HERNE. (hpd) Mit Verweis auf das Feiertagsgesetz von Nordrhein-Westfalen untersagte das Ordnungsamt der Stadt Herne am Karfreitag ein Schachturnier.
Wie an jedem Karfreitag trafen sich auch in diesem Jahr die Mitglieder des Schachvereins Unser Fritz e.V. im Vereinshaus des Tennisclubs Parkhaus e.V. in Eickel, um dort ihr "Osterblitzen"-Turnier abzuhalten. Seit vielen Jahren eine Turnier-Tradition des Vereins, die auch von anderen Schachvereinen deutschlandweit am Karfreitag gepflegt wird.
Nun jedoch wurde dieser ketzerischen Tradition dank der Stadt Herne ein Ende gesetzt. Kaum hatten die Mitglieder des Vereins vor ihren Schachbrettern Platz genommen und zum ersten Zug ausgeholt, als die Ordnungshüter der Stadt heldenhaft einschritten, ein Bußgeld verhängten und die illegale Versammlung auflösten.
Dass sie sich illegal verhielten, war den Teilnehmern des Osterblitzen-Turniers bisher niemals klar gewesen. Mit ihrem Schachturnier am Karfreitag verstoßen sie nämlich gegen das Feiertagsgesetz von Nordrhein-Westfalen, das für sogenannte stille Feiertage unter anderem "sportliche und ähnliche Veranstaltungen" untersagt. Da Schach als Sportart gilt, fällt auch das Turnier des SV Unser Fritz unter das Verbot.
Untersagt ist am Karfreitag übrigens auch die Aufführung nicht-feiertagsfreier Filme – wie beispielsweise "Das Leben des Brian", der zeitgleich zum abgeblasenen Schachturnier wenige Kilometer entfernt in Bochum durch die säkulare Initiative Religionsfrei im Revier öffentlich gezeigt wurde, um bewusst gegen das Feiertagsgesetz zu verstoßen. Auf ein Einschreiten der Ordnungshüter wartete man dort vergeblich.
Beim SV Unser Fritz wunderte man sich deshalb, warum die Behörden denn nun genau ihrem stillen kleinen Turnier so viel Aufmerksamkeit schenkten. Schnell kamen Gerüchte auf, dass das Mitglied eines konkurrierenden Schachvereins der Stadt einen Hinweis gegeben habe. Verrat unter Schachfreunden. Ermöglicht durch das Feiertagsgesetz. Ein Skandal.
Ein noch größerer Skandal ist, dass es sich bei diesem konkurrierenden Schachfreund offenbar um keinen geringeren als den Herner Bürgermeister Erich Leichner (SPD) handelt, Vorsitzender des Schachvereins Zeppelin e.V. und Mitarbeiter am Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Gegenüber der WAZ hat Leichner inzwischen zugegeben, dass er es war, der die Verwaltung informiert hat. Als Grund hierfür nannte er, dass in der Vergangenheit städtische Gebäude für den Verstoß gegen die Karfreitagsstille genutzt worden seien. Da es sich beim Vereinshaus des TC Parkhaus in Eickel um kein städtisches Gebäude handelt, darf man sich allerdings weiter darüber wundern, was Leichners tatsächliches Motiv war, den SV Unser Fritz beim Ordnungsamt anzuschwärzen.
Hintergrund
Karfreitag ist ein bundesweiter Feiertag. Er wurde auf Bestreben der Anhänger eines gewissen Jesus von Nazareth eingerichtet, da laut mythologischer Überlieferungen an diesem Tag vor knapp 2000 Jahren der Namensgeber ihrer Religion gewaltsam zu Tode kam.
Liberale Anhänger des Nazareners begehen den Tag heutzutage meistens, indem sie zum Shoppen ins feiertagsfreie Ausland fahren. Orthodoxere Anhänger hingegen bestehen darauf, den Tag in Trauer und Stille zu verbringen. Was sie hierbei ausgerechnet gegen die höchst stille Sportart Schach einzuwenden haben, ist unklar.
Eine jüngst veröffentlichte Studie könnte nun allerdings Licht in die Sache bringen. Wissenschaftler von der Case Western Reserve University in Cleveland haben herausgefunden, dass analytisches und religiöses Denken sich gegenseitig behindern. Da Schachspiel in hohem Maße analytisches Denken erfordert, ist davon auszugehen, dass praktizierende Anhänger des Nazareners das Schachspiel möglicherweise als Behinderung der ungestörten Hingabe an ihre religiösen Gefühle empfinden.
