Kolumne: Sitte & Anstand

Mein Weg in die Spiritualität, Teil 11: Nach uns die Coaches

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Symbolbild
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Ich war jetzt beim Coach. Oder bei einer Coachin. Nein, war ich natürlich nicht. Das kann sich ja kein Mensch leisten, nicht mal aus Spaß. Aber ich bin da zuletzt im Netz hängen geblieben, an den Coaches, auf meiner spirituellen Reise ins Ich beziehungsweise Nichts.

Vielleicht entsinnen Sie sich ja, ich hatte mich bei der Coach-/Astrologin Violène Brockmöller überwältigen lassen von ihrer Ausstrahlung sowie von den Namen ihrer sogenannten Ausbildungen, hatte mich in Sonderheit berühren lassen vom Höhepunkt dieses unverständlichen Gemurmels – "Zertifizierter Innermetrix Consultant". Was auch immer das heißen mag – Violène Brockmöller ist damit nicht allein.

Überall im Netz habe ich welche gefunden, Innermetrix Consultants, zertifizierte, und ihre Websites folgen irgendwie alle demselben Bauplan, und ich schaue ihnen in die Gesichter, diesen Carinas, Doreens und Detleffen, die alle schon eine größere Lebenskrise hinter sich haben, ich starre auf die absurden Preise, die sie für ihr Simsalabim verlangen, und ich lese hier und da und dort darüber, wie diese ganze Coachingnummer oft nichts weiter ist als ein getarntes, hyperteures Schneeballsystem, und dann schaue ich auf ihren Websites, wie sie alle ihrem Klimbim eine ganz persönliche Note abgewinnen – die Eine teilt Menschen nach einer Art esoterischem Wabenmuster in Gruppen ein, der Nächste hat einen Burnout hinter sich und will jetzt stille, unterschätzte Menschen zu Führungskräften machen, die Dritte empfängt Nachrichten von Sirius und kann dir für wenige Tausend Euro ein bisschen darüber erzählen, und so weiter, und so weiter, und so weiter, es sind sehr viele da draußen – und man sitzt also davor und schaut diesen Leuten in die Gesichter, und man empfindet Mitleid mit Burnout-Detlef, ein Leiser, Verkniffener, den sie gezwungen haben, dynamisch wirkende Posen einzunehmen, oder mit Carina, eine ganz Hübsche, die in Videos voller Begeisterung Wabenmuster erklärt, während weite Teile ihrer Homepage seit Langem brachliegen – "Hier steht bald etwas über mich. :)" – und vielleicht sogar auch ein bisschen mit Doreen, die mit dem Sirius-Hirnfunk, und man fragt sich: Sind das jetzt alles schlechte Menschen, nur weil sie versuchen, anderen Leuten mit ein bisschen Schubidu das Geld aus der Tasche zu ziehen?

Ist das nicht eine Konstante des menschlichen Zusammenlebens: Das Geld steigt immer am Intelligenzgefälle hoch? Sind denn Coaches und ihr Treiben wesentlich anders als das, womit die Kirchen und Religionen und die Parfümhersteller, die Modemarken, die Lifestylemagazine, die Auto- und iPhoneverkäufer ihre Umsätze machen? Gib mir Geld, ich quatsche dein Leben schön. Und wenn du auch richtig Knete machen willst, hej, dann kannst du ja auch Coach werden, nach meiner zertifizierten Methode, es ist der Schritt auf die andere Seite, es ist die rote Pille, schluck sie und du wirst sehen: Dein Geld ist jetzt bei mir. Und du bist immer noch derselbe alte Detlef, außer du gibst dir Mühe, den Beschiss zu vergessen und selber ein Teil davon zu werden. So können wir eine ganze große Beschisswelt aufbauen, eine Coachingwelt, ganz genau so, wie es die Religionen getan haben, die wir womöglich eines schönen Tages ablösen werden.

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