OVERATH. (IBKA) Gemeinsam hatten der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) einen Sitz im WDR-Rundfunkrat als Vertretung für nicht konfessionell gebundene Menschen gefordert. Dem hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen im Juli per Auswahlverfahren stattgegeben.
Bislang haben die beiden großen Kirchen und die jüdische Gemeinschaft je einen Sitz im Rundfunkrat. Im Rahmen der Novellierung des WDR-Gesetzes hatten HVD, GBS und IBKA bereits im März 2015 die zuständige Ministerin aufgefordert, eine Interessenvertretung für den zunehmenden Anteil nicht-religiöser Menschen im Rundfunkrat sicherzustellen.
Laut seinen Programmgrundsätzen soll der WDR "die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen (…) Richtungen zum Ausdruck bringen". Auch die Zusammensetzung des Rundfunkrats soll diese Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Dennoch waren weder das Ministerium noch die größeren Parteien im Landtag dazu bereit, säkularen Kräften einen festen Platz im Rundfunkrat zu garantieren. Stattdessen verwiesen sie auf einen Weg über die Hintertür, der im neuen WDR-Gesetz geschaffen wurde.
§ 15, Abs. 4 des neuen WDR-Gesetzes vom 2. Februar 2016 besagt: "Sieben Mitglieder werden durch gesellschaftlich relevante Gruppen entsandt, die in der Gesamtsicht mit den nach den Absätzen 2 und 3 bestimmten entsendeberechtigten Stellen die Vielfalt der aktuellen gesellschaftlichen Strömungen und Kräfte in Nordrhein-Westfalen widerspiegeln." Deshalb haben sich HVD, GBS und IBKA im April dieses Jahres bei der Landtagspräsidentin um einen solchen Platz beworben.
Dass der Landtag nun den drei Organisationen einen gemeinsamen Sitz im Rundfunkrat genehmigt hat, bezeichnen die Organisationen als kleinen Fortschritt.
HVD-Landespräsident Erwin Kress dazu: "Wir begrüßen, dass konfessionsfreie, säkulare und humanistische Kräfte nun im Rundfunkrat vertreten werden. Es bleibt aber eine Schieflage im WDR. Wir erwarten, dass wir uns auch im Programm wiederfinden. Während den christlichen Kirchen eine Vielzahl von direkten und indirekten Verkündigungssendungen im WDR geboten wird, fehlt uns eine solche Möglichkeit. Unsere eigene monatliche Sendung aus der freigeistigen Landesgemeinschaft wurde uns 1993 einfach gestrichen."
Ebenso begrüßte Petra Daheim, Landessprecherin des IBKA, die Entscheidung des Landtages: "Der Rundfunkrat wählt den Intendanten, entscheidet über dessen Maßnahmen zum Programm und zur Entwicklung des WDR und hat Einfluss auf die grundsätzliche Reform der WDR-Radio- und -Fernsehprogramme. Ich bin erfreut, dass künftig eine klare säkulare Stimme an diesen Entscheidungen beteiligt ist!"
Im Rundfunkrat vertreten werden die konfessionsfreien und humanistischen Kräfte von Ingrid Matthäus-Maier, Juristin und frühere SPD-Bundespolitikerin. Diese streitet seit über 40 Jahren gegen das etablierte Staatskirchensystem. Matthäus-Maier: "Wir freuen uns über die Entscheidung des Landtags. Es ist zwar erst ein Anfang, die Entscheidung zeigt aber, dass die im Landtag vertretenen Parteien zur Kenntnis genommen haben, dass die konfessionsfreien, humanistischen und säkularen Kräfte in der Gesellschaft erheblich an Gewicht gewonnen haben und mit ihren etwa 35 % Anteil an der Bevölkerung das Spektrum im Rundfunkrat im Sinne der geforderten Pluralität des WDR-Gesetzes erweitern."
13 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
gestern eine gute Nachricht heute wieder, so kann es weitergehen.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Diese vernünftige Entscheidung fordert einen besonderen Feiertag.
Horst Herrmann am Permanenter Link
Es ist wirklich nur ein kleiner Fortschritt, aber es ist ein überfälliger. Ich hätte nicht geglaubt, dass so etwas doch noch klappt, ein Desiderat seit Jahrzehnten.
David am Permanenter Link
ich habe noch eine Frage an Herrn Herrmann.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wurde höchste Zeit! Ein Anfang ist gemacht; und das geht auch in den anderen Bundesländern.
Paul am Permanenter Link
Die Kirchenrepublik Deutschland wirft den Konfessionslosen ein Happen zu, was eigentlich schon seit Jahrzehnten der Fall sein soll, wird jetzt endlich, der Realität in der Bevölkerung Deutschlands entsprechend, zur Ta
Kay Krause am Permanenter Link
Herzlichen Glückwunsch Ihnen, liebe Frau Matthäus-Maier, sowie auch uns Freidenkern! Weiter so in allen Bundesländern! Und endlich Schluß mit den vielen kostenlosen wöchentlichen Werbesendungen der Kirchen!
Nico Schmelzle am Permanenter Link
Eine gute Nachricht und längst überfällig - hoffentlich hat die Entscheidung Signalwirkung für andere Bundesländer.
Aber die Zusammensetzung folgt ganz offensichtlich politischen Motiven - wie sonst könnte man erklären, dass die jüdische Gemeinschaft einen Sitz hat, die muslimische jedoch nicht? Letztere stellen doch offensichtlich einen größeren Bevölkerungsanteil...
Jo am Permanenter Link
Gibt's denn irgendwo eine Übersicht darüber, wie viele Leute jeweils von den Organisationen vertreten werden, die einen Sitz haben?
Nico Schmelzle am Permanenter Link
Nein, das wird man auch schwer beurteilen können - viele Menschen fühlen sich sicher von mehreren Rundfunkräten vertreten.
Hier gibt es zumindest eine Übersicht über die gesamte Zusammensetzung:
http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/gremien/rundfunkrat/rundfunkrat-mitglieder-100.html
Jo am Permanenter Link
Ok, na da hatte ich jetzt irgendwie mehr Kirchenvertreter erwartet.
Auch wenn ich die Kirchen nicht toll finde oder gar als "meine" Vertreter ansehe - fairerweise muss ich halt sagen: wenn man gesellschaftliche Organisationen repräsentieren möchte in so einem Rundfunkrat, hat man als objektives Kriterium nur die Anzahl der Mitglieder und da sieht's bei säkularen Weltanschauungs-Organisationen eher mau aus.
Hannelore Brenner am Permanenter Link
Endlich! Ich gratuliere!
Katja am Permanenter Link
Von mir auch einen herzlichen Glückwunsch an Frau Matthäus-Maier und vielen Dank, dass Sie dieses Amt übernehmen!
Kein Platz mehr für Staatskirchliche Ideologie und Missionierung!