Der Zenit bei den Kirchensteuereinnahmen ist überschritten

Die evangelische und die katholische Amtskirche vermeldeten für das Jahr 2019 einen neuen Rekord bei ihren Mitgliedsbeiträgen, den Kirchensteuern. Erfreut vermittelten sie den Eindruck, zuletzt die katholische Bischofskonferenz am 20. Juli, dass durch eine gute Konjunktur mit steigenden Gehältern und Einkommen bei Selbstständigen die Erträge nicht eingebrochen sind. Es dürfte das letzte Mal gewesen sein.

Beide Kirchen konnten 2019 Mehreinnahmen bei der Kirchensteuer vermelden (der hpd berichtete): So hatte die katholische Kirche mit 6,76 Milliarden Euro 1,8 Prozent mehr Mitgliedsbeiträge als noch 2018. Bei der evangelischen Kirche gab es einen Zuwachs um 2,7 Prozent auf 5,95 Milliarden.

Für das Jahr 2020 rechnen beide Kirchen jedoch mit erheblichen Rückgängen von bis zu 20 Prozent bei der Kirchensteuer in Folge von Kurzarbeit, Umsatzeinbrüchen bei Selbstständigen und weil auch die Zins- und Unternehmensgewinne zurückgehen und somit auch bei der Zinsertragssteuer Ausfälle entstehen werden.

Diese in der Presse vermittelten Zahlen stimmen die Leser*innen noch recht optimistisch ein. Unter Berücksichtigung der Ausgaben der Kirchen ergibt sich jedoch ein völlig anderes Bild: Die Inflationsrate lag 2019 bei 1,4 Prozent, damit ist die reale Steigerung der Kirchensteuern gegenüber dem Vorjahr schon erheblich geschmälert. Den größten Ausgabenblock bei den Kirchen machen die Personalkosten aus. Hier sind in den meisten Fällen die Gehälter des Kirchenpersonals an die Steigerungen im öffentlichen Dienst gekoppelt: Die Tarife stiegen 2019 um drei Prozent. Die Personalausgaben stiegen schneller als die Einnahmen. Die kaufkraftbereinigte Masse der Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen ist somit gesunken.

Ein weiteres Indiz für die Wende bei den Einnahmen der Kirchen ergibt sich aus einem Vergleich der Steigerung der Einnahmen aus Kirchensteuern (Mitgliedsbeiträgen) und der Steigerung der Einkommenssteuern. Laut Bundesfinanzministerium stiegen die Lohnsteuereinnahmen und die veranlagte Einkommenssteuer von Selbstständigen im Jahre 2019 um 5,5 Prozent. Von diesen je nach individueller Steuerquote zu zahlenden Steuern werden in den meisten Bundesländern neuen (Bayern und Baden-Württemberg acht) Prozent als Kirchensteuer vom Finanzamt an die Kirchen abgeführt. Dementsprechend müsste sich die Steigerung der Einkommenssteuer in einem annähernd gleichen Anstieg der Kirchensteuer niederschlagen. Dies ist aber nicht der Fall.

Steuerentwicklung 2019:

Lohnsteuer: +5,5%

ev. Kirchensteuer: +2,7%

kath. Kirchensteuer: +1,8%

veranlagte Einkommenssteuer: +5,5%

Diese doch erhebliche Differenz zwischen der Steigerung der Lohn- und Einkommenssteuer und der Steigerung der Kirchensteuer ist auf Kirchenaustritte zurückzuführen. Zudem gehen circa 45 Prozent der Beschäftigten als Kirchenmitglied in Rente, gleichzeitig steigen deutlich weniger junge Kirchenmitglieder ins Berufsleben ein und werden damit Kirchensteuerpflichtig.

Die Betrachtung der abgehängten Steigerungsraten der Mitgliedsbeiträge von den Einkommenssteuern und steigenden Ausgaben lässt erkennen: Der finanzielle Abstieg der Kirchen hat bereits begonnen.

Die Wirtschaftskrise, ausgelöst durch Corona, wird für 2020 zu einem absoluten Einbruch bei den Steuererträgen führen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mitgliedsbeiträge von zusammen 12,7 Milliarden Euro aus dem Jahre 2019 jemals wieder erreicht werden können. Das Jahr 2019 könnte als "Kirchensteuer-Zenit" in die Geschichte eingehen.

Sorgen um die kirchlichen Sozialeinrichtungen brauchen sich die Menschen indes nicht zu machen. Denn die werden sowieso aus allgemeinen Steuermitteln des Staates und der Sozialversicherungskassen bezahlt.

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