Ich war jetzt beim Coach. Oder bei einer Coachin. Nein, war ich natürlich nicht. Das kann sich ja kein Mensch leisten, nicht mal aus Spaß. Aber ich bin da zuletzt im Netz hängen geblieben, an den Coaches, auf meiner spirituellen Reise ins Ich beziehungsweise Nichts.
Vielleicht entsinnen Sie sich ja, ich hatte mich bei der Coach-/Astrologin Violène Brockmöller überwältigen lassen von ihrer Ausstrahlung sowie von den Namen ihrer sogenannten Ausbildungen, hatte mich in Sonderheit berühren lassen vom Höhepunkt dieses unverständlichen Gemurmels – "Zertifizierter Innermetrix Consultant". Was auch immer das heißen mag – Violène Brockmöller ist damit nicht allein.
Überall im Netz habe ich welche gefunden, Innermetrix Consultants, zertifizierte, und ihre Websites folgen irgendwie alle demselben Bauplan, und ich schaue ihnen in die Gesichter, diesen Carinas, Doreens und Detleffen, die alle schon eine größere Lebenskrise hinter sich haben, ich starre auf die absurden Preise, die sie für ihr Simsalabim verlangen, und ich lese hier und da und dort darüber, wie diese ganze Coachingnummer oft nichts weiter ist als ein getarntes, hyperteures Schneeballsystem, und dann schaue ich auf ihren Websites, wie sie alle ihrem Klimbim eine ganz persönliche Note abgewinnen – die Eine teilt Menschen nach einer Art esoterischem Wabenmuster in Gruppen ein, der Nächste hat einen Burnout hinter sich und will jetzt stille, unterschätzte Menschen zu Führungskräften machen, die Dritte empfängt Nachrichten von Sirius und kann dir für wenige Tausend Euro ein bisschen darüber erzählen, und so weiter, und so weiter, und so weiter, es sind sehr viele da draußen – und man sitzt also davor und schaut diesen Leuten in die Gesichter, und man empfindet Mitleid mit Burnout-Detlef, ein Leiser, Verkniffener, den sie gezwungen haben, dynamisch wirkende Posen einzunehmen, oder mit Carina, eine ganz Hübsche, die in Videos voller Begeisterung Wabenmuster erklärt, während weite Teile ihrer Homepage seit Langem brachliegen – "Hier steht bald etwas über mich. :)" – und vielleicht sogar auch ein bisschen mit Doreen, die mit dem Sirius-Hirnfunk, und man fragt sich: Sind das jetzt alles schlechte Menschen, nur weil sie versuchen, anderen Leuten mit ein bisschen Schubidu das Geld aus der Tasche zu ziehen?
Ist das nicht eine Konstante des menschlichen Zusammenlebens: Das Geld steigt immer am Intelligenzgefälle hoch? Sind denn Coaches und ihr Treiben wesentlich anders als das, womit die Kirchen und Religionen und die Parfümhersteller, die Modemarken, die Lifestylemagazine, die Auto- und iPhoneverkäufer ihre Umsätze machen? Gib mir Geld, ich quatsche dein Leben schön. Und wenn du auch richtig Knete machen willst, hej, dann kannst du ja auch Coach werden, nach meiner zertifizierten Methode, es ist der Schritt auf die andere Seite, es ist die rote Pille, schluck sie und du wirst sehen: Dein Geld ist jetzt bei mir. Und du bist immer noch derselbe alte Detlef, außer du gibst dir Mühe, den Beschiss zu vergessen und selber ein Teil davon zu werden. So können wir eine ganze große Beschisswelt aufbauen, eine Coachingwelt, ganz genau so, wie es die Religionen getan haben, die wir womöglich eines schönen Tages ablösen werden.
4 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wer will schon den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, das bringt uns nicht weiter.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Muss schlimm sein, sich näher auf solch spirituell-esoterische Kackscheiße einzulassen.
Tanja Klein am Permanenter Link
Hallo Klaus,
ich arbeite seit gut 14 Jahren als Coach und kann so manche deiner Zeilen gut verstehen.
Aus eigener Erfahrung kenne ich aber auch die andere Seite der Branche: Fast nirgendwo findest du so viele hochmotivierte Menschen, die das meiste Geld, dass sie einnehmen, direkt wieder in ihre Weiterbildung investieren, um ihren Klient:innen in Zukunft noch besser helfen zu können! Da könnten sich einige Therapeuten eine Scheibe von abschneiden.
Ich erlebe täglich, wie Menschen durch wissenschaft fundierte Coachingmethoden (siehe auch die Bücher von Dr. Gerhard Roth) ihre Ängste besiegen. Mit ihren Mitmenschen besser klar kommen. Beziehungen verbessern und Stress minimieren.
In jeder Branche gibt es solche und solche. Und es gibt viele gute Coaches. Und das schreibe ich jetzt nicht, weil ich auch Coaches ausbilde, sondern ganz viele hochqualifizierte kenne.
Herzliche Grüße aus Bonn.
Tanja Klein
Martin am Permanenter Link
Nee, das Wort "coachin" gibt es nicht. Das deutsche Privatlehrer heißt auch englisch "coach". Und das Wort Privatlehrerin heißt auch englisch --- auch "coach"!