Midterms-Special, Teil 2

MAGA: Der größte und gefährlichste Endzeitkult der Welt

Der Universität Yale zufolge sind ein knappes Fünftel aller Republikaner*innen und ein Viertel aller "evangelikalen/wiedergeborenen" Christ*innen in den USA der Meinung, "da die Apokalypse herannaht, müssen wir uns keine Sorgen um die Erderwärmung machen": sehenden Auges und reinen Gewissens in den Abgrund, sozusagen. Die christlich-nationalistische Bewegung MAGA – Make America Great Again – ist damit mehr als der extremistische Flügel der republikanischen Partei. MAGA ist ein Kult mit Gläubigen in staatstragenden Ämtern.

Es gibt Menschen in den Vereinigten Staaten, die in den immer extremer werdenden Naturkatastrophen der vergangenen Jahre nicht das Resultat anthropogener Aktivitäten sehen, sondern den tatsächlichen Willen Gottes. Und die Zahl dieser Menschen steigt. Waren im Jahr 2012 noch 36 Prozent aller US-Amerikaner*innen dieser Meinung, waren es 2014 bereits 49 Prozent, zeigen Befragungen des Public Religion Research Institute (PRRI). Anders ausgedrückt: Bereits vor acht Jahren sah knapp jeder zweite Mensch in den USA die biblische Apokalypse auf die Menschheit zukommen.

Zwar ist die Mehrheit der US-Bevölkerung (63 Prozent 2012 gegenüber 62 Prozent 2014) noch immer davon überzeugt, die jüngsten Naturkatastrophen seien Resultat des Klimawandels, doch der politische Einfluss des Kassandrakults wächst zunehmend – und gedeiht geradezu prächtig in bestimmten religiösen Milieus.

Im ersten Teil des Midterms-Specials wurde ausdifferenziert, welche Teile des überaus breiten und weitgehend harmlosen evangelikalen Spektrums eine Überschneidung mit der extremistischen MAGA-Fraktion der republikanischen Partei (GOP) aufweisen: Es sind die überwiegend Weißen, sich mehr als evangelikal denn als "evangelikal/wiedergeboren" identifizierenden Kongregationen. Unter besagten Weißen Evangelikalen (Englisch: White evangelical Protestants) lag die Quote derer, die in zunehmender Intensität von Hurricanes und Tsunamis den Beweis für die bevorstehende Apokalypse sehen, laut PRRI bereits 2014 bei sage und schreibe 77 Prozent.

Etwas weniger alarmierende – aber dennoch beunruhigende – Zahlen als PRRI liefert die Universität Yale: In einem 2016 veröffentlichten Report kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass ein knappes Fünftel aller Republikaner*innen und ein Viertel aller "evangelikalen/wiedergeborenen" Christ*innen in den USA der Überzeugung sind, dass die Klimakatastrophe kein Problem darstellt, da sowieso die Apokalypse herannaht. Auch über die gesamte US-Bevölkerung sind mit neun Prozent erstaunlich viele davon überzeugt, dass sie das Ende der Welt noch live miterleben werden.

Eine Person von sieben in den USA hält es definitiv (sieben Prozent) oder wahrscheinlich (neun Prozent) für richtig, dass "Gott das Klima kontrolliert, weswegen es keinen anthropogenen Klimawandel gibt". Diese Überzeugung ist in konservativen und evangelikalen Kreisen noch weitaus verbreiteter: Unter konservativen Republikaner*innen (31 Prozent) und "evangelikalen/wiedergeborenen" Christ*innen (30 Prozent) hängt dieser Fantasie beinahe ein Drittel an.

Parlamentarische Gotteskrieger

Nun ist es nichts Neues, dass Menschen dem Wahnsinn verfallen und sich wie die viel – wenn auch falsch – zitierten Lemminge in den nächstbesten Abgrund stürzen. Auch ist es nicht illegal, in wissenschaftlich einwandfrei erklärbaren Naturphänomenen göttliches Wirken sehen zu wollen. Wenn es aber um nicht weniger als die Bewohnbarkeit unseres Planeten für unsere Spezies geht, wird es kritisch. Umso irrwitziger ist es, dass diese Leute als Senator*innen und Abgeordnete politische Entscheidungen zur Bekämpfung eben jener Klimakrise fällen sollen, in der sie den wortwörtlichen Willen Gottes zu erkennen glauben.

Da wäre beispielsweise Senator Tommy Tuberville aus Alabama. Tuberville sagte vergangenen Monat auf einer Wahlkampfveranstaltung, dass nicht Menschen, sondern "nur Gott das Klima ändert". Die gleiche Flöte spielte schon vor Jahrzehnten der noch immer amtierende Senator Jim Inhofe aus Oklahoma. 2015 postulierte er auf dem Boden des US-Senats: "Das Klima ändert sich und hat sich schon immer geändert. [...] Die Täuschung ist, dass es Menschen gibt, die so arrogant sind, anzunehmen, sie würden das Klima verändern. Der Mensch kann das Klima nicht verändern." Bei einer anderen Gelegenheit verglich Inhofe die US-amerikanische Umweltbehörde EPA mit der Gestapo.

Tim Walberg, Abgeordneter aus Michigan, hat ebenfalls eine übernatürliche Erklärung zur Hand: "Kann der Mensch das ganze Universum verändern? Nein. Warum ich das glaube? Nun, als Christ glaube ich an Gott, den Schöpfer, der größer ist als wir alle. Und ich bin mir sicher, dass er, sollte es wirklich ein Problem geben, sich darum kümmern wird." Andy Biggs wiederum, Abgeordneter aus Arizona und ehemaliger Präsident des Freedom Caucus, der konservativsten Fraktion innerhalb des republikanischen Blocks im Kongress, verglich seine kruden Theorien vor einigen Jahren mit Albert Einsteins steinigem Weg zur wissenschaftlichen Anerkennung: "Seltsamerweise ist die Einstellung, die ihr mir gegenüber habt, die gleiche, die Einstein in Sachen Physik entgegengebracht wurde. Ihm ist genau das Gleiche passiert. Alle haben ihn niedergeschrien, bis er in der Lage war, seine Theorie zu beweisen." Dumm nur, dass Biggs nicht Einstein ist, was ihm ein Gast auch prompt zu verstehen gab.

Ein grüneres Christentum? Kaum.

All diese absonderlichen Positionen zur Frage, wie wir die Klimakatastrophe am besten mitigieren, wären fast amüsant, kämen sie nicht von Menschen, die substantiell an der Lenkung der mächtigsten Nation der Erde beteiligt sind. Stattdessen werfen Abgeordnete wie Andy Biggs mit höchst invavisen Geoengineering-Projekten um sich, die ein nie gekanntes Ausmaß an Eingriff in die Prozesse der Natur verlangen. Die Tatsache, dass Repräsentant*innen der ältesten Demokratie der Erde, gewählt – so war es gedacht – ob ihrer Kompetenz, komplexe Sachverhalte zu durchdringen, einen wissenschaftlichen Konsens mit Verweis auf übernatürliches Wirken abbügeln können – und im 21. Jahrhundert noch damit durchkommen – ist faszinierend.

Faszinierend, aber erklärbar. David Konisky, Privatdozent an der Fakultät für Öffentliche und Umweltangelegenheiten der Universität Indiana, stellt fest, dass in christlichen Kreisen rückläufiges Umweltbewusstsein zu beobachten ist: "Meine Analyse der öffentlichen Gallup-Umfragen zeigt keine sich verbreitende 'Begrünung des Christentums' ('greening of Christianity') unter Evangelikalen oder anderen Denominationen. In dem Zeitraum, den ich untersucht habe – etwa 2000 bis 2015 – gibt es sogar Beweise für eine Abnahme des Umweltbewusstseins." Dieser Bewegung ist die GOP gefolgt.

Alle Augen nach vorn

Glücklicherweise haben die Midterms gezeigt, dass gerade jüngere Menschen – Millenials und die Generation Z – der republikanischen Partei ihren Sermon nicht abkaufen. Allem "Gerrymandering" (Zuschneidung der Wahlbezirke zum Vorteil einer bestimmten Partei) zum Trotz gab es keine "rote Welle", eine ziemliche Klatsche für von Donald Trump unterstützte Kandidat*innen sowie historische Unterstütztung für bundesstaatliche und kommunale Klimaschutzprojekte.

Interessant wird, ob Trump, der als amtierender Präsident einen Staatsstreich vergeigt hat, noch immer die Unterstützung der republikanischen Partei hinter sich versammeln kann. Da seine Kandidat*innen nicht mehr zu ziehen scheinen, haben sich bereits Teile der GOP sowie der konservative Medienmogul Rupert Murdoch, zu dessen Imperium unter anderem Fox News gehört, von Trump ab- und stattdessen Ron DeSantis zugewandt.

Doch DeSantis ist nur auf den ersten Blick eine tatsächliche Alternative zu Donald Trump. Jüngst wurde DeSantis' "Stop-Woke"-Gesetz vor Gericht mit Verweis auf George Orwells Roman "1984" in Teilen ausgesetzt. Es ist nicht das erste Mal, dass DeSantis von Angehörigen der Judikative Floridas in die Nähe der literarischen Dystopie gerückt wird (der hpd berichtete). Auch mit den wissenschaftlichen Theorien zur Klimakrise hat er seine Probleme. Im Sinne unseres Planeten können wir nur darauf hoffen, dass sich die US-amerikanische Bevölkerung in zwei Jahren nicht noch einmal für einen Scharlatan entscheiden wird.

Der erste Teil des "Midterm-Specials" beschäftigte sich mit der Frage, wie evangelikale Politpropheten die US-Demokratie gefährden.

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