Sunday Assembly

Sonntagsversammlungen erstmals auch in Deutschland

BERLIN. (hpd) Bereits seit eineinhalb Jahren sorgt Sunday Assembly für Aufsehen, aber auch für manche Irritation. Und zwar sowohl bei Atheisten als auch bei religiösen Zeitgenossen. Die Sonntagsversammlungen - von und für Menschen ohne Religion - wurden Anfang letzten Jahres in London ins Leben gerufen; mittlerweile haben sie eine rasante Verbreitung insbesondere in mehreren englischsprachigen Ländern mit gegenwärtig bereits 28 Assemblies gefunden. Die Medien berichten deshalb von einem Boom der “Atheistischen Gottesdienste”.

Am 28. September sollen zu den vorhandenen Gemeinden insgesamt 32 weitere hinzukommen und erstmals Versammlungen abhalten, darunter in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und den USA. Ab Anfang 2015 sollen dann noch weitere 15 Assemblies dazukommen.

Und auch in Deutschland startet Sunday Assembly in diesem Monat. In Berlin und Hamburg finden am letzten Sonntag im September erstmals Sonntagsveranstaltungen statt.

Motto: “Lebe besser, hilf oft, staune mehr”

Das (weltweite) Motto der Gemeinschaft gilt auch für die Berliner und Hamburger Initiativen: “Lebe besser, hilf oft, staune mehr” (“Live better. Help often. Wonder more”). In Berlin ist für die Versammlung u.a. ein Vortrag des in Berlin lebenden Philosophen Stephen Cave (Autor des Buches 
“Unsterblich - Die Sehnsucht nach dem ewigen Leben als Triebkraft unserer Zivilisation”) vorgesehen, bei dem es um das Motto der Sunday Assembly gehen wird.

In Hamburg wollen die Veranstalter mit dem Thema überraschen. Auf (bisherigen) Vorbereitungs-Versammlungen in allerdings kleinerem Rahmen stand u.a. das Thema “freier Wille” im Mittelpunkt. Dabei wurden anhand des Buches “Jenseits von Gut und Böse” des Philosophen Michael Schmidt-Salomon Aspekte aus den Naturwissenschaften sowie kulturelle Faktoren und Rechtssysteme vorgestellt. Es wurden Texte aus dem Film “Waking Life” vorgelesen, in denen es um die menschliche Existenz, die Wahrnehmung und die Realität ging.

“Gut sein ohne Gott – Ethik und Weltanschauung für Kinder und andere aufgeklärte Menschen” war eines der weiteren Themen, die in Hamburg bereits auf der Tagesordnung standen. Gesang natürlich nicht zu vergessen: Musikstücke wie “Über den Wolken” (Reinhard Mey), “Lean on me” (Bill Withers), “Imagine” (John Lennon) und “Geboren” (Die Fantastischen Vier) wurden gespielt - und es wurde kräftig mitgesungen.

Die Veranstaltungen: Gesang, Philosophie, Stille - Gemeinschaft

Die Versammlungen ähneln in ihrer Struktur durchaus Gottesdiensten, ist doch immer gemeinsamer Gesang (von Popsongs), ein Vortrag aus dem Bereich der Philosophie oder der Naturwissenschaft, die Lesung eines philosophischen oder literarischen Textes, ein persönlicher Bericht, und auch gemeinsames Schweigen vorgesehen.

Rituale gewiss, aber keine religiösen. Im Mittelpunkt steht stets die Beschäftigung mit menschlichen Werten und ethischen Fragen. Ziel ist nicht nur, möglichst viele humanistisch gesinnte Menschen zum regelmäßigen Besuch der Versammlungen, zum Mitmachen zu erreichen. Inspiriert werden soll auch zu sozialem Engagement.

Gemeinschaft und Versammlungen ohne Gott – aber mit humanistischen Werten

Von “Atheistischen Gottesdiensten” kann allerdings keine Rede sein, auch wenn schon von einem “Tempel für Atheisten” geschrieben wurde Einen “Gottesdienst” will niemand abhalten, schon deshalb nicht, weil ein “Gott” im Konzept der Atheisten, Agnostiker, Humanisten nicht vorhanden ist.

“Sunday Assembly ist eine Gemeinde ohne Gott, die sich trifft, um das Leben zu feiern und gemeinsam das Beste aus unserer Zeit auf diesem Planeten zu machen,” schreiben die Initiatoren der Berliner Sunday Assembly, darunter die Autorin Sue Schwerin von Krosigk und der Dozent Ulrich Tünsmeyer, in einem in diesen Tagen in Berlin verbreiteten Flyer. Sie haben sich von den Berichten über Sunday Assembly über die Versammlungen in England, Kanada, USA, Australien und anderen Ländern motivieren, inspirieren lassen. Ihr Vorhaben beschreiben sie so: “Die positive Energie, die von der Sunday Assembly ausgeht, die ansteckende Lebensfreude in den Versammlungen - das ist genau das, was uns hier in Berlin fehlt. Hier in der Hauptstadt der Konfessionslosen gibt es zwar viele einzelne Veranstaltungen für Atheisten, Agnostiker, ‘Nones’ und Skeptiker, aber keinen Ort, an dem gemeinsam dieses eine Leben gefeiert wird, das wir haben. Deshalb starten wir hier in Berlin unsere Sunday Assembly.”

Die Vorstellung der Gründung einer “Atheistischen Kirche” sorgt bei den beiden eher für Heiterkeit. Einen Vergleich mit Kirchenveranstaltungen scheuen sie jedoch nicht: “Sunday Assembly lehnt sich in der Form an bewährte Elemente der Kirche an, allerdings ohne religiösen Bezug.” Sie wollen durch die Versammlungen “aktive Gemeinschaft fördern, zum Nachdenken anregen und inspirieren, das Leben sinnvoll zu gestalten.”

Die beiden Hamburger Initiatoren, die Organisationsentwicklerin Vanessa Boysen und der User Experience Designer Rainer Sax, betonen, dass sich in Hamburg bereits in kurzer Zeit eine feste Gruppe gebildet habe und hoffen auf noch größeren Zulauf und mehr Aktivitäten nach dem 28. September. Für sie sind Rituale von Bedeutung, bei denen man sich Zeit für Besinnung nimmt; wichtig für sie ist die Vermittlung von Werten, aber auch von Zuversicht, die zu ihrem Leitbild gehört, – nicht nur durch Philosophieren, sondern auch durch Gemeinschaft.