Diese Woche ereignete sich einmal mehr ein Drama, das aufwühlte. Eine 82-jährige Frau schoss in Küsnacht (Schweiz) auf ihren 90-jährigen Ehemann und richtete anschließend die Waffe gegen sich. Sie starb, er überlebte schwer verletzt.
Ende August ereignete sich im Zürcher Quartier Albisrieden eine ähnliche Tragödie. Ein Betagter erschoss seine Frau und anschließend sich selber.
Ein dritter Fall: Im Januar 2018 schlich ein 83-jähriger Mann ins Spital von Affoltern am Albis und tötet seine kranke gleichaltrige Ehefrau mit einer Waffe. Danach beging er Suizid. Die beiden hatten geplant, gemeinsam in den Tod zu gehen, wie die Angehörigen berichteten.
Es ist offensichtlich, dass es sich bei den erweiterten Suiziden um Liebesdramen handelte. So, wie die Paare gemeinsam gelebt hatten, wollten sie gemeinsam sterben, weil einer der Partner krank war.
Es ist schwer vorstellbar, was Menschen dazu bringt, ihren geliebten Lebenspartner zu erschießen und sich nachher selbst zu töten. Angst und Verzweiflung müssen grenzenlos sein, wenn alte Personen zu diesem finalen Mittel greifen.
Es stellt sich die Frage, ob es nicht andere Wege gäbe, den verzweifelten Menschen zu helfen oder sie zu erlösen. Es gibt eine sanfte Möglichkeit, doch scheinen speziell alte Menschen noch nicht mit ihr vertraut zu sein: Die Freitodbegleitung.
Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass der begleitete Suizid früher sehr anrüchig war. Konservative Kreise und die Landeskirchen verteufelten Institutionen für humanes Sterben wie Exit und Dignitas erfolgreich.
In den letzten Jahren ist aber ein Gesinnungswandel zu beobachten, die Akzeptanz ist deutlich gestiegen. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass die seriöse und verantwortungsbewusste Freitodbegleitung ein Segen sein kann.
Einzig die katholische Kirche und die Freikirchen stemmen sich nach wie vor mit aller Macht dagegen, dass kranke und verzweifelte alte Menschen frei über ihr Leben und somit auch ihren Tod entscheiden können.
Sie führen religiöse Dogmen an und berufen sich auf 2.000 Jahre alte Denknormen aus der Bibel. Frei nach dem Motto: "Gott hat das Leben gegeben, Gott wird es nehmen."
In der Bibel werden zwar mehrere konkrete Suizide beschrieben – vorwiegend im Alten Testament – doch werden die Selbsttötungen nicht bewertet. Es heißt also nicht, Suizid sei verboten oder eine schwere Sünde. Es gibt aber mehrere Stellen, die insinuieren, dass das Leben Gott gehört.
Da kommen Fragen auf: Was hat Gott davon, wenn er Menschen, die das Leben in Würde gemeistert haben, sinnlos leiden sieht? Ergötzen wird er sich wohl kaum daran. Und was bringt es ihm, wenn ein greiser Mensch ein paar Monate länger lebt? Leidend!
Was bringt es dem todkranken Patienten? Mehr Wille? Mehr Lebenserfahrung? Ein erweitertes Bewusstsein? Vielleicht. Doch was nützt ihm dies, wenn er eh bald stirbt und die neuen Erkenntnisse nicht mehr anwenden kann?
Am Lebensende verschieben sich Perspektiven und Lebenssinn radikal. Es geht nicht mehr darum, etwas zu leisten oder einen sinnvollen Beitrag zum Gemeinwohl beizusteuern.
Nein, es geht darum, den vielleicht schwersten Lebensabschnitt in Würde zu bewältigen. Es geht darum, dass auch alte Menschen die geistige Autonomie und die Freiheit der Selbstbestimmung behalten. Und es geht darum, dass sie sich allenfalls von den Ängsten befreien, dass Gott ihnen den Himmel verwehren und sie in die Hölle verbannen könnte.
Denn nur diese geistige Freiheit könnte in Zukunft alte Leute daran hindern, die Pistole in die Hand zu nehmen und den geliebten Lebenspartner zu erschießen. Eine solche Unabhängigkeit kann sie befähigen, allenfalls die Hilfe von Organisationen in Anspruch zu nehmen, die einen würdigen Tod ermöglichen.
Anmerkung: Der Autor ist Mitglied des Patronatskomitees von Exit, der Vereinigung für humanes Sterben.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.
5 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Leiden ist eine gnadenvolle Möglichkeit am Sterben Christi teilzuhaben. Mit Sterbehilfe beraubst du dich egoistisch dieser Möglichkeit. Schütze die christliche Leidkultur!
[Hinweis: Es handelt sich um Realsatire]
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ein phantastischer Artikel von Hugo Stamm welcher deutlich macht wie starrsinnig die KK
ist, indem sie dafür plädiert, dass Menschen bis zum bitteren Ende gequält werden dürfen im Namen "Gottes".
Diese Einstellung der Kirchen ist finsterstes Mittelalter und gehört schnellstens revidiert, bevor noch mehr alte Menschen derartige Gräueltaten an sich selbst begehen müssen.
Thomas R. am Permanenter Link
"Was hat Gott davon, wenn er Menschen, die das Leben in Würde gemeistert haben, sinnlos leiden sieht?"
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Glockenmann am Permanenter Link
Ausserdem zwingt er ja einem seiner Geschoepfe, den Teufel, fuer alles Schlechte die Verantwortung auf :)
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Christliche Religionen beten das Kreuz an, das vor 2000 Jahren qualvollste Todesinstrument. Qualvolles Leiden ist für christliche Kirchen fundamental der höchste Wert.