Bremer Bürgerschaft ruft zum Gebet mit Kirchenlobbyisten

Plenarsitzungen des Bremer Landesparlaments, der Bürgerschaft, finden monatlich für zwei bis drei Tage statt. Zu Beginn dieser Sitzungswoche führen die evangelische und die katholische Kirche einen gemeinsamen Gottesdienst für die Abgeordneten durch. Bremer Tradition eben. Die Wege für die Abgeordneten sind auch extrem kurz, von der Kirche zur Bürgerschaft sind es 100 Meter Laufweg.

Wenn Kirchen zum Gebet rufen, ist das natürlich kein Problem. Aber in Bremen lädt nicht, wie Menschen eigentlich annehmen könnten, die Kirche selbst ein, sondern die Bürgerschaftsverwaltung reicht die kirchliche Botschaft an die Abgeordneten weiter. Und die Bürgerschaft ist kein Organ der Kirchen, sondern von den BürgerInnen Bremens, die in großer Mehrheit keiner der einladenden Kirchen angehören, gewählt. Die Bürgerschaftsverwaltung ist Staat. Und angeblich sind Staat und Kirche getrennt. So steht es in der Bremer Landesverfassung und dem Grundgesetz.

Wieso gehört es zu den Aufgaben der Bürgerschaftsverwaltung, die Abgeordneten und etliche MitarbeiterInnen aus den Fraktionen einzuladen? Die Einladung erging an alle Mitglieder der Bürgerschaft, egal ob Atheisten, Muslime, Aleviten, Mitglieder von Großkirchen oder von evangelikalen Sekten. Damit wird ein Gottesdienst in den Rang einer Veranstaltung der Bürgerschaft erhoben.

Pikant ist noch das einladende und betende Personal der beiden Großkirchen: Sowohl Pastorin Jeanette Querfurth von der evangelischen Kirche als auch Propst Bernhard Stecker von der katholischen Kirche haben in ihrer Stellenbeschreibung Kontakte zur Bürgerschaft und Politik als Tätigkeit stehen. Frau Querfurth sogar mit einer halben Stelle. Beide sind sozusagen die Lobbyisten der Großkirchen, die gegenüber Staat und Bürgerschaft deren geldwerte Vorteile und Privilegien sichern sollen. Das haben die von Mitgliederschwund und leeren Gottesdiensten auf Miniaturformat geschrumpften Kirchen dringend nötig, damit ihnen nicht die Felle davonschwimmen.

Von 570.000 EinwohnerInnen der Stadt Bremen gehen – nach den Eigenangaben der beiden Kirchen – noch etwa 10.000 bis 11.000 Menschen regelmäßig zu Gottesdiensten oder ähnlichen Veranstaltungen. Das ist eine sehr kleine, total überalterte Minderheit von nicht einmal zwei Prozent der BremerInnen.

Dass die BürgerschaftssprecherInnen Frank Imhoff und Antje Grotheer öffentlich alle Abgeordneten zu den Veranstaltungen der Kirchenlobbyisten einladen, ist ein altertümliches Relikt aus längst vergangenen Zeiten.

Dieses Filzgebahren mag selbst nicht von großer Bedeutung sein, schließlich folgen die meisten Abgeordneten der Einladung nicht. Die Verquickung von Kirche und Staat geht viel tiefer: Der Staat führt die Mitgliederlisten der Großkirchen, treibt die Kirchensteuer ein, lässt Stadtgrün unentgeltlich Kirchgrundstücke pflegen und finanziert kirchliche Kindergärten, Schulen und Sozialeinrichtungen. Kirchliche Seilschaften wirken in Parteien und Behörden.

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