Worood Zuhair und die nackte Revolution

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Zuhair lebt in Deutschland und hat dem islamischen Patriarchat den Kampf angesagt. Im Irak hatte sie zuvor häusliche Gewalt erlebt. Sie rät betroffenen Frauen, die Täter öffentlich bloßzustellen und fordert, mit der Zurschaustellung der eigenen Nacktheit dem islamisierten Gesellschaftssystem abzuschwören.

Worood Zuhair hat aufgrund familiärer Übergriffe schwere Rückenmarksverletzungen erlitten. Zuletzt versuchte ihr Vater, sie zu erwürgen. Die 34-jährige Biologin stammt aus Karbala, sie floh aus dem Irak und lebt seit 2016 in Deutschland. In ihrem Herkunftsland herrschen Männer, die Frauen mittels körperlicher und psychischer Gewalt in ausweglose Situationen treiben. "Ich hatte zwei Freundinnen, die sich lebendig verbrannt haben", erklärt Zuhair, die eigentlich einen anderen Namen trägt. "Eine meiner Freundinnen war unsere Nachbarin gewesen. Sie war bereits im Alter von 13 Jahren verheiratet worden und hatte vier Kinder. Ihr Mann schlug sie. Dann wollte sie immer zu ihren Eltern zurück. Doch die sagten, sie könnten nichts für sie tun. Da hat sie sich mit Benzin übergossen und angezündet."

Zuhair rät Frauen, übergriffige Männer öffentlich bloßzustellen. "Das einzige, was die Gewalttäter fürchten, ist es, wenn man Schande über die Familie bringt." Für ihr Vorgehen erhält sie Morddrohungen, auch aus Deutschland.

Besucher Babylons schritten durch das Ischtar-Tor ins damalige Zentrum der Welt. – Foto von: Rictor Norton | Lizenz: (CC BY 2.0
Besucher Babylons schritten durch das Ischtar-Tor ins damalige Zentrum der Welt.
(Foto: Rictor Norton | Wikimedia, Lizenz: CC BY 2.0)

Auf die Frage, was der Grund für die Gewalt sei, antwortet Zuhair mit nur einem Wort: Religion. Aber auch die traditionelle Stammeskultur des arabischen Raums spiele eine Rolle. All das seien Erfindungen von Männern.

Den islamischen Verkündigern setzt Zuhair eine weibliche Identifikationsfigur entgegen: Ischtar, Göttin der Liebe und des Krieges. Sie wurde im alten Irak verehrt, das heißt zunächst ab 3.000 vor Beginn unserer Zeitrechnung als Inanna in Sumer und dann als Ischtar in Babylon. Später wurde Ischtar zum Vorbild für die griechische Aphrodite und für Venus bei den Römern. Der alte Irak beziehungsweise der gesamte mesopotamische Raum ist die Wiege unserer Zivilisation und Kultur.

Worood Zuhair hat in Ischtars Namen eine moderne Frauenbewegung gegründet: "Die nackte Revolution".

In ihrem gleichnamigen Buchmanuskript, das sie auf Arabisch verfasst hat, schreibt Zuhair, dass der freie Körper die Grundlage zum Aufbau unserer Lebensfähigkeit sei. Werde er durch Riten und Vorstellungen der Verkündigungsreligionen zwangsweise eingeengt, unterdrücke das die tatsächlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen. Das führe mitunter zu jener Gewalt, die Zuhair und andere erlebten.

Zuhair setzt dem patriarchalen Islam, der ja auch ganz offen zu frauenfeindlichem Handeln auffordert, ein matriarchales System entgegen. Es basiert auf freier Partnerwahl. Das erst würde zu einer gesünderen Gesellschaft führen. Nicht das Dominanzverhalten, sondern das echte Bemühen umeinander stünde dann im Vordergrund.

Venus von Willendorf (ca. 27.000 v. Chr.) Der Kult um eine große Mutter war in ganz Europa verbreitet. – Foto von: Matthias Kabel |Lizenz: (CC BY 2.5)
Venus von Willendorf (ca. 27.000 v.u.Z.); der Kult um eine große Mutter war in ganz Europa verbreitet.
(Foto: Matthias Kabel | Wikimedia, Lizenz: CC BY 2.5)

Zuhairs Buch ist aber auch eine lesenswerte Kulturgeschichte der Nacktheit. Die ersten und wichtigsten Gottgestalten der Menschheit waren Frauen, und zwar über 30.000 Jahre hinweg. "Mutter Erde", Fruchtbarkeit und die Geburt von Leben waren den Menschen einst heiliges Mysterium. Zuhair zeigt mit intellektueller Schärfe, dass es bei den abrahamitischen Religionen, aber auch bei den Begriffen von Ehre und Schande, letztlich immer um die Kontrolle dieses weiblichen Körpers geht. Ziel sei die Verbreitung des männlichen genetischen Materials auf die denkbar brutalste Weise. Provokant, aber fundiert bis ins Detail beweist sie ihre These aus geschichtlicher, biologischer und soziologischer Perspektive.

Selbstbestimmte weibliche Nacktheit erscheint da als Tabubruch und als Ausbruch aus dem männlichen System. Dazu fordert Worood Zuhair die Frauen auf.

Auch beschreibt Zuhair die deutsche Lebenswirklichkeit von jungen Männern, die islamisch-patriarchal sozialisiert sind. Sie erlägen ihrer erlernten Misskonzeption von Sexualität. Das führe zu sexuellem Frust. Hierzulande werden sie im öffentlichen Raum gegenüber Frauen dann auch schnell sexuell übergriffig oder herabsetzend. Gleichzeitig fehlten in Deutschland die autoritären Schranken, die sie im Zaum hielten. Zuhair habe solch übergriffiges Verhalten am eigenen Leib erlebt, auf der Straße und in der U-Bahn. "Ich will nicht mehr angefasst werden", stellt Zuhair klar.

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