Zoos gehören abgeschafft

sebastian-gitter-1.jpg

Der Schimpanse Sebastian 2009 hinter Gittern / Foto © Colin Goldner

(hpd) Eine Replik auf »Ein Plädoyer für Zoos«: Der Beitrag des Vet.med.Studenten Sören Schewe beruht auf eben den fragwürdigen Argumenten, die seit Jahren von der Zoo-Industrie vorgetragen werden, um die von tierschützerischer und vor allem tierrechtlicher Seite her zunehmend erhobene Kritik abzuwehren.

 
Eine Entgegnung von Colin Goldner

 

Da ich mich als Tierrechtler durch den Beitrag Schewes zu einer Gegenrede aufgefordert fühle (und wohl von Schewe auch persönlich, indirekt jedenfalls, angesprochen werde, da u.a. vor wenigen Tagen auf hpd ein von mir für die Tageszeitung »jungeWelt« verfasster Nachruf auf den Eisbären Knut verlinkt wurde lege ich solche gerne auch vor.

Da die gegen Zoos sprechenden Argumente allerdings längst und in konziser Form vorliegen, werde ich sie nicht erneut formulieren, vielmehr gebe ich im folgenden die Position des »Bundesverbandes Menschen für Tierrechte« (dem ich über die Tierrechtsorganisation »rage&reason« zugehöre) wieder; diese Position entspricht meiner eigenen.

Gefangen im Zoo - Wildtiere hinter Gittern

(...) Die Argumente, mit denen die Existenz von Zoos gerechtfertigt wird, sind seit Jahren die gleichen: Es werde wissenschaftliche Forschung betrieben, eine weitere Aufgabe sei Bildung und Aufklärung der Besucher, außerdem könnten in den Zoos vom Aussterben bedrohte Tierarten gerettet werden, und schließlich würden die Tiere ja auch artgerecht gehalten. Die Realität sieht jedoch anders aus.

Zucht zur Arterhaltung?

Viele Wildtierarten sind weltweit vom Aussterben bedroht. Deshalb ist die Arterhaltungszucht eines der meist verwendeten Argumente zur Rechtfertigung der Zootierhaltung. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass sich die Zoos besonders um die Arterhaltungszucht von gewinnbringenden Publikumslieblingen bemühen: Delfine, Elefanten, Pandas und neuerdings auch Eisbären. Dabei scheuen die Zoos nicht einmal vor dem Ankauf von Wildfängen zurück, um eine Zuchtgruppe aufzubauen - mit mäßigen Erfolgen. Statistiken belegen, dass sich 60,9 Prozent der Vögel, 41,3 Prozent der Säugetiere und sogar 100 Prozent der Reptilien nur schwer bis gar nicht in Gefangenschaft züchten lassen. So wollten sich beispielsweise die beiden Pandas im Berliner Zoo partout nicht vermehren, selbst künstliche Befruchtung führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Und auch bei den Delfinen sterben die meisten nachgezüchteten Delfinbabys, kaum dass sie geboren sind. Bei den Elefanten gibt es in den letzten Jahren erste Nachzuchterfolge, wenn auch nicht die gewünschten. So kommen zu viele Bullen zur Welt, von denen aber ein Zoo im Schnitt nur einen halten kann. Dann stellt sich die Frage, wohin mit den anderen? Eine Frage, die sich auch bei jenen Tierarten stellt, die sich »zu gut« vermehren. Im besten Fall werden sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und an einen anderen Zoo abgegeben. Ansonsten landen sie bei einem Tierhändler, einem Wanderzirkus oder werden getötet.

Während Jungtiere wenig begehrter Arten, wenn sie von ihrer Mutter nicht angenommen werden, häufig die Todesspritze erhalten, wird bei Publikumsmagneten alles daran gesetzt, das Jungtier am Leben zu erhalten. Menschliche Ersatzeltern päppeln sie liebevoll und medienwirksam auf, berichten der Öffentlichkeit über die ersten tapsigen Schritte, den ersten Zahn und schließlich die erste Nacht alleine im Käfig - eine Umgebung, in der sie den Rest ihres Lebens verbringen, denn ausgewildert werden diese Tiere sicher niemals. Und wie ihre Kinder, Enkel oder Urenkel in freier Wildbahn überleben sollen, ist ebenso unklar. Tiere passen sich ihren speziellen Habitaten an, entwickeln und vererben Traditionen, die ihnen dort das Überleben ermöglichen. In der Generationen überdauernden Gefangenschaft geht dieses Wissen verloren. Es beginnt ein Prozess der Domestikation und der Degeneration.

So sind von den 418 bedrohten Arten der Zuchtprogramme auch nur 19 für die Auswilderung vorgesehen.

Artgerechte Haltung?

Ein Elefant, an Vorder- und Hinterbein angekettet, ein Delfin, der durch einen Reifen springt, ein Seelöwe, der einen Ball balanciert - artgerecht? Kacheln, Gitter, Gräben, Panzerglas - artgerecht? Einiges hat sich seit Gründung der bürgerlichen Zoos im 19. Jahrhundert geändert. Viele Käfige und Gehege sind größer geworden, künstliche Strukturen und Maßnahmen zur »Anreicherung« der Käfige und Gehege sowie zur Beschäftigung sollen die Gefangenschaft erträglicher machen. Doch es bleibt lebenslange Gefangenschaft. Jede Bewegung endet nach wenigen Metern an der immer gleichen Grenze. Vor allem ist es ein fremdbestimmtes Leben. Lebensraum, Tagesrhythmus, Tagesablauf, Futter, Fütterungszeit, Zusammensetzung der Gruppe, Partnerwahl, Paarungszeit, alles wird vom Menschen bestimmt.

Stahlstangen und Seile können einem Schimpansen keinen Baum ersetzen, ein Stück Fleisch, das an einem Stahlseil durchs Gehege gezogen wird, einem Raubtier nicht die Jagd. Und so sieht man sie auch heute noch, die Zootiere, die wahnsinnig geworden sind, die Stunde um Stunde im immer gleichen Kreis schreiten, den Kopf unaufhörlich hin und her weben.

Andere setzen sich zur Wehr. Elefanten werden auch heute noch in vielen Zoos im direkten Kontakt zu ihren Pflegern gehalten. Dabei, so zeigen neueste Untersuchungen, akzeptieren sie keineswegs den Menschen als ranghöheres Herdenmitglied. Vielmehr gehorchen sie, weil sie gelernt haben, dass Ungehorsam schmerzhaft bestraft wird. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass ein Elefant sich gegen seinen Pfleger wehrt - mit tödlichem Ausgang. In den letzten 15 Jahren starben 23 Elefantenpfleger in Zoos und Safariparks durch Angriffe von Elefanten, 30 wurden zum Teil schwer verletzt.

Bildung und Aufklärung?

Bei einer 1992 im Kölner Zoo durchgeführten Umfrage gaben 63 Prozent der Befragten an, ihnen sei bewusst, dass man im Zoo viel über Tiere lernen kann. Jedoch waren lediglich 8,3 Prozent der Besucher mit der Absicht gekommen, dies zu tun. Wer einen Zoo besucht, merkt, dass diese Zahl stimmt. Mit Inbrunst erzählen Eltern ihren Kindern, dass die Elefanten aus Afrika kommen, während sie vor einer Herde aus Asien stehen. Begeistert wird ein Panda bestaunt, der in Wirklichkeit ein Kragenbär ist. Von Vorteil ist die Unwissenheit der Besucher für die Zoos, wenn die Eltern ihren Kindern angesichts eines verhaltensgestört webenden Elefanten erklären, dieser würde vor Freude tanzen. Denn nach eigenen Angaben sehen die zoologischen Gärten eine ihrer selbst gestellten Aufgaben darin, Kinder für die Liebe zu Tieren zu sensibilisieren. Nur was man kennt, kann man schützen, heißt es oftmals. Falsch! Millionen Menschen spenden für hungernde Kinder, ohne jemals eines getroffen zu haben, engagieren sich gegen die Abholzung des Regenwaldes, ohne ihn jemals betreten zu haben und helfen den Opfern von Naturkatastrophen, ohne diese miterlebt zu haben. Es braucht keine gefangenen Tiere in Käfigen, um Menschen für den Tierschutz zu sensibilisieren. Ganz im Gegenteil - Zoos tragen dazu bei, Kindern und Jugendlichen ein höchst tierfeindliches Weltbild zu vermitteln. Lernen sie doch bei einem Besuch im Zoo, dass es normal ist, Wildtiere zur Unterhaltung des Menschen einzusperren. Welche Folgen dies hat, zeigt sich schon vor Ort. Da wird laut geschrieen, gegen Scheiben geklopft und sogar mit Steinen geschmissen, wenn die Tiere faul in der Ecke liegen und schlafen.

Wissenschaftliche Lehre und Forschung?

Gerade die wissenschaftlich geführten zoologischen Gärten geben an, intensiv zu forschen. Doch welche Erkenntnisse bringt die Forschung an Wildtieren in Gefangenschaft? Erkenntnisse über Wildtiere in Gefangenschaft - darüber, wie die Haltung verbessert werden, die Nachzucht kontrolliert oder eine künstliche Befruchtung durchgeführt werden kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die zur Verbesserung der Zootierhaltung führen, aber ohne deren Existenz nicht nötig wären. Und so verrät die Präsentation gefangener Wildtiere im Zoo mehr über die Gesellschaft, die diese Zoos konstruiert, als über die Tiere, die in ihnen eingeschlossen sind.

Konzepte für die Zukunft

Bei näherem Hinsehen bleibt von den Argumenten der Zoobefürworter nicht viel übrig, Grund genug, um die Existenzberechtigung von Zoos in Frage zu stellen und Konzepte für die Zukunft zu entwickeln...

Laura Zimprich

Quelle: Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner: »tierrechte«, August 2007; siehe auch hier.

 

 

(Relatives) Happy End für Sebastian (6. September 2010)

Neues von den Straubinger Schimpansen (3. Februar 2010)

Affenschande (9. März 2009)