Khorchide: Muslimischer Machtkampf in Münster

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Münster, Foto: Bernhard Kils (CC-BY-SA-3.0)

MÜNSTER. (hpd) Die Auseinandersetzungen zwischen den konservativ-orthodoxen Muslimen und den Aleviten sowie liberalen Muslimen haben sich in den letzten Tagen verschärft.

Der konservative Koordinationsrat der Muslime (KRM) hat in letzter Zeit den Münsteraner Islamwissenschaftler Khorchide ins Visier genommen, vor allem seit der Veröffentlichung seiner Bücher "Islam ist Barmherzigkeit" und "Scharia - der missverstandene Gott". Der KRM will den Dozenten, der auch für die Ausbildung islamischer Religionslehrer zuständig ist, von seinem Lehrstuhl entfernen.

In einem von der KRM bestellten "Gutachten" haben vier völlig unbekannte "Islamgelehrte", die nicht einmal sämtlich Theologen sind, darunter ein "angehender Doktorand" und ein "angehender Islamwissenschaftler" auftragsgemäß festgestellt, dass Khorchide den Koran fehlinterpretiere und dass seine Interpretationen "nicht widerspruchsfrei" und "nicht konsequent" seien. Der KRM lehnt die theologischen Aussagen von Khorchide ab und fordert seine Entlassung.

Dass die Ansichten von Khorchide von renommierten Islam-Gelehrten wie Prof. Dr. Mahmoud Azab, dem Chefberater des Großscheichs der Al-Azhar Universität in Kairo, unterstützt werden, stört die Verbände des KRM nicht. Sie haben lange daran gearbeitet, ihren Einfluss zu stärken und sind kompromissunwillig. Eine "Vielfalt im Islam" steht für sie nicht zur Debatte. Hierauf weist Khorchide hin, nämlich dass eine "Ablehnung der Vielfalt im Islam … ein Verstoß gegen den koranischen Grundsatz (ist), dass Vielfalt von Gott gewollt ist." Aber eine ernsthafte theologische Auseinandersetzung steht nicht an und ist auch nicht gewollt.

Die Verbände wollen ihren Einfluss und ihre Macht ausbauen und nicht etwa schmälern, indem sie einem Mann Einfluss auf die Ausbildung von Islamlehrern gewähren, der den Glauben nicht als einen Katalog von Regeln ansieht, sondern als eine immer wieder der Zeit anzupassende moralisch-ethische Botschaft. Die Verbände wollen allein bestimmen, welche Auslegung des Islam in Deutschland gelehrt werden darf.

Aleviten: "Ein Weg ohne Wissen und ohne die Freiheit von Lehre und Forschung führt in die Dunkelheit"

Die Alevitische Gemeinde Deutschlands hat jetzt Khorchide verteidigt, dessen Verbleib im Amt gefordert und erklärt: "Den Islamverbänden, die seit geraumer Zeit Prof. Dr. Khorchide in die Mangel genommen haben, geht es weniger um Religion, sondern vielmehr um Politik, genauer: um die Deutungshoheit des Islams in Deutschland. Sie nehmen für sich in Anspruch, die Mehrheit der Musliminnen und Muslime in Deutschland zu vertreten. Dieser Anspruch entbehrt jeglicher Grundlage." Die Gemeinde sieht die Grundgesetzwerte in Gefahr: "Die Wissenschaft ist frei und sie sollte auch im Falle von Prof. Dr. Mouhanad Khorchide frei von Ideologien und politischer Agitation bleiben."

Auch der Liberal-Islamische Bund unterstützt Khorchide und fordert eine Meinungsfreiheit innerhalb der islamischen Lehre und unter Muslimen in Deutschland, auch wenn in Einzelpunkten die Auffassungen des Lehrstuhlinhabers diskussionswürdig seien. Es habe "im Islam stets unterschiedliche Meinungen gegeben und auch innerhalb der Islamischen Lehre konnten andersgeartete Auffassungen oft und immer wieder nebeneinander bestehen" heißt es in einer jüngst veröffentlichten Erklärung des Bundes. Schon Mohammed werde "der Ausspruch zugeschrieben, dass in der Verschiedenheit der Meinungen in seiner Gemeinde eine göttliche Barmherzigkeit liege." Der Liberal-Islamische Bund ruft zur Achtung "der Freiheit von Forschung und Lehre" auf und plädiert dafür, mit den Studierenden "der heranwachsenden Generation eigenständige Entscheidungen zu ermöglich – auch wenn dabei eigene Machtansprüche in den Hintergrund treten."

Dass sich von solchen Appellen die Mitgliedsverbände des KRM (DITIB, der Islamrat, der Verband der islamischen Kulturzentren und der Zentralrat der Muslime) beeindrucken lassen, steht nicht zu erwarten. Organisationen wie DITIB - als Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet - , wie der Islamrat, der zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft gehört, wollen der fundamentalistischen Organisation Milli Görüs einen Sitz im Beirat des Münsteraner Hochschulinstituts verschaffen und keine Abweichler von der rechten – von ihnen allein bestimmten – Lehre.

Dass sie hierbei Unterstützung von der deutschen Politik, vor allem von sozialdemokratischen und grünen Bildungspolitikern, erhalten, ist der eigentliche Skandal. Der Liberal-Islamische Bund beklagt eine massive Diskriminierung und Ausgrenzung nicht nur seitens der konservativen Verbände, sondern auch der NRW-Landesregierung, und die ist seit Jahren rot-grün. Steht diese Regierungskoalition jetzt für ein Amtsenthebungsverfahren von Khorchide? Strebt sie das Erstgeburtsrecht für einen muslimischen Küng an?

Karl Albert