Es ist gerichtlich entschieden: In Pensacola (USA) muss ein riesiges Kreuz aus einem städtischen Park entfernt werden. Die Anwältin des Klägers wird dafür jetzt ausgiebig von angeblichen Christen beschimpft.
Eine der vielen Ungereimtheiten, auf die man im Umgang mit Religionen stößt, ist das Kruzifix oder Kreuz. Wie hat es jemals zum Symbol des Christentums werden können? Nimmt man die alten Geschichten einen Moment lang für bare Münze, so wäre ja Jesus am Kreuz gestorben und dann ein paar Tage später wieder lebendig gewesen, und mit diesem Wiederlebendigmachen habe der reformierte Gott dann gezeigt, dass er den Menschen, was auch immer, vergeben habe. Das Symbol der Versöhnung müsste also eigentlich das offene Grab sein, oder Jesus, wie er aus sich aus seinen Leintüchern wickelt. Oder vielleicht auch noch, wie er ein paar Wochen später in den Himmel fliegt (und dann hoffentlich bald irgendwo angekommen ist, denn es ist wirklich sehr kalt, wenn man sich weiter als ein paar Kilometer von der Erdoberfläche weg begibt).
Stattdessen aber hat die Christenheit es doch stets vorgezogen, das Kreuz hochzuhalten, also eine Interruptus-Version der Heilsgeschichte - den Moment, da der liebe Gott von den Menschen gefoltert und ermordet wird. Warum ist das so? Nun, das Kreuz hat viele Vorzüge, die vor allem einer erzpatriarchalen Organisation wie der Kirche taugen: Man kann es phallisch vor sich hertragen, je größer, je besser. Umgedreht ergibt es ein Holzschwert, mit dem die Jungens Krieg spielen können. Es lässt sich, wie die Fahnen von Eroberern, gut in Landschaften rammen, um Herrschaftsanspruch anzuzeigen. Vor allem aber hält es den Moment vor der Erlösung fest. Denn wenn man allzu klar macht, dass Jesus ja schon alles klar gemacht hat für uns, wozu braucht man dann noch ein Kirche, die ihren Lebensunterhalt aus der Sorge um unser Seelenheil saugen kann?
Das Kreuz, mit dem Herzen betrachtet, sagt einerseits: Ihr blöden Menschen habt den Erlöser gekillt, ihr steht in seiner, also auch seiner Verkünder Schuld. Andererseits, selbst wenn man die Zusammenhänge nicht kennt, ist ein Folterinstrument natürlich immer eine Drohung und eine Mahnung, sich an die Obrigkeit zu halten. Damit es einem nicht ergeht wie dem fast nackten Kerl, der da von den Soldaten der Ordnungsmacht übel misshandelt wird. Bildnerische Hauptaufgabe des Christentums ist es über zwei Jahrtausende gewesen, die potentielle Gewalt der Mächtigen darzustellen, mit sadistischem Unterton und einer recht unklaren Haltung dahinter.
Es erstaunt sehr wenig, dass die aufgerichteten Kreuze und blutig gesprenkelten Kruzifixe ihre Spuren in einfacheren Seelen hinterlassen haben: Vieles von dem, was sich durch die Jahrtausende "christlich" genannt hat, war ja das genaue Gegenteil von der anarchistischen Gewaltlosigkeit, die der Sandalenträger gepredigt hat. Spätestens seit der Machtübernahme im römischen Reich im vierten Jahrhundert mutierte die Kirche zu einer weltweit operierenden, jederzeit zu äußerster Brutalität bereiten Gehirnwaschanlage. Ihr Zeichen aber war das Kreuz, das eben nicht Vergebung und Nächstenliebe signalisierte, sondern allweil Angst und Bedrohung verbreitete, sowie die männliche Gewissheit seiner Träger: Wo wir dies reinrammen, kann uns keiner was.
Dass das Erbe der christlichen Botschaft vom säkularen Staat wesentlich überzeugender verwaltet wird als von den singenden Gottverkündern, verstehen nicht alle Gläubigen, und so haben viele von ihnen sich denn jetzt auch sehr gewundert, als ein Gericht urteilte: In Pensacola, Florida, muss ein jahrzehntealtes Riesenkreuz aus einem städtischen Park entfernt werden. Denn auch wenn man es manchmal nicht glaubt: Die USA sind ein säkularer Staat. Keine Religion soll sich über die anderen - oder über die Religionsfreien - erheben können. Dass ein Riesen-Christen-Folterinstrument auf öffentlichem Grund ebenso wenig zulässig ist wie andernorts die fantasievolle Nachbildung der mosaischen Gesetzestafeln auf einem Schulgelände – das überfordert manchen, der sich Christ nennt und der sich mit der Toleranzbotschaft des Erlösers nie weiter beschäftigt hat.
So ist es jetzt als Reaktion auf das Urteil zu einer Anhäufung wüster Beschimpfungen gekommen, die aus den Tastaturen so genannter Christen quollen: Einer von ihnen hat Anwältin Monica Miller, die den Fall vor Gericht vertreten hat, auf Facebook geoutet. Dann kamen sie alle hinzugesurft, wollten die Frau aus der Stadt treiben, wiewohl sie gar nicht dort wohnt, malten sich genüsslich das Höllenfeuer aus, das ihr liebender Gott für Monica bereithält – und das sind nur die einigermaßen jugendfreien Beschimpfungen. Wer halbwegs belastbare Nerven hat, kann den Thread durchlesen: Bei allem Mitleid mit den dumpfen, hasszerfressenen Hirninhalten vieler Südstaatenchristen muss man doch auch immer wieder lachen, wenn sie sich von rationaler Argumentation schnell überfordert zeigen. Dass lebenslange Angst vor dem Höllenfeuer und einem donnernden Obergott nicht dazu beiträgt, klar denken zu lernen, ist hier wieder einmal belegt. Aber der Gott hat ja schon von Paradieszeiten an wenig wert auf Menschen mit Erkenntniswillen gelegt.
7 Kommentare
Kommentare
Hans am Permanenter Link
das ist in meinem Schwimmverein genauso, da brauche ich keinen Bericht von Christen aus den USA.
Paul am Permanenter Link
Wenn manche könnten oder dürften, wie sie gerne tun würden, wäre es schon längst geschehen um so manchen Ungläubigen.
Hans am Permanenter Link
ehrlich sein zu sich selber ,emphatie Gefühle, mit sich selber klar kommen im leben, Verantwortung für sich selber übernehmen, sich akzepieren, das ist schon kaum möglich für erwachsene.
die menschen brauchen die Religion, weil sie emotional und vom denken her mit sich und der welt überfordert sind und dort gibt es antworten zu allen fragen und die kommen von Gott (also deren Stellvertreter), deshalb ist es so schwierig die Religion loszuwerden, dann müssen die menschen ja selbstständig sein, und das ist für die meisten menschen halt zu viel
Paul am Permanenter Link
Ich bin der Überzeugung, dass ein Großteil der Kinder zur Selbstständigkeit erzogen werden könnte, man muss es als Erwachsener nur wollen bzw. die Kinder entsprechend anleiten und motivieren.
Wolfgang am Permanenter Link
Unter ihren Schafspelzen sind sie reißende Wölfe.
Johann Wolfgang von Goethe
Roland am Permanenter Link
Das sich diese Ansicht durchsetzen wird, muss bezweifelt leider werden.
Religionsfreiheit heißt auch Freiheit (Abwesenheit) von Religion!
Aber genau dies wird nicht einmal verstanden - aber mit Verstehen hat Glauben ja ohnehin nichts zu tun!
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Liebt eure Feinde, forderte Jesus in der berühmten Bergpredigt (Matthäus 5,44) und der Feldrede (Lukas 6,27), also in immerhin zwei jener vier Heiligen Evangelien.