Unterhaltsam: Wie domradio.de versucht, sein neues Nazi-Logo wegzudiskutieren

Werber sind die neuen Theologen

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Ein fehlproportioniertes Dreieck wirkt weniger deplatziert, wenn es Unterstützung von weiteren, komplett sinnlosen geometrischen Formen erhält.

Domradio.de hat sich ein neues Logo verpassen lassen, ein rotes Dreieck auf der Spitze. Trauriger Tatbestand: Genau mit diesem Zeichen haben die Nazis ihre politischen Gegner in den Konzentrationslagern markiert. Die hilflosen Erklärungsversuche des Kirchensenders zu verfolgen, tröstet allerdings darüber hinweg.

Theologie ist, wenn man etwas Nichtvorhandenes so aufwändig als irgend möglich erklärt. Der Mangel an Existenz, etwa eines Gottes, wird durch einen immenses Bohei an Gequatsche zu beheben versucht. Debatten werden geführt über erfundene Nichtigkeiten und Regeln, über Jahrtausende entstehen ganze Lehrgebäude, an deren Details immer noch wieder herumdiskutiert wird, dem Volk da draußen wird das Ganze dann bei Gelegenheit auch noch mal übergebraten, am besten in bestickten Roben und auf Latein – wie sollten die Menschen da jemals darauf kommen, dass im Kern des ganzen Brimboriums einfach mal: Nichts ist?

Das neue Logo von domradio.de
Das neue Logo von domradio.de

Wo man gut darin trainiert ist, das Nichtvorhandene zu erklären, liegt auch die inverse Kompetenz im Blut: Das Wegerklären des Unübersehbaren. Das katholische Kölner "Domradio" hat sich jüngst für viel Geld ein neues Logo verpassen lassen. Und offenbar kein bisschen gewundert. Warum nicht schon lange jemand diese schlichte Form verwendet - ein auf der Spitze stehendes, gleichseitiges rotes Dreieck. Als die Entscheidung fiel, flötete kein hilfreicher Engel vom Himmel, kein Heiliger Geist tröpfelte in den Raum und warnte. Dieses so einprägsame Logo findet aus einem sehr einfachen Grund keine Verwendung: Mit ihm haben die Nazis ihre politischen Gefangenen in den Konzentrationslagern markiert.

Nach Inbetriebnahme des neuen Signums dauerte es nicht lange, bis wachere Zeitgenossen darauf hinwiesen. Es dauerte ein bisschen länger, bis man von Domradioseite erklären ließ: Die Nazis hätten ja sehr, sehr viele geometrische Formen verwendet! Nicht einmal der Hinweis auf den CVJM unterblieb, in dessen Logo unter dem Schriftzug ein weiß ausgefülltes rotes Balkendreieck, etwa einem Halteschild vergleichbar, zu sehen ist.

Engagiert denken! Das Denken zum Instrument des Willens machen! Und der Wille will eben Recht haben. Und seinen Gott. Das ist es, was den wackeren Christenmenschen auszeichnet. Lustig ist es allemal, der geistigen Akrobatik zu folgen. Um das rote Nazidreieck zu erklären, und was es überhaupt mit dem Kölner Domradio zu tun haben soll, haben sie sogar ein Video produziert. Hier lässt sich theologisches Räsonnement in all seiner Pracht nachvollziehen. Das Offensichtliche wird, mit allerhand Getue und Gewese, nonchalant weggewischt.

Und zwar geht das so:

Um höchste Sachlichkeit und Top-Qualität der nachfolgenden Informationen zu bezeugen, erhellt uns keine Stimme, sondern nur eine Schrift, der wir vor weißem Hintergrund beim Geschriebenwerden zuschauen können, nicht ganz unähnlich der Flammenschrift, mit der König Belsazar vor seinem Untergang gedroht wurde. Gott liebt ja zuweilen Zaubertricks, um seine Autorität über die Menschen klarzustellen, und wer hier eigentlich wen erfunden hat.

Nun ist es nicht sehr leicht, zwischen dem Domradio und einem roten Dreieck einen Bezug herzustellen. Mit Radio hat es schon mal nichts zu tun. Mit Dom? Wenn man nur fest daran glaubt, dass es Sinn macht, findet sich ein Weg. Geplant ist folgender Argumentationsverlauf: Die stilisierte Silhouette des Doms gibt es als Logo schon grilliardenfach. Also muss uns, mit Gottes Hilfe, etwas ganz Besonders einfallen. Schauen wir doch mal auf die beiden Türme. Auf die Luft zwischen ihnen. Ist da nicht, zwischen ihnen, eine dreiecksförmige Leere?

Das Rot wird nicht erklärt. Das Dreieck müsste eigentlich ein spitz zulaufender, abwärts gerichteter Keil sein. Und natürlich müsste es seine Herkunft von den Kirchendächern doch irgendwie andeuten. Aber nein. Die Werber haben das nicht für nötig erachtet. Die Werber sind die neuen Theologen, sie quatschen dir eine Bulette ans Bein und einen neuen Flachbildschirm ins Wohnzimmer, den du nicht brauchst. Sie haben hier ihren etwas verlangsamten Seelenverwandten von der Kirche einfach mal irgendwas verkauft.

Das Video aber kann alles erklären: "Gerade bei domradio.de liegt nichts näher, als dafür die Formen des Kölner Doms zu interpretieren." Zum Beleg taucht ein Foto vom Dom auf, über den sich zunächst ein Kreis legt. Dieser Kreis hat mit der Form des Doms nicht das Mindeste zu tun. Um erst gar keine Fragen aufkommen zu lassen, taucht nun noch ein Quadrat auf, das sich mit vollendeter Perfektion in den Kreis einfügt. Das Quadrat hat mit den Formen des Doms ebenfalls nichts zu tun. Aber um die Zuschauer auf die willenlose Rezeption geometrischer Formen einzuschwören, muss man eben ein paar Weihrauchkerzen zünden.

Dann passiert's: In dem Quadrat taucht geisterhaft das Dreieck auf! Für Sekundenbruchteile liegt es über dem Dom, und kein bisschen ähnelt seine klobige Erscheinungsform dem spitzen Winkel zwischen den Türmen. Daher wird das Dombild auch rasch ausgeblendet. Übrig bleiben: der überflüssige Kreis, das überflüssige Quadrat, das völlig beliebige Dreieck. Sie sind perfekt ineinandergefügt. Sie wirken so überzeugend! Sie sind Theologie in Reinkultur. Wenn man die Welt nur ausblendet, ein vollkommen stimmiges System.

Um den Interessierten ein bisschen Karneval anzubieten, hebt jetzt ein allgemeines, buntes Flimmern an. Am Ende des Flimmerns sind dann der überflüssige Kreis und das überflüssige Quadrat wieder weg. Übrig bleibt das fehlproportionierte Dreieck, das ebenso gut für Nussecken-Tage oder Harkenverkauf stehen könnte, und das doch eindeutig nur auf eines verweist: die Kennzeichnung politischer Gefangener in den Konzentrationslagern. "Klar, zeitlos, unique und wiedererkennbar" sei das Logo. Heißt es abschließend. Nur hätten die Macher ihr zeitloses Mord-Logo dann vielleicht auch wirklich wiedererkennen sollen.