14 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Dabei ist Schach gar kein Sport: http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/staatliche-foerderung-gestrichen-schach-ist-doch-kein-sport-12931746.html
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Dann doch eine "ähnliche Veranstaltung".
Kay Krause am Permanenter Link
Es wäre doch ein Leichtes gewesen für die Teilnehmer des Turniers, das Spiel als "Christlich Historisches" zu deklarieren: Jesus der König, Maria die Dame,
Klaus Bernd am Permanenter Link
Sehr amüsant diese Geschichte - bei aller Ernsthaftigkeit des Hintergrunds. Das hat Potential für Kabarett und Comedy oder für einen Schwank im Volkstheater.
Paul am Permanenter Link
Judas verriet Jesus für 30 Silberlinge, angeblich, manch anderer macht es aus purem Neid und Missgunst. Infantiles Gehabe, was ich nicht darf, darfst du erst recht nicht.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nicht-feiertagsfreies Schachspiel am Karfreitag stört die Hingabe an Ihre religiösen Gefühle (und kann ein Nachspiel haben). - Eigentlich ist das Hasenfest gerade vorbei, aber ich schmeiß mich grad weg.
Andi am Permanenter Link
Wollt Ihr den totalen Katholizismus???
Laßt uns mehr Exorzismus wagen!?
AMEN
Dieter Depping am Permanenter Link
hoffe dass sich Schachfreunde gerechtlich wehren Beratung können sie sich ja bei RiR (Brain) in der Nachbarschaft holen,es lebe die Solidarität
Kay Krause am Permanenter Link
Excelenter Beitrag! Danke!!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das entschlossene Einschreiten der hiesigen Ordnungsmacht in Herne gegen die subversiven Feiertagsschachrebellen war als präventive Maßnahme gegen grassierenden Atheismus zutiefst gerechtfertigt.
Die Gründe liegen auf der Hand: Schach ist mitnichten ein harmloses, nahezu geräuschlos praktiziertes Spiel, das unschuldige Kinder nach den Hausaufgaben ausüben. Schach ist in Wahrheit eine Kriegs- und Strategieübung. Getarnt als scheinbar gewaltfreies Verschieben unterschiedlich gedrechselter Formsteine auf mathematisch exakt kolorierter Grundfläche entpuppt sich Schach doch bei genauerem Hinsehen als kriegsvorbereitende Maßnahme.
Doch wer würde es wagen, ausgerechnet am höchsten Feiertag des Herrn in Herne (der Name der Stadt trägt schon den Keim des atheistisch Aufmüpfigen in sich: "Herr ne"), einen solch chändlichen Chapernack zu treiben? Christen wohl kaum, die gedenken still des Opfers unseres lieben Heilands.
Wer bleibt? Atheisten! Denen ist nichts heilig, die kennen keine Werte und keine Liebe. Aber es sind keine Allerwelts-Atheisten, die tröge ohne Sinn und dumpf ihr psychopathisches heidenspaßiges Leben vergeuden, sondern militante Athefisten, die im Geheimen die Übernahme der Welt oder wenigstens des Ruhrgebiets planen.
Dazu ist ihnen jedes Mittel recht und schänden am Karfreitag unseren Herrn, indem sie Kriegslisten am Schachbrett austüfteln und trainieren. Der wackere Herr Leichner versuchte erst, die Strategien der Christenfeinde zu entschlüsseln, um die himmlischen Heerscharen geschickt in Stellung zu bringen, doch die Überwachungskameras versagten - sicher wegen teuflischer Einflussnahme.
So blieb nur das Mittel des beherzten Eingreifens. Die weltliche Macht musste einschreiten, um den Feind des Christentums empfindlich im Vorfeld der Vorbereitung athefistischer Gewaltakte und Terroraktionen zu treffen. Und - hosianna - es gelang ein glorreicher Sieg gegen den feiertagsvernichtenden Unglauben in Herne, der Stadt, die bald, nach dem Endsieg Jesu, wieder Herja heißen wird...
Halleluja!
(Für die gläubigen Mitleser: Das ist eine Satire)
Klaus Bernd am Permanenter Link
Diese Definition des Schachspiels werde ich mir in mein altes Schachlehrbuchlegen.
awmrkl am Permanenter Link
Danke, sehr gelungen! Ich hab sehr gelacht!
Andi am Permanenter Link
Einfach köstlich! Vielen Dank!
Michael Paschko am Permanenter Link
Mir drängt sich die Frage auf, warum der Bürgermeister, der ja Chef der Verwaltung ist und nicht ein privater Hinweisgeber, seine Verwaltung nicht schon vor Karfreitag angewiesen hat, den Schachverein darüber zu infor