Der Staatschef im damaligen kommunistischen Polen, Wojciech Jaruzelski, verhängte am 13. Dezember 1981 den Kriegszustand im ganzem Land. Die Bürgerrechte wurden außer Kraft gesetzt, führende Mitglieder der Opposition wie Lech Wałęsa verhaftet und Schlüsselinstitutionen des Staates und des öffentlichen Lebens unter militärische Kontrolle gestellt.
Am am 13. Dezember 2016 hat auf Befehl des wirklichen Alleinmachhabers im heutigen Polen, Jarosław Kaczyński, das von der regierenden PiS-Partei beherrschte Parlament ein Gesetz, welches das Demonstrationsrecht weitgehend einschränkt, verabschiedet.
Es stellt sich die Frage: Soll die Wahl ausgerechnet dieses Datums die Opposition einschüchtern?
Schon das ganze Jahr setzt die regierende rechtsnationale PiS die "Reformen" um, die auch andere Grundrechte einschränken und demokratische Institutionen – wie Verfassungsgericht oder freie Medien – lähmen, abschaffen oder unter Kontrolle von PiS-treuen Funktionäre stellen sollten.
Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) rief deshalb am 13. Dezember zu Massenprotesten unter dem Motto "Bürgerstreik" auf. "Heute wie vor 35 Jahren greift uns die Regierung an und nimmt uns unsere Freiheit", sagte der KOD-Führer, Mateusz Kijowski.
In 81 Städten in Polen und 30 Städten im Ausland haben Polen um die Opfer des Kriegszustandes getrauert und gegen die derzeit entstehende Diktatur protestiert. Allein in Warschau versammelten sich ca. 30.000 Demonstranten vor dem einstigen Parteisitz der Kommunisten und zogen dann zum Parteigebäude der Regierungspartei PiS.
Parallel zur KOD-Veranstaltung versammelten sich in Warschau die Anhänger der Regierungspartei. Ihre Anzahl waren wesentlich kleiner als die der Oppositionellen. Schwer zu sagen, ob es ihnen zu frostig war an diesem Dezemberabend oder die PiS nicht mehr imstande ist, ihre Anhänger zu mobilisieren…
Über die Kundgebungen am 13. Dezember haben auch die Medien in Deutschland berichtet. Ich möchte auf einige wichtige Dinge hinweisen, die bei den KOD-Demonstrationen neu waren und die in der Berichterstattung keine Rolle spielten.
Erstens haben sich die Proteste deutlich verschärft. Es wird nicht nur mehr für Demokratie, Freiheit und für das Verfassungsgericht demonstriert. Am 13. Dezember 2016 gingen die Menschen auf die Straßen gegen die PiS-Regierung, gegen den Diktator Kaczyński und gegen Nationalismus. Alle Redner auf der Bühne vor dem Sitz der PiS-Partei waren kämpferisch.
Die Rede des legendären "Solidarność"-Führers, Władysław Frasyniuk, wurde mit stürmischem Beifall besonders gefeiert. Er erzählte, was die während des Kriegsrechts im Gefängnis in Łęczyca inhaftierenden Oppositionellen taten: Einer von ihnen stieg zu dem sich hoch unter der Decke befindendlichen Fenster hinauf und rief mit voller Kraft "Jebać komunę" (Fickt die Kommunisten) und alle andere in der Zelle antworteten "Jebać jebać i się nie bać!" (Ficken, ficken und nicht fürchten). Frasyniuk zeigte auf das Gebäude der PiS und alle Anwesenden antworteten sehr laut: "Jebać, jebać i się nie bać!"
Und zweitens – was für mich besonders wichtig und erfreulich ist – zum ersten Mal bei einer KOD-Demonstration wurden die weltanschaulichen Postulate artikuliert. Vor der Bühne standen große Transparente "Świecka szkoła" (Säkulare Schule) und "Świecka Polska" (Säkulares Polen).
Während des Marsches und vor der Bühne wurde Parole skandiert wie "Świecka szkoła, religia do kościoła" (Säkulare Schule, Religion in die Kirche). In den internen Debatten unter KOD-Mitgliedern werden die weltanschauliche Themen – wie die völlige Trennung der Kirche und des Staates – immer mehr diskutiert.
Auch die Frauen, deren "Schwarzer Protest" ein großer Erfolg war und die PiS-Regierung zwang, die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes zurückzuziehen, schließen die Reihen. 38 verschiedene Frauenorganisationen (Verbände, Stiftungen, bürgerliche Initiativen etc.) haben eine Koalition gegründet. In der Gründungserklärung schreiben sie u.a.: "Großes Erwachen der Frauen; Märsche, Demonstrationen, Streikposten, Gesetzgebungsinitiativen, Unterschriftensammlungen und hunderte kleinere und größere Basisinitiativen zeigten, dass die um das Recht über das eigene Leben zu entscheiden kämpfenden Frauen stark, determiniert und wirksam sein können. Jetzt ist es an der Zeit, die Kräfte zu vereinigen. Deshalb gründen wir die Koalition, deren Hauptziel das Organisieren und Koordinieren landesweiten Frauenaktionen, und das öffentliche Stellungnehmen in den die Frauen betreffenden Schlüsselfragen ist. Die Koalition wird die nächsten landesweiten Aktionen abstimmen, wie Streiks und Proteste, um ihre höchstmögliche Wirkung abzusichern"
3 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Jeszcze Polska nie zginęła,
Andrzej Wendryc... am Permanenter Link
Genau !!
Paul am Permanenter Link
Ich gehe davon aus, das vor 35 Jahren genau die laut nach Freiheit geschrien haben, die sie heute einschränken wollen. Manche ziehen eben nie Lehren aus der Vergangenheit.