Auf Facebook beschimpfen "Christen" eine atheistische Anwältin

Warum das Kreuz nicht beim Denken hilft

Es ist gerichtlich entschieden: In Pensacola (USA) muss ein riesiges Kreuz aus einem städtischen Park entfernt werden. Die Anwältin des Klägers wird dafür jetzt ausgiebig von angeblichen Christen beschimpft.

Eine der vielen Ungereimtheiten, auf die man im Umgang mit Religionen stößt, ist das Kruzifix oder Kreuz. Wie hat es jemals zum Symbol des Christentums werden können? Nimmt man die alten Geschichten einen Moment lang für bare Münze, so wäre ja Jesus am Kreuz gestorben und dann ein paar Tage später wieder lebendig gewesen, und mit diesem Wiederlebendigmachen habe der reformierte Gott dann gezeigt, dass er den Menschen, was auch immer, vergeben habe. Das Symbol der Versöhnung müsste also eigentlich das offene Grab sein, oder Jesus, wie er aus sich aus seinen Leintüchern wickelt. Oder vielleicht auch noch, wie er ein paar Wochen später in den Himmel fliegt (und dann hoffentlich bald irgendwo angekommen ist, denn es ist wirklich sehr kalt, wenn man sich weiter als ein paar Kilometer von der Erdoberfläche weg begibt).

Stattdessen aber hat die Christenheit es doch stets vorgezogen, das Kreuz hochzuhalten, also eine Interruptus-Version der Heilsgeschichte - den Moment, da der liebe Gott von den Menschen gefoltert und ermordet wird. Warum ist das so? Nun, das Kreuz hat viele Vorzüge, die vor allem einer erzpatriarchalen Organisation wie der Kirche taugen: Man kann es phallisch vor sich hertragen, je größer, je besser. Umgedreht ergibt es ein Holzschwert, mit dem die Jungens Krieg spielen können. Es lässt sich, wie die Fahnen von Eroberern, gut in Landschaften rammen, um Herrschaftsanspruch anzuzeigen. Vor allem aber hält es den Moment vor der Erlösung fest. Denn wenn man allzu klar macht, dass Jesus ja schon alles klar gemacht hat für uns, wozu braucht man dann noch ein Kirche, die ihren Lebensunterhalt aus der Sorge um unser Seelenheil saugen kann?

Das Kreuz, mit dem Herzen betrachtet, sagt einerseits: Ihr blöden Menschen habt den Erlöser gekillt, ihr steht in seiner, also auch seiner Verkünder Schuld. Andererseits, selbst wenn man die Zusammenhänge nicht kennt, ist ein Folterinstrument natürlich immer eine Drohung und eine Mahnung, sich an die Obrigkeit zu halten. Damit es einem nicht ergeht wie dem fast nackten Kerl, der da von den Soldaten der Ordnungsmacht übel misshandelt wird. Bildnerische Hauptaufgabe des Christentums ist es über zwei Jahrtausende gewesen, die potentielle Gewalt der Mächtigen darzustellen, mit sadistischem Unterton und einer recht unklaren Haltung dahinter.

Es erstaunt sehr wenig, dass die aufgerichteten Kreuze und blutig gesprenkelten Kruzifixe ihre Spuren in einfacheren Seelen hinterlassen haben: Vieles von dem, was sich durch die Jahrtausende "christlich" genannt hat, war ja das genaue Gegenteil von der anarchistischen Gewaltlosigkeit, die der Sandalenträger gepredigt hat. Spätestens seit der Machtübernahme im römischen Reich im vierten Jahrhundert mutierte die Kirche zu einer weltweit operierenden, jederzeit zu äußerster Brutalität bereiten Gehirnwaschanlage. Ihr Zeichen aber war das Kreuz, das eben nicht Vergebung und Nächstenliebe signalisierte, sondern allweil Angst und Bedrohung verbreitete, sowie die männliche Gewissheit seiner Träger: Wo wir dies reinrammen, kann uns keiner was.

Dass das Erbe der christlichen Botschaft vom säkularen Staat wesentlich überzeugender verwaltet wird als von den singenden Gottverkündern, verstehen nicht alle Gläubigen, und so haben viele von ihnen sich denn jetzt auch sehr gewundert, als ein Gericht urteilte: In Pensacola, Florida, muss ein jahrzehntealtes Riesenkreuz aus einem städtischen Park entfernt werden. Denn auch wenn man es manchmal nicht glaubt: Die USA sind ein säkularer Staat. Keine Religion soll sich über die anderen - oder über die Religionsfreien - erheben können. Dass ein Riesen-Christen-Folterinstrument auf öffentlichem Grund ebenso wenig zulässig ist wie andernorts die fantasievolle Nachbildung der mosaischen Gesetzestafeln auf einem Schulgelände – das überfordert manchen, der sich Christ nennt und der sich mit der Toleranzbotschaft des Erlösers nie weiter beschäftigt hat.

So ist es jetzt als Reaktion auf das Urteil zu einer Anhäufung wüster Beschimpfungen gekommen, die aus den Tastaturen so genannter Christen quollen: Einer von ihnen hat Anwältin Monica Miller, die den Fall vor Gericht vertreten hat, auf Facebook geoutet. Dann kamen sie alle hinzugesurft, wollten die Frau aus der Stadt treiben, wiewohl sie gar nicht dort wohnt, malten sich genüsslich das Höllenfeuer aus, das ihr liebender Gott für Monica bereithält – und das sind nur die einigermaßen jugendfreien Beschimpfungen. Wer halbwegs belastbare Nerven hat, kann den Thread durchlesen: Bei allem Mitleid mit den dumpfen, hasszerfressenen Hirninhalten vieler Südstaatenchristen muss man doch auch immer wieder lachen, wenn sie sich von rationaler Argumentation schnell überfordert zeigen. Dass lebenslange Angst vor dem Höllenfeuer und einem donnernden Obergott nicht dazu beiträgt, klar denken zu lernen, ist hier wieder einmal belegt. Aber der Gott hat ja schon von Paradieszeiten an wenig wert auf Menschen mit Erkenntniswillen gelegt.