Über die Klasse Cephalopoda

Was sind denn Tintenschnecken?

NEU-BAMBERG. (hpd) Kraken, Kalmare, Sepien, und Nautiliden gehören allesamt zu jener Tiergruppe, die man Kopffüßer (Cephalopoden) nennt. Dieser Name bezieht sich auf die ungewöhnliche Gestalt der Tiere, denn ihre Arme bzw. "Füße" entspringen direkt dem Kopf. Der Name "Cephalopode" kommt von den griechischen Wörtern kephalos für Kopf und podos für Fuß. So versteht man auch den deutschen Namen Kopffüsser, aber noch häufiger ist "Tintenfisch" im Sprachgebrauch. Dieser ist eigentlich nicht korrekt, denn es handelt sich um wirbellose Tiere vom Stamm der Mollusken – und nicht um Fische. Korrekter also, aber seltener verwendet, ist der Begriff "Tintenschnecke".

Die meisten Leute sind mit der Körperform von Kraken und Kalmaren vertraut. Sofort erkennen sie einen Cartoon-Oktopus oder ein Meeresmonster, das mit seinen saugnapfbewehrten Tentakeln die Schiffe in die Tiefe zieht. Und viele haben auch realisiert, wie schmackhaft solche Tintenfische sind(!). Allerdings haben nur wenige Menschen diese Tiere je lebend gesehen.

Der Hauptgrund für den geringen Kontakt mit Kopffüßern ist deren Fähigkeit, sich gut verstecken oder geschickt entkommen zu können. Denn unter allen Meerestieren sind die Tintenschnecken durch Räuber sehr verwundbar. Die Mehrheit hat kein Gehäuse, um sich darin zu verstecken; sie haben keine Waffen wie Stacheln und kaum einer ist giftig. Ihr Körper besteht nur aus Muskeln, und das macht sie zu einem idealen Mahl. Konsequenterweise entwickelten sie viele Methoden, um nicht entdeckt zu werden. Viele Kopffüsser-Arten kommen nur im Schutz der Dunkelheit heraus. In den vergangenen Jahren hat sich der Tauchsport immens entwickelt, was auch Unterwasserkameras und -blitzgeräte betrifft. Überall werden Nachttauchgänge angeboten, und somit kommt auch viel Verhaltens- und Bildinformation über Kopffüßer aus Taucherkreisen.

Die Berichte und Fotos zeigen, dass diese Tiere zu den vielseitigsten und faszinierensten Geschöpfen dieser Erde zählen und dass sie selbst zu den gefräßigsten Beutegreifern gehören. Viele haben eine große Hirnmasse und zeigen komplexes Verhalten. Ihre Fähigkeiten beinhalten schnellen Farbwechsel, Änderung der Körperform, Produktion von "Tinte" zum Verschleiern, das Abwerfen von Körpergliedern, das Schwimmen durch Sand und das Fliegen durch die Luft. Ihr Sexualleben könnte nicht unterschiedlicher von dem der Menschen sein!

Cephalopoden findet man nur in Salz- und Brackwasser, denn es gibt keine Süßwasserarten. Ihre weiche Haut ist nicht für ein Leben an Land geschaffen, und somit gibt es auch keine landlebenden Tintenfische. Sie kommen in allen Meeren der Erde vor, sei es in tropischen Gewässern um den Äquator oder um die Arktis und Antarktis, wo sie in Temperaturen bis hinunter zu – 2°C leben. In allen Meerestiefen hat man sie entdeckt: von der Gezeitenzone bis in Tiefen von mindestens 7000 m, wo sie in dauerhafter Dunkelheit existieren. Viele Arten leben am Meeresboden (benthisch), während andere ihr gesamtes Leben im freien Wasser (pelagisch) verbringen.

Nachahmer-Krake Thaumoctopus mimicus, Foto: © Archiv Debelius
Nachahmer-Krake Thaumoctopus mimicus, Foto: © Archiv Debelius

Der Lebenszyklus und die Fortpflanzung der meisten Kopffüsser basiert auf denselben Grundlagen: Die Geschlechter sind unterschiedlich und von Geburt an fixiert. Männchen produzieren spezielle Kapseln, in denen sie Sperma aufbewahren. Man nennt sie auch Spermatophoren und kann sie mit wassergeschützten Behältnissen vergleichen, die dann dem Weibchen "übergeben" werden. Männchen haben üblicherweise einen oder zwei modifizierte Arme, die dazu benutzt werden, die Spermatophoren dem Weibchen zu geben. Letzteres nimmt die Kapseln, um sie gleich zu nutzen oder hebt sie auf, bis sie soweit ist, ihre Eier damit zu befruchten. Bei den meisten Tintenfischen kommt es nur zu einer Kopulation, denn es gibt nicht mehr als eine Befruchtungs-Saison in ihrem Leben. Danach sterben sie.

Cephalopoden sind in allen Meeren weit verbreitet. Wissenschaftler schätzen, dass die Biomasse aller Tintenschnecken in den Ozeanen der von allen Fischen zusammengenommen in etwa entspricht. Diese unglaubliche Menge spielt eine wichtige Rolle in der Nahrungskette, wobei Kopffüsser sowohl Jäger als auch Beute darstellen. Cephalopoden als Spitzen-Beutegreifer haben ein breites Beutespektrum, insbesondere Fische, Krebstiere und schalentragende Mollusken. Ihrerseits dienen sie als entscheidende Nahrungsquelle für viele Fische, Seevögel und Meeressäuger.

Kopffüßer sind auch für den Menschen wirtschaftlich von großer Bedeutung. Ihr Gesamtfang übersteigt jedes Jahr 3.0 Millionen Tonnen, was einem Wert von Milliarden US-Dollar jährlich entspricht. Fänge durch Einheimische und kommerzielle Fänge werden in vielen Regionen der Welt statistisch nicht erfasst. Dies bedeutet, dass diese Summe wahrscheinlich noch eine beträchtliche Unterschätzung darstellt.

Alle Tintenschnecken werden unter Anwendung einer ganzen Bandbreite von Techniken gefangen: Handfang, Einsatz von Speeren, kleinen Netzen, Schleppnetzen, Fallen, Tontöpfen, Angeln und sog. Jiggern (tanzende Angeln) unter Zuhilfenahme von künstlichem Licht.

Schätzungsweise leben heute etwa 1000 Kopffüßer-Arten mit vielen außergewöhnlichen Fähigkeiten - wie im Buch Atlas der wirbellosen Meerestiere geschildert - in den Ozeanen. Die größte Vielfalt findet man in den flachen tropischen Gewässern des Indischen und des Pazifischen Ozeans, speziell in einem durch die Philippinen, Thailand und Nordaustralien begrenzten Dreieck (auch als Indo-Malaysischer Archipel bekannt). Je weiter man sich von diesem Bereich entfernt, desto kleiner wird die Artenvielfalt. Die flachen Gewässer des Atlantischen Ozeans beherbergen weniger Tintenschnecken als die kühleren Gewässer der Polarregionen sowie der Kontinentalabhänge und Tiefsee-Ebenen.

Atlas der wirbellosen Meerestiere
Atlas der wirbellosen Meerestiere


Kopffüsser kommen in vielen Formen und Größen vor, aber die meisten besitzen eine Reihe gleicher Merkmale:

  • Fleischfresser: Alle Cephalopoden sind fleischfressend. Die meisten jagen lebende Beute, keiner ernährt sich von Pflanzen.
  • Schnelles Wachstum und kurzes Leben: Sie wachsen sehr schnell heran, leben aber nur kurz: Lediglich 1 bis 2 Jahre ist ihre Lebensspanne. Die Ausnahmen dieser Regel findet man in polaren Gewässern. Außerdem ist bekannt, daß Nautilus-Arten ebenfalls länger leben können.
  • Arme: Wie oben erwähnt, sind Tintenfische Kopffüsser. Die Arme oder "Füße" dieser Tiere entspringen einem Ring um ihren Mund herum. Man könnte fast sagen, es handele sich um "Superlippen" mit Saugnäpfen.
  • Mantel: Alle Körperorgane befinden sich in einer röhrenartigen Bildung, die man Mantel nennt. Wenn man Kalmar-Ringe ißt, sind dies lediglich quer geschnittene Teile des Kalmar-Mantels.
  • Kiefer und Raspelzunge: Alle Cephalopoden besitzen einen i. R. harten Schnabel, ganz ähnlich dem eines Papageien. Viele Arten haben auch eine besondere, Zähnchen tragende Zunge, Radula genannt. Der Schnabel und die Radula werden dazu benutzt, Beute in kleine Stücke zu zerteilen.
  • Hirn: Alle Tintenfische haben ein ringförmiges Hirn, das um die Speiseröhre (Ösophagus) herum angeordnet ist.
  • Augen: Alle Cephalopoden haben zwei Augen. Bei den meisten Arten sind sie hochentwickelt, indem sie aus Netzhaut (Retina), Linse und Iris bestehen und somit viel Ähnlichkeit mit den Augen der Wirbeltiere, uns Menschen eingeschlossen, besitzen.
  • Blut: Das Blut der Kopffüsser ist transparent bläulich. Die Färbung wird durch ein Atempigment verursacht, das auf einem Kupferatom aufbaut.
  • Drei Herzen: Die meisten Arten besitzen drei Herzen, eines über jeder Kieme (Kiemenherzen) sowie ein Zentralherz (systemisches Herz).
  • Kiemen: Cephalopoden haben zwei bis vier Kiemen, die sich in einer Höhle unterhalb des Körpers, der sog. Mantelhöhle, befinden. Eine jede besteht aus zahlreichen blattartigen Plättchen. Rhythmisches Pumpen des Mantels zieht Meereswasser über dessen breite Öffnung in die Mantelhöhle. Das verbrauchte Wasser wird durch den Trichter wieder ausgestoßen.
  • Trichter: Alle Kopffüsser besitzen ein muskulösen, röhrenförmigen Trichter, über den das Atemwasser aus der Mantelhöhle ausgeleitet wird. Dieser Trichter kann in verschiedene Richtungen gedreht werden, was den Tieren erlaubt, das düsenartig ausgestossene Wasser zur schnellen Fortbewegung zu nutzen. Ausserdem wird über diesen Tinte verspritzt.
  • Tintenproduktion: Die meisten Cephalopoden produzieren Tinte mit Hilfe einer besonderen, in die Verdauungsdrüse ("Leber") eingebetteten Drüse. Dieses sehr konzentrierte Pigment wird mit Wasser gemischt aus dem Trichter geblasen, um "Rauchvorhänge" zu bilden.
  • Gehäuse: Die meisten Tintenfischarten besitzen in irgendeiner Form ein Gehäuse. Dieses ist eine Aussenschale bei Perlbooten (Nautiliden) und eine Innenschale bei Sepien und vielen Kalmaren. Bei Kraken ist es auf zwei winzige Stäbchen reduziert. Einige Kopffüsser haben ihr Gehäuse gänzlich verloren.
  • Flossen: Viele Cephalopoden besitzen Flossen zur Fortbewegung wie die Sepien, Kalmare und Tiefsee-Flossenkraken.
  • Haut: Berühmt wurden die Tintenfische vor allem wegen ihrer erstaunlichen Haut, die bei vielen Arten in der Lage ist, sehr schnell Farbe und Form zu ändern. Diese Änderungen werden für die Tarnung, Nachahmung, für Schreckäusserungen und verschiedene Formen der Kommunikation genutzt.