Der Traum vom ewigen Leben ist der Köder aller Religionsgemeinschaften und Sekten

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Sektenführer nutzen ihre Machtstellung aus, um die Anhänger in vielfältiger Weise auszubeuten.

Glaubensgemeinschaften aller Couleur fürchten sich davor, das Etikett "Sekte" angehängt zu bekommen. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, denn das führt zu einem Stigma und einer Rufschädigung. Die betroffenen Gruppen sind empört und weisen die Vorwürfe weit von sich.

Aus der Sicht der Sektenführer und ihrer Anhänger ist dies verständlich, denn sie sind überzeugt, zu einer auserlesenen Gemeinschaft zu gehören und die einzig wahre Heilslehre zu vertreten. Deshalb neigen viele dazu, hinter den Kritikern böse Mächte auszumachen, die die Medienleute manipulieren würden.

Heilige Empörung

Grund für die heilige Empörung ist der Absolutheitsanspruch, den letztlich alle religiösen und spirituellen Gruppen und Bewegungen in irgendeiner Form zelebrieren. Diese maßlose Überhöhung des eigenen Glaubens ist eine mentale oder psychologische Falle. Sie raubt den Mitgliedern den kritischen Blick auf ihre Gemeinschaft und ihre Persönlichkeitsentwicklung. Dabei driften sie gern in eine radikale Parallelwelt ab und erleiden oft Wahrnehmungsverschiebungen und einen Realitätsverlust.

Wagt es trotzdem eine Anhängerin oder ein Anhänger, kritische Fragen zu stellen, sind die Führungsfiguren alarmiert. Sie nehmen diese ins Gebet, damit sie keinen Flächenbrand auslösen können. Ihnen wird vorgeworfen, sie seien vom spirituellen Weg abgekommen, weil sie zu wenig gebetet oder meditiert hätten.

Ihnen wird die Hölle heiß gemacht, das Heilsziel oder die Erlösung zu verpassen. Da sie in der Regel schon abhängig sind, verfängt die Drohung bei den meisten und sie kriechen wieder zu Kreuze.

Bei den Buchreligionen Christentum, Judentum und Islam sind die Heilsziele klar umrissen. Die Gläubigen werden angeleitet, ein gottesfürchtiges Leben zu führen und das Sündenregister in einem überschaubaren Rahmen zu halten. Als Belohnung wird den Gläubigen die Erlösung und eine paradiesische Zukunft im Jenseits versprochen. Ähnliche Heilskonzepte bieten die meisten sektenhaften Gruppen an.

Um Erlösung geht es auch bei den spirituellen und esoterischen Lehren. Der Weg dazu unterscheidet sich aber grundlegend. Während die Gläubigen monotheistischer Religionen auf die Gnade eines göttlichen Wesens angewiesen sind, können sich Esoteriker angeblich selbst von den irdischen Fesseln befreien.

Das Selbsterlösungsmodell der Esoterik führt in eine Scheinwelt. Es ist ein spiritueller Egotrip, bei dem der eigene Bauchnabel zum Zentrum des Universums wird.

Durch Meditation, esoterische Rituale und eine übersinnliche Transformation erlangen sie vermeintlich die Erleuchtung und können den Wiedergeburtszyklus unterbrechen und Teil der höheren geistigen Hierarchie – was immer das auch sein mag – werden.

Dieses Selbsterlösungsmodell führt ebenfalls in eine Scheinwelt. Es ist ein spiritueller Egotrip, bei dem der eigene Bauchnabel zum Zentrum des Universums wird. Denn der spirituelle Weg zur Erleuchtung ist ein Lebensprojekt, das volle Aufmerksamkeit und viel Einsatz erfordert.

Unterordnung mit Haut und Haar

Spirituelle Sucher ordnen diesem angeblich erlösenden Prozess alles unter. Manche verlassen sogar ihre Familie, um sich mit Haut und Haar der Transformation widmen zu können.

Ganz ohne Unterstützung schaffen es aber auch die spirituellen Sucher nicht. Gurus und esoterische Meister machen ihnen weis, sie könnten mit ihrer Hilfe schneller ans Ziel kommen. Ein einträgliches Business-Modell, welches sich als das perfekte Perpetuum mobile menschlicher Begierden und Sehnsüchte entpuppt.

Deshalb erleben Gurus das Paradies schon zu Lebzeiten auf der Erde. Sie werden von ihren Schülern und Schülerinnen verehrt. Die Rolle als erleuchteter Meister mit einem angeblichen Draht zu den höheren geistigen Instanzen schmeichelt ihrem Ego ungemein.

Menschliche Abgründe

Ein weiterer, rein weltlicher Aspekt sind die finanziellen Zuwendungen. Wenn die Erleuchtung winkt, steigt die Spendenfreudigkeit exponentiell. Noch tiefer in die weltlichen oder menschlichen Abgründe tauchen Anhängerinnen, die manchen spirituellen Führern besonders attraktiv erscheinen.

Es gibt kein günstigeres Setting, um Frauen zu verführen, als ein spirituelles Biotop. Denn etliche Gurus und Meister nutzen das Machtgefälle aus, um Anhängerinnen zum Beischlaf zu drängen.

Ihr Standardargument: Durch die körperliche Verschmelzung könnten sie die spirituelle Transformation massiv beschleunigen. Viele Zeugenberichte und Prozesse zeigen, dass es in esoterischen Zirkeln und Bewegungen nicht selten zu Übergriffen oder sexuellen Missbräuchen kommt.

Danach erwachen die Opfer oft aus ihrem spirituellen Traum, der nicht in die Erleuchtung mündet, sondern in eine Therapie. Ein böses Erwachen.

Wie der Traum vom Paradies von Gläubigen monotheistischer Religionen enden wird, steht ebenfalls in den Sternen. Die Gefahr einer Enttäuschung ist durchaus gegeben. Nur werden wir dies dann nicht mehr erleben.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.