Offener Brief zum Sicherheitspaket der Bundesregierung

Biometrische Gesichtserkennung stoppen

Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen wenden sich in einem Offenen Brief gegen das Sicherheitspaket der Bundesregierung. Der Brief kritisiert die Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden im digitalen Bereich, geht aber auch die Verschärfungen im Asylbereich ein. Der hpd veröffentlicht den Offenen Brief im Wortlaut.

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

mit den Gesetzentwürfen zum sogenannten Sicherheitspaket schlagen die Fraktionen der Ampel-Koalition die Verschärfungen des Asylrechts und die Einführung massenhafter biometrischer Überwachung vor. Trotz schwerwiegender offener Fragen bezüglich der Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihrer Konformität mit EU-Recht und dem Grundgesetz soll dieses Paket in Rekordzeit verabschiedet und umgesetzt werden.

Das Sicherheitspaket sieht Maßnahmen vor, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vermuteten Gewinn an Sicherheit stehen. In einigen Bereichen besitzen die Regelungen reinen Symbolcharakter und werden die Sicherheitsbehörden im Vollzug mit neuen Aufgaben belasten, die sie davon abhalten, ihren eigentlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Gleichzeitig stützen die vorgeschlagenen Verschärfungen des Asylrechts autoritäre Narrative, die die Rechte "Anderer", in diesem Fall asylsuchender Menschen, infrage stellen, und tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei. Asylsuchenden, für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, sollen zukünftig nach zwei Wochen alle Sozialleistungen gestrichen werden. Das untergräbt die Menschenwürde und ist inakzeptabel und völkerrechtswidrig. Die geplante Ausweitung anlassloser Kontrollen durch die Polizei ist ein Einfallstor für Racial Profiling.

Wir fordern Sie dazu auf, sich dem kopflosen Aktionismus, der mit dem Sicherheitspaket einhergeht, entgegenzustellen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.

Eingeführt werden soll auch die Befugnis zum biometrischen Abgleich des gesamten Internets mit Bildern und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen. Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen diese Befugnis nicht nur zur Bekämpfung von Terrorismus, sondern auch als neues Standardinstrument erhalten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sogar ohne Anfangsverdacht einer Straftat, nur um die Identität von Personen festzustellen.

Eine solche Maßnahme ist technisch jedoch nur möglich, wenn riesige, unterschiedslose Gesichtsdatenbanken angelegt werden. Solche Gesichtsdatenbanken sind nach Artikel 5 der KI-Verordnung eine verbotene Praxis, da sie Massenüberwachung ermöglichen und zu schweren Verstößen gegen die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, führen können. Es gibt zwar Ausnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit, aber ein Verbot des Einsatzes von biometrischen Fernidentifizierungssystemen ist laut KI-Verordnung ausdrücklich möglich und kann von den Mitgliedsstaaten rechtlich eingeführt werden.

Der Schutz von Menschenrechten darf nicht unter Vorbehalt stehen. Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren.

Wir fordern Sie daher auf, sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.

Im Koalitionsvertrag verpflichten sich die Regierungsparteien gleich an zwei Stellen, biometrische Überwachung in Deutschland zu verhindern: Die "biometrische Erkennung im öffentlichen Raum" wie auch der "Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken" werden explizit abgelehnt.

Es ist jetzt an der Zeit, ein Verbot biometrischer Überwachung konsequent zu verfolgen und Einschnitte in Grundrechte wie die ausufernden Ideen zur automatisierten Datenanalyse, die anlasslose IP-Adressdatenspeicherung, Videoüberwachung und Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, Onlinedurchsuchung für den Verfassungsschutz und die allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal abzulehnen.

Wir fordern Sie auf, sich für den Schutz aller Menschen und das Recht auf ein Leben frei von Massenüberwachung und Kontrolle einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

AlgorithmWatch
Amnesty International
Chaos Computer Club
D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt
Die Datenpunks
Digitale Freiheit e.V.
Digitale Gesellschaft e.V.
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF e.V.)
Gesichtserkennung Stoppen
Humanistische Union e.V.
Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie
#LeaveNoOneBehind
Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
netzbegrünung – Verein für grüne Netzkultur e.V.
Sea-Watch e.V.
Seebrücke
SUPERRR Lab
Topio e.V.
Wikimedia Deutschland e. V.

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