanenter Link
"Außerdem sei die Kirche die Braut Christi und auch die Priester seien mit ihr verheiratet. "
Wie viele Priester sind denn mit der Braut Christi verheiratet? Gibt es im Vatikan erlaubte Mehrehen? Die arme Braut.....
Thomas Reutner am Permanenter Link
"Diabolische Lügen und im Trend liegenden Irrtümer." Gemeinhin auch bekannt als rationales Denken.
*Ja, der liebe Heiland im Himmal hat den Teufel nicht erschaffen. Satan war ein abtrünniger Engel, der sich gegen den Allmächtigen gestellt hat, obwohl er wusste, dass der allmächtig und allwissend ist (immerhin hat er ihn persönlich gekannt)... aber die Eifersucht war einfach zu groß.
Ratzinger hat recht. Wenn man anfängt die Dogmen aufzuweichen, wo setzt man dann die Grenze? Zwei evangelische Kirchen, in denen man glauben darf was man will, braucht man wirklich nicht.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Rettet den Zölibat !
Warum die Aufhebung des Zölibats keine gute Idee ist.
1. die Gelegenheiten zum Kennenlernen heiratswilliger Frauen dürften in den Priesterkasernen eher selten sein. Selbst Elite-Partner.de dürfte da nicht helfen.
2. die Ehevorbereitung dürfte deutlich mehr Zeit erfordern als in dem neuen spanischen Modell, das der Beitrag von H. Camargo schildert. Ob die Liebenden das jungfräulich überstehen ? Man stelle sich das vor: eine sichtbar Schwangere als Braut eines Priesters am Altar ?
3. Die Anforderungen an die Braut dürften exorbitant sein, was die katholische Gläubigkeit angeht. Diese auszuarbeiten dürfte mindestens noch Jahrzehnte dauern.
4. Der Bräutigam wird nicht nur die Zustimmung des Brautvaters einholen müssen, sondern auch die seines Bischofs zur Braut. Man kann sich dessen hochnothpeinliche Fragen gut vorstellen. Im weiteren Verlauf der Ehe dürften ebenso peinliche Kontrollen durch den Bischof Pflicht werden.
5. Die Anforderungen an Sexualität und Kommunikationsfähigkeit dürften bei einem Priesterehepaar deutlich höher sein als bei einem Ehepaar gläubiger Laien. Sie müssten erst noch im Detail ausgearbeitet werden. Zeitrahmen ? Siehe 3.
6. Die armen Kinder ! Zum einen werden es, der katholischen Empfängnisverhütung geschuldet, recht viele sein. Zum anderen werden sie von Kindesbeinen an zum Extremfrömmeln verpflichtet sein.
7. Es wird eine 2-Klassen-Priesterschaft geben. Spätestens zum Amt des Bischofs werden vermutlich nur noch unverheiratete Priester zugelassen werden. Es könnte aber auch umgekehrt sein: dass nur noch verheiratete Priester mit Kindern in der Hierarchie aufsteigen, da diese – nach Meinung der Kirchenoberen – ihre Heterosexualität bewiesen hätten. Zeitrahmen für die Klärung dieser Fragen ? Siehe 3. wenn nicht noch länger
8. Für Homosexuelle wäre das Priesteramt kein Schutzraum mehr. Alibiehen könnten um sich greifen.
9. Was den Kindesmissbrauch angeht, könnte von gefrusteten Ehemännern eine gleich große Gefahr ausgehen wie von einsamen Junggesellen. Außerdem greift das – wie oben begründet - erst bei der nachzölibatären Priester-Generation. Und es bleibt die Hoch-Risikogruppe der Priester, die sich nach wie vor dem Keuschheitswahn verpflichtet fühlen; die Gefahr, die von dieser Gruppe ausgeht, könnte dann massiv unterschätzt werden.
10. Man möchte sich gar nicht vorstellen was passiert, wenn die Ehe trotz allem dann doch nicht funktioniert aber mit aller Gewalt zusammengehalten werden muss.
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
die beiden Gottes-Vertreter zwingen ihren Chef
zu einer Stellungnahme.
Ich bin mal gespannt, ob dies im Fernsehen
übertragen wird.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Wolfgang am Permanenter Link
Die beiden Gottesvertreter? Sind eher "Staub-Sauger-Vertreter! Es wird Zeit, das endlich mal der Boss kommt und sich seine beiden Gottesvertreter zur Brust nimmt.
Armin Pieroth am Permanenter Link
Jupiter hätte einen der beiden mit dem Blitz erschlagen. Ein Schlaganfall wirds auch tun, und das kommt bestimmt in den Nachrichten. Warten wir's ab.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Schon Ludwig Thoma wusste in seinen fiktiven Josef Filser Briefen den Zölibat richtig einzuschätzen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Außerdem sei die Kirche die Braut Christi und auch die Priester seien mit ihr verheiratet" - und außerdem fliegt zwischen Mars und Jupiter eine (auch mit dem besten Teleskop nicht erkennbare) Teekanne um di
Oh my Tok!
Wolfgang am Permanenter Link
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus!
Sie sind "Schwarze" aber tragen weiß! Seltsam, seltsam